Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 296 Darmstadt, Evangelische Stadtkirche E. 16. – A. 17. Jh.

Beschreibung

Epitaph des Landgrafen Georg I. von Hessen-Darmstadt und seiner zweiten Frau Eleonora, geborene Herzogin von Württemberg. Das zweigeschossige Ädikula-Epitaph aus Alabaster hängt heute an der Nordwand des Chors. In dem von Säulen gerahmten Mittelfeld des Hauptgeschosses steht unter einem Rundbogen das Kreuz mit dem Corpus Christi auf einem Sockel, der mit einem Puttenkopf geschmückt ist. Der überstrichene Hintergrund zeigte ursprünglich vermutlich die Landschaft von Golgatha. Das Mittelfeld wird von zwei doppelgeschossigen Seitenteilen flankiert. In den Rahmen der unteren Teile waren vier auf Kupfer gemalte Bildnisse angebracht, die heute verloren sind. Auf ihnen waren Georg I. und Eleonora, ihr gemeinsamer Sohn Heinrich sowie Sabine, die 1599 verstorbene Tochter aus Eleonoras erster Ehe, abgebildet. Darüber befinden sich zwei Inschriftentafeln, vor denen jeweils ein Putto ruht. Beide Tafeln weisen eine senkrechte Bruchlinie auf. Die Buchstaben sind mit Goldfarbe ausgemalt. Die Verse sind zeilenweise abgesetzt. Auf den beiden äußeren Pilastern neben den Inschriftentafeln sind insgesamt sechs Wappen vorhanden. Im Obergeschoß des Epitaphs befinden sich zwei reliefierte Vollwappen. Bekrönt wird das Denkmal von der Figur des Salvators. Der Sockel zeigt in der Mitte eine leere Inschriftentafel und links und rechts davon je zwei Wappen. Im Unterhang ist eine weitere leere Kartusche vorhanden. Die ungewöhnliche Zahl von sechs Wappen auf jeder Seite, das Fehlen wichtiger Wappen der Ahnenreihen sowie die zum Teil fehlerhafte Abfolge der Wappen legen die Vermutung nahe, daß auf jeder Seite je zwei Wappen ergänzt werden müssen. Als Wappenhalter kommen die Putten auf den Seitenteilen des Hauptgeschosses mit ihren ausgebreiteten und angewinkelten Armen in Frage sowie die äußeren Obelisken, welche die Seitenteile bekrönen. Die Wappen könnten bei der 1843 erfolgten Versetzung des Epitaphs vom dritten Joch der Südseite ins erste Joch der Nordseite verlorengegangen beziehungsweise vertauscht worden sein.1) In der Wappenzeile werden deshalb die Wappen in der rekonstruierten, richtigen Reihenfolge wiedergegeben, während in den Anmerkungen der heutige Befund dokumentiert wird.2)

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. A

    VON GOTTES GENADEN AVSSERKOHRNGEORG FVRST IN HESSE HOCHGEBORNALS ER NVN AVCH HAT ETLICH ZEITVON GOTT ZVE ANDERN EHE BEREITGELEBT MACHT ER SEIN TESTAMENTVND BSTELDT GAR WOL DAS REGIMENTSORGT SEHR VOR DIE RELIGIONVND VOR DAS LANDES VNDERTHONWANS ALSO SCHICKTT DIE OBRIGKEITSO GIEBTS IM LANDT FEINa) RICHTIGKE(IT)WANN OBRIGKEIT THVT GLEICH V(ND) RECHTSO MVSS ZV FRID SEIN IEDER KNECHTVND WANN SIE WIE EIN VATTER ISTALSDAN NIEMAND AN HEIL GEBRISTAVF DIESSES STARB DER FROMME FVRSTIN GOTT MIT GLAVBEN WOL GERVSTNACH DEM ER ABER SICH VERLIESAVFS EWIG LEBEN EHR VND PREISAVCH AVF DER TODTEN VHRSTEND FESTWIE SOLCHS GOTT LEHRT AVFS ALLERBE(ST)SO LEBT NVN MEHR AVCH IEGZT DIE SELLIN GOTTES HAND OHN ALLEN FEHLLAM IVNGSTEN TAGK WIRDT AVFERSTANSEIN LEIB VND GLEICHES LEBEN HAN

  2. B

    ELEONORA HOHER ARTHVON HERTZOGEN GEBOREN WARDAVS WVRTTENBERGK EIN FREWLEIN GVTWIE VNS DAS WAPPN ZEIGEN THVTALS DIS FREWLEIN ZVN IAHREN KAMMFVRST IOCHIM ERNST ZVR GEMAHL SIE NAMEIN FVRST VON ANHALDT EHREN HOCHWIE SEINN GEDACHTNVS LEBET NOCHHERNACH ALS DISSER FROMME HERRGESTORBENN WAR WIE ANDRE MEHRWVRD DVRCH BESONDER GOTTES HANDTDIE WITTIB BRACHT INS HESSEN LANDZVE LANDGRAF GORGEN HOCHGEBORNVON GOTT ZVR GMAHLINb) AVSSERKOHR(N)Nc)SINNREICH VERSTENDIG GVTHIGK MIL(D)TWARDS HOCHGEHRTEd) FVRSTLICH BILDSIE PFLEGTT DES HERRN V(ND) THAT VIL GVT IN CREVTZ V(ND) SCHWACHEIT MACHT SIE MV(T)DIE IVNGEN HERNN V(ND) FREVWLEIN ZARTTLIEBTT SIE ZVMAHL NACH MVTTERe) AR(T)DEN KRANCKEN WAR SIE HVLFF VND TROSTDVRG APOTECK SIE VIELL ERLOSTGOTT WIRDT IHR GEBEN REICHEN LOHNDIE SEHLIGKEIT VND EWIG WOHNf)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
Hessen, Sachsen, Mecklenburg, [Polen], Württemberg, Böhmen, Pommern, [Österreich];3) Württemberg, [Brandenburg, Bayern], Münsterberg, Zweibrücken-Bitsch, Polen,4) Österreich, [Sagan].5)

Kommentar

Leo Bruhns hat das Denkmal dem Bildhauer Nikolaus Dickhart zugewiesen,6) jedoch keinen Datierungsvorschlag gemacht. Da die Inschriftentafel im Sockel des Epitaphs, die wohl für die Grabinschrift Eleonoras vorgesehen war, leer blieb und Inschrift (B) den Tod Eleonoras nicht erwähnt, muß das Denkmal noch zu ihren Lebzeiten geschaffen worden sein.7) Der Anlaß könnte der Tod Georgs I. am 7. Februar 15968) und die daraufhin erfolgte Fertigstellung des Epitaphs für ihn und seine erste Frau Magdalena zur Lippe gewesen sein. Georg I. hatte seine Söhne in seinem Testament angewiesen, an diesem monumentalen Epitaph nach Eleonoras Tod auch eine Inschrift für sie anzubringen.9) Eleonora wurde zwar in einer Inschrift des Denkmals erwähnt, für die Anbringung einer eigenen Inschriftentafel blieb aber kein Platz mehr.10) Um dies auszugleichen, beschloß man offenbar, für Eleonora ein eigenes Epitaph zu errichten. Da der von Georg vorgesehene Anbringungsort der Inschrift für Eleonora an seinem Epitaph die enge Beziehung zwischen beiden dokumentieren sollte, wurde Georg nun noch einmal auf dem zweiten Epitaph verewigt. Seine Todesdaten fehlen jedoch, da diese bereits auf dem ersten Epitaph vorhanden waren. Die heute verlorenen Bildnisse der Kinder Sabine und Heinrich, die sich in den Seitenteilen befanden, bieten keinen Anhaltspunkt für eine genauere Datierung des Epitaphs. Sabine, die aus Eleonoras erster Ehe stammte, starb 1599,11) und Heinrich starb am neunten Januar 1601.12) Die Bildnisse im Epitaph für Ludwig V. zeigen jedoch, daß sowohl die lebenden als auch die verstorbenen Kinder dargestellt wurden.13)

Die Inschrift für Georg hebt seine Tätigkeit als Landesherr hervor und demonstriert damit ebenso wie das Epitaph für Magdalena und Georg das landesherrliche Selbstbewußtsein der neuen Linie Hessen-Darmstadt. Eleonoras Leben wird in ihrer Inschrift als vorbildlich dargestellt. Sie verkörpert das HOCHGEHRTE FVRSTLICH BILD schlechthin.

Textkritischer Apparat

  1. frid Haupt.
  2. Zum Gemahl ihr Haupt.
  3. Der Vers fehlt bei Buchner.
  4. War die Hochgehrte Haupt.
  5. T unter den Balken des T gestellt.
  6. Die Ewigkeit und ewge Wonn Diehl.

Anmerkungen

  1. Zur Veränderung der Anbringung vgl. Haupt 147.
  2. Für unermüdliche Hilfe bei der Entwirrung der heraldischen Probleme sei Herrn Dr. Harald Drös, Heidelberg, herzlich gedankt.
  3. Der heutige Befund zeigt: Hessen, Mecklenburg, Württemberg, Pommern, Sachsen, Böhmen.
  4. Quadriert: 1. Polen, 2. Litauen, 3. Land Dobrzyn, 4. Österreich.
  5. Der heutige Befund zeigt: Württemberg, Münsterberg, Zweibrücken-Bitsch, Polen, Österreich, Pommern. Das Wappen Pommern bildet ein Problem, da es sich an keiner anderen Stelle einreihen läßt. Möglicherweise wies die Ahnenprobe hier von Anfang an einen Fehler auf.
  6. Bruhns, Würzburger Bildhauer 265. Bruhns geht von einer Zusammenarbeit Dickharts mit dem Maler Gerhard von Mainz aus, während Haupt 148 annimmt, daß Dickhart hier nach der Visierung des Frankfurter Malers Philipp Uffenbach gearbeitet hat.
  7. Zu Eleonora vgl. die Inschrift auf ihrem Sarg, Nr. 341.
  8. Vgl. Nr. 283.
  9. Diehl, Alt-Darmstadt 21.
  10. Zu dem Epitaph vgl. Nr. 263.
  11. Zu ihr vgl. Europ. Stammtafeln NF I, Taf. 73.
  12. Vgl. zu ihm Nr. 298.
  13. Vgl. Nr. 334.

Nachweise

  1. Buchner, Sammlung XIII 12 f.
  2. Diehl, Stadtkirche 43.
  3. Haupt, Kdm. 147 f. mit Abb. 218.
  4. Raff, Hie gut Wirtemberg 570 f.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 296 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0029607.