Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 273 Groß-Umstadt, Evangelische Kirche 1594, 1675

Beschreibung

Epitaph der Ursula Gans, ihres Mannes Balthasar und ihres Sohnes Hans Georg Gans. Das Ädikula-Epitaph aus rotem Sandstein ist außen an der Südwand des Langhauses angebracht. Auf dem Sockel befinden sich die beiden Grabinschriften (D) und (E) sowie eine Spruchinschrift (F). Das von Pilastern flankierte Bildfeld nehmen die Grabgedichte (B) und (C) ein. Im Gebälk steht die Spruchinschrift (A). In dem mit Beschlagwerk versehenen Dreieckgiebel sind drei Wappen angebracht. In der Spitze des Giebels und auf dem linken Pilaster ist jeweils das gleiche Steinmetzzeichen (Nr. 30) eingeritzt.

Maße: H. 170, B. 97, Bu. 3 (A), 2 (B–F) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    VNICVIQ(VE) MODV(M) MORIENDI FATA DEDEREET BENE QVI VIXIT NO(N) MALE OBIRE POTEST1)

  2. B

    EIN MENSCH FORMIERT AVS ASCH VND STAVBDORTT VND FELT AB WIE GRAS VND LAVBVERMODDERT WIRT ZV ERT VND MOTTDARAVS WECHST EIN NEV̈ER LEIB DVRCH GOTTDVRCHSICHTIG WIE EIN CLARES GLASDER STETS WIRT GRVNEN WIE DAS GRAS DER GLENZEN WIRT VND LEVCHTEN FEINWIE DER LIEB HELL SONNENSCHEIN

  3. C

    HIE RVHE ICH MIT MEINEM LEIB.VRSVLA BALTSAR GANSEN WEIB.BEI WELCHEM ICH GELEBT TREI IAR,VND VON IHM ZWEN ERBEN GEBAR.EIN MAGDLEIN WELCHS GOT NA(M) ZV SICH,VND KNÄBLEI(N) SO NOCH LEBT ZEITLICH.ZWAINZIG VND FVNF IAR WAR ICH ALT,ALS MICH BETRAFF DES TODS GEWALT.BEI GOT ICH ICZ VND LEB IN FREWD,VON NVN AN BIS IN EWIGKEIT. /OBIIT 24 IVLII AN(NO) CHRISTI 1594.

  4. D

    DEN 18 IVLII ANNO 1622 SEINES ALTERS IIMa) 54 IAR IST IN / GOTT SELIG ENTSCHLAFEN DER WOHLEHRNVESTER HER / BALTHASAR GANS SO DAS SCHVLTHEISENAMT INS 19 IAHR VERSEHEN

  5. E

    DEN 29 IAN(VARII) ANNO 1675 SEINES ALTERS IM 70 IAR IST IN / GOTT SELIG ENTSCHLAFEN DER WOHLEHRN VESTER / HERR HANS GEORG GANS SO DAS SCHVLTHEISENAMPT / 44 IAHR VERSEHEN ·

  6. F

    DIESEM VATTER VND DEM SOHNESCHENCK O GOTT DIE LEBENS CRONE

Übersetzung:

(A) Jedem einzelnen bestimmt das Schicksal seine Art zu sterben, und wer gut gelebt hat, kann nicht elend verscheiden.

Versmaß: Distichon (A). Deutsche Reimverse (B, C, F).

Wappen:
Gans;2) Marke;3) Seilerzeichen.4)

Kommentar

Die Inschriften (A), (B) und (C) zeigen eine Kapitalis, die das Bemühen um ein klares Schriftbild erkennen läßt. Der untere Balken des E ist längerer als der oberere Balken, das M ist mit einem leicht eingezogenen Mittelteil gebildet, der fast bis zur Grundlinie reicht,5) und beim N ist der Schrägbalken leicht eingezogenen. In Inschrift (A) sind die Einziehungen allerdings weniger deutlich als in (B) und (C). In (B) fällt zudem die häufige Verwendung von offenem D auf, das in den übrigen Inschriften fehlt. In (D), (E) und (F) sind der obere und der untere Balken des E gleich lang. Der Mittelteil des M ist sehr kurz und nicht eingezogen. Auch beim N fehlt die Einziehung des Schrägbalkens. Das O ist spitzoval, während es in (A), (B) und (C) rund ist. Zudem sind die Buchstaben unregelmäßig gehauen, während sie in (B) und (C) in vorlinierten Zeilen stehen. Man muß also von einer Entstehung des Epitaphs mit den Inschriften (A) – (C) nach dem Tode der Ursula Gans 1594 ausgehen. Die Inschriften (D), (E) und (F) wurden wohl erst nach dem Tode ihres Sohnes Hans Georg 1675 nachgetragen. Dafür spricht jedenfalls ihre gleichartige Ausführungsweise.

Das Gedicht (B), das die Vergänglichkeit des Menschen und den Auferstehungsglauben thematisiert, läßt im ersten Teil Anklänge an Worte des Propheten Jesaja erkennen.6)

Balthasar Gans übernahm 1603 als Nachfolger des Georg Gans das Schultheißenamt und übte es bis zu seinem Tode im Jahr 1622 aus.7)

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Paraphrase von Augustinus, De disciplina christiana 12,13: „non potest male mori, qui bene vixerit“; zur Aussage des Satzes und seiner Rezeption vgl. Fuhrmann, Guter Tod 151 f.; ähnliche Paraphrasen ohne Vermerk des Originalzitates bei Walther, Lateinische Sprichwörter II/1 Nr. 1997 und II/8 Nr. 38975a3b und Nr. 38975a7.
  2. Eine Gans.
  3. Vierkopfschaft, dessen Sprosse links von einem kurzen Schaft durchkreuzt wird; am unterem Ende des Vierkopfschaftes setzt links ein Bogen an, der durch den Schaft gezogen ist und in einem Stern endet.
  4. Zum Seilerzeichen vgl. Azzola, Torbogen-Schlußstein 94 und passim.
  5. In MORIENDI und in MOTT ist das M jeweils anders gebildet.
  6. Vgl. Jes 40, 6 – 8: „Alles Fleisch ist Hew und alle seine Güte ist wie eine Blume auff dem felde. Das Hew verdorret, die Blume verwelcket ...“.
  7. Vgl. dazu Nr. 301.

Nachweise

  1. Eppig, Gedenkstein 63 f. mit Abb. (B, C).
  2. Scholz, Inschriften 76, Nr. 35.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 273 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0027305.