Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 228(†) Darmstadt, Evangelische Stadtkirche 1576

Beschreibung

Epitaph des Philipp Wilhelm von Hessen-Darmstadt. Das ädikulaförmige Epitaph aus weißem Marmor befindet sich heute innen an der Nordwand des Chors. In der Mittelachse steht vor einer flachen Nische die reliefierte Figur Philipp Wilhelms im Totenhemd mit gefalteten Händen. Auf dem Kopf trägt er einen Lorbeerkranz und über seiner Brust hängt an einem Band ein Orden, der dem vom Goldenen Vlies nachempfunden ist. Die Figur wird von Hermenpilastern flankiert, denen eine männliche und eine weibliche nackte Halbfigur entwächst. In den rechteckigen äußeren Feldern sind zwei Tafeln mit den Inschriften (B) und (C) angebracht. In der Mitte der Frieszone befindet sich eine weitere Inschriftentafel mit der Inschrift (A), in der als Worttrenner runde Punkte verwendet wurden. Die Felder links und rechts davon wurden ursprünglich von den heute verlorenen Wappen eingenommen. Die Inschriften sind so angeordnet, daß jeder Vers in einer Zeile steht. Alle Tafeln sind aus Schiefer, in den die Buchstaben eingeritzt und dann mit Goldfarbe ausgemalt wurden. Der Giebel des Denkmals ging wohl 1618 verloren, und der Sockel wurde 1843 entfernt. Mit ihm wurde auch die auf dem Sockel vorhandene zweispaltige Inschrift (D) zerstört, die nach einer Abschrift wiedergegeben wird. Der Sockel ist heute in Gips ergänzt.

(D) nach Buchner.

Maße: H. 150, B. 118, Bu. 1,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. A

    WAS STESTHV DA O LESER MILDTBESICHST DIE WAFFEN VND SCHILDTWILTV WISSEN WAS ES BEDEVTTDV KANSTS ERFAHREN IN KVRTZER ZEITEINS HOCHGEBORNEN FVRSTEN KINDTMAN NEGST HIRBEŸ BEGRABEN FINTa)VON WAS GESCHLECHT ES SEŸ GEWESE(N)MAGST · IN · DER · RECHTEN · TAFFEL · LESENWILTV · DAN · WISSEN · VO(N) · SEINEM · LEBE(N)DAS WIRT · DIE · LINCKE · TAFFEL · GEBEN

  2. B

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  3. C

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  4. D†

    DIE WEIL NVN LIEBER LESER MEINDIESS KLEIN VNSCHVLDIG KINDELEINSEIN LEBEN HAT VELASSEN BALDVND ERLITTEN DES TODS GEWALTSO SOLTV HIERAN LEHREN NVNDAS DV SOLCHS AVCH EINMAL MVST THVNDENN ZWAR AVF DIESER ERDENKANN NICHTS GEWISZERS FVNDEN WERDEN //ALSZ DER TODT DRVM SCHICKE DICH DAZVVND ALLE STVND SEIN WARTEN THVDER TODT IST GEWISZ DOCH SEINE STVNDIST DIR NOCH KEINEM MENSCHEN KVNDDRVM IST VON NÖTHEN DASZ DV FASTAVF IHN ALL STVND GVTH ACHTVNG HASTAVF DAS DV STERBEST SEELIGLICHVND MIT GOTT LEBST EWIGLICHd)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Datum: 4. Oktober 1576.

Kommentar

Die oft dicht gedrängt stehenden Buchstaben der Inschrift sind in einer Kapitalis mit eher schlanken Proportionen ohne Linksschrägenverstärkung ausgeführt. Die Sporen an den Hasten- und Balkenenden sind deutlich ausgeprägt.

Philipp Wilhelm war der erste Sohn Georgs I. von Hessen-Darmstadt und seiner Frau Magdalena Gräfin zur Lippe.1) Dies mag der Grund dafür gewesen sein, daß dem im Säuglingsalter verstorbenen Kind ein vergleichsweise aufwendiges Epitaph gesetzt wurde.2) Auffällig ist vor allem der breite Raum, den die Inschriften mit der Leseranrede (A), der Angabe der Abkunft (B), den Lebensdaten (C) und schließlich der ausführlichen Mahnung an die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens (D) einnehmen. Bereits hier zeigt sich die Vorliebe Georgs I. für ausführliche Inschriften, wie er sie auch auf dem Epitaph seiner Frau Magdalena anbringen ließ.3) Georg Haupt vermutet, daß Nikolaus Bergner das Epitaph ausgeführt hat.4) Ein Vergleich mit dem 1582 von Bergner für Philipp von Waldeck gefertigten Epitaph5) läßt jedoch weder hinsichtlich des Aufbaus noch in bezug auf die Schriftgestaltung auffällige Ähnlichkeiten erkennen.

Textkritischer Apparat

  1. Beim F ist der sichtbare Ansatz eines unteren Balkens nicht eingehauen, sondern nur gemalt.
  2. Das H ist oben durch einen Strich geschlossen.
  3. I nicht ausgemalt und dadurch kaum zu sehen.
  4. Text nach Buchner, Sammlung XIII 15 f.; die Edition wurde hinsichtlich der Großschreibung und der Wiedergabe von V für U den erhaltenen Inschriften angepaßt.

Anmerkungen

  1. Philipp Wilhelm wird in den Europ. Stammtafeln NF I, Taf. 104 nicht unter den Nachkommen erwähnt; zu seinen Eltern vgl. Nrr. 258 und 283.
  2. Vgl. dazu auch die folgende Nr.
  3. Vgl. Nr. 263.
  4. Haupt 146.
  5. Vgl. Nr. 247.

Nachweise

  1. Buchner, Sammlung XIII 14 – 16.
  2. Diehl, Stadtkirche 33 f.
  3. Haupt, Kdm. 145 mit Abb. 223.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 228(†) (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0022800.