Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 213 Babenhausen, Evangelische Kirche 1566?

Beschreibung

Epitaph des Johannes Fleischbein. Das Epitaph aus grauem Sandstein und Gips ist innen an der Wand des südlichen Seitenschiffes angebracht. Der von Voluten gerahmte Sockel trägt ein sechszeiliges Grabgedicht (B). Im von Pilastern flankierten Mittelteil steht der triumphierende Christus in einer Wolkengloriole mit Putten auf seinem Sarg, an dem drei schlafende Wächter lehnen. Zwei weitere Wächter blicken erschrocken zu dem Auferstandenen auf. Der nicht durch Gebälk abgesetzte Giebel zeigt unter einem Kleeblattbogen das Brustbild Gottvaters mit der Taube in einer Wolkengloriole. Auf dem Kopf trägt er die Tiara, und in der linken Hand hält er die Weltkugel. Die vermutlich ursprünglich im Segensgestus erhobene rechte Hand ist abgebrochen. Darunter befindet sich eine Tafel mit dem Bibelzitat (A). Im Unterhang ist ein Wappenmedaillon angebracht. In beiden Inschriften wurden Dreiecke als Worttrenner verwendet.

Maße: H. 156, B. 86, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. A

    MAT · 3 · ET · LVC · 3 · / HIC EST FILIVS MEVS DILECT(VS) / QVO MIHI BENE CO(M)PLACITV(S) EST1)

  2. B

    FVNERAa) IO(HANN)IS FLEISCHBEI(N)S DEFLE(N)DA VIATORQ(VI)SQ(VI)S ES VRNA SVO MARMORE CLAVSA TENETCO(N)SILIO IS COMITV(M) · IVVIT · SIC · REG(N)A · SVORV(M)HOC · VNO · VT · STETERIT · PVBLICA · SAEPE · SALVSb)VIRTVS QVA VIGVIT · CELEBRI · SOCIAVIT · EV(N)TE(M)AD · SVPEROS · A(N)I(M)AM · COELITIBVSQ(VE) · DEDIT

Übersetzung:

(A) Matthäus 3 und Lucas 3: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

(B) Wanderer, wer auch immer du bist, den zu beweinenden Leichnam des Johannes Fleischbein hält die Urne mit ihrem Marmor umschlossen. Er kam der Regierung seiner Grafen so mit seinem Rat zur Hilfe, daß oft auf ihm allein das öffentliche Wohl beruhte. Die Tugend, durch die er in hohem Ansehen stand, begleitete die Seele, die zu den Heiligen aufstieg, und übergab sie den Engeln.

Versmaß: Drei Distichen.

Wappen:
Fleischbein.

Kommentar

Die schlanken Kapitalisbuchstaben sind nach dem Vorbild der klassischen römischen Monumentalkapitalis ausgeführt worden, ohne diese jedoch exakt nachzuahmen. Die Buchstaben A, M, N und V sind mit Linksschrägenverstärkung gebildet. Das B zeigt einen stark vergrößerten unteren Bogen, und bei C, D und G ist eine deutliche Bogenverstärkung zu erkennen. Der untere Balken des E ist leicht verlängert, das M trägt einen kurzen Mittelteil, und das O weist Schattenachsen auf. Die Buchstaben stehen dicht gedrängt. Neben Ligaturen werden auch ein- und untergestellte Buchstaben mehrfach verwendet.

Die Darstellung Gottvaters mit Tiara, Weltkugel und Taube ist in ganz ähnlicher Weise an dem Epitaph des Eberhard von Heppenheim († 1559) im Wormser Dom, an dem Epitaph des Georg Kämmerer von Worms gen. von Dalberg († 1561) in der katholischen Pfarrkirche in Worms-Herrnsheim2) und an dem Denkmal der Familie Brendel von Homburg (1563) im Mainzer Dom vorhanden.3) Bei den beiden Wormser Epitaphien ist die Darstellung Gottvaters wie in Babenhausen mit dem Bibelzitat aus Mt 3,17/Lk 3,22 verbunden. Allerdings wird der Text dort in deutscher Sprache wiedergegeben und steht in einem größeren Textzusammenhang.4) Beide Epitaphien symbolisieren die Dreieinigkeit durch Gottvater, die Taube und den gekreuzigten Christus, an dessen Stelle auf dem Babenhausener Denkmal der Auferstandene tritt. Die Kapitalis der Denkmäler in Worms und Mainz weist im wesentlichen die oben beschriebenen Merkmale auf.5) Sie zeigt allerdings auch Besonderheiten wie das H mit Ausbuchtung im Balken und Kürzungsstriche mit Ausbuchtung, die auf dem Babenhausener Epitaph nicht vorkommen. Während die ältere Forschung die drei Denkmäler in Worms und Mainz dem Schüler Dietrich Schros, Endres Wolff aus Heilbronn, zuschrieb,6) sah Irnfriede Lühmann-Schmid das Epitaph des Eberhard von Heppenheim als Arbeit der Werkstatt Dietrich Schros an.7) Angesichts der großen Übereinstimmungen bei der Schrift und bei anderen Details der Denkmäler ist es jedoch problematisch, ein Monument aus dem Zusammenhang auszuscheiden. Bei den großen Ähnlichkeiten, welche das Babenhausener Epitaph hinsichtlich der Schriftform und der Darstellung Gottvaters zu den drei genannten Denkmälern erkennen läßt, darf man vermuten, daß es aus derselben Werkstatt wie diese hervorging.8)

Der hanau-lichtenbergische Rat Johann Fleischbein starb 1566.9) Da ein Todesdatum auf dem Epitaph fehlt, wurde es möglicherweise schon zu Lebzeiten Fleischbeins angefertigt.

Textkritischer Apparat

  1. R und A verschränkt.
  2. V und S verschränkt.

Anmerkungen

  1. Mt 3,17; Lk 3,22.
  2. DI 29 (Worms) Nr. 470 mit Abb. 118 a,b und Nr. 477 mit Abb. 120 a,b.
  3. DI 2 (Mainz) Nr. 451 mit Abb.; die Taube fehlt hier.
  4. Vgl. Anm. 2.
  5. Die Grabinschrift des Epitaphs Eberhards von Heppenheim enthält einige abweichende Buchstabenformen, während die Buchstabenformen der Spruchinschrift über der Darstellung Gottvaters mit den Buchstaben der beiden anderen Denkmäler übereinstimmen.
  6. Vgl. Strübing, Dietrich Schro 65; Kahle, Studien 82.
  7. Lühmann-Schmid, Peter Schro 86 mit Anm. 35a.
  8. Die Werke, die Endres Wolff zugeschrieben werden, reichen bis 1587, vgl. Kahle, Studien 83 f.; Dietrich Schro verstarb zwischen 1569 und 1573, vgl. Lühmann-Schmid, Peter Schro 84.
  9. Zu seiner Grabplatte vgl. Nr. 211.

Nachweise

  1. Blum, Denkmäler 101.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 213 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0021307.