Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 189 Philippshospital (ehem. Hofheim), Haus 1 1542 – M. 16. Jh.

Beschreibung

Stiftungsinschrift des Hospitals Hofheim. Die Holztafel, die heute im Konferenzraum des Hauses 1 (Verwaltungsgebäude) des Philippshospitals hängt, wurde 1894 auf dem Speicher des Brauhauses in Hofheim gefunden und anschließend restauriert, wobei alle Buchstaben mit weißer Farbe nachgezogen wurden.1) Die in Gedichtform abgefaßte Inschrift ist auf die beiden nebeneinander angeordneten Felder der Tafel verteilt. Darunter ist im linken Feld das Bibelzitat (B) angebracht und im rechten Feld das Bibelzitat (C). Als Worttrenner und Interpunktionszeichen dienen auf die Grundlinie gesetzte Quadrangeln mit Zierstrichen an den rechtsschrägen Kanten. Über der Tafel befanden sich ursprünglich zwei Trompete blasende Engel. An der einen Trompete hing das Wappen, an der anderen der Helm mit der Helmzier.2)

Maße: H. 133, B. 164, Bu. 3,7 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/7]

  1. A

    Disz ist der Armen HospitalGenannt Hofheim welchen dazumalAls fünffzehenhundert, vnd 30 Jahr.Vnd darzu 3, die Jahrzal war.a)Gestifftet hat, der Christliche HeldtGarweit berumbt, in aller Weldt.Philips Landgraff, in HessenlandDen Armen gereicht, sein milte Hand.Die Ordnung, stifft er solcher massen.Da ein Weibsbild, seinenb) VndersassenVon Gott mit Creitz, beladen wer.Mit Armut, alter, Kranckheit schwer. //Die sollen alhier Verpfleget sein.Erqückt getröst in ihrer peinUmsonst wird ihnen solches beschertDamit alein Gott werd geehrt.Wer, etwas, diesem Hausz entzeücht.Die Armen, omb ein kleins, betreügt.Oder sich, einschleifft, ohn einige noth.Vnd sich, misbraucht, der Armen Brodt.Verflucht so lang, der selbige, bleibt.c)An Ehr vnd Gut, an seinem Leib.Bis er sein Sünd, erkennen thu.Den Armen las, das ihrige, in ruhd) ·

  2. B

    Ein König der die Armen trewlich richtet, / Des thron wird ewiglich bestehen, prou(erbiorum) 293)

  3. C

    Beraube den Armen nicht, ob er wol arm ist, vnd / Vnterdrücke den Elenden nicht im thor, pro(verbiorum) 22.4)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
Hessen.

Kommentar

Die Schrift zeigt die typischen Merkmale der Fraktur in einer sehr ausgeprägten Form,5) doch scheinen vor allem die Versalien bei der Übermalung verändert worden zu sein. Wieweit sich die Restaurierung auf die einzelnen Buchstabenformen ausgewirkt hat, läßt sich allerdings nicht mehr feststellen.

Die Inschrift entstand mit Sicherheit deutlich nach 1533, da das Hospital mit den Worten Da ein Weibsbild seinen Untersassen der Pflege von Frauen vorbehalten wird. Bis 1542 war Hofheim jedoch für Männer und Frauen bestimmt,6) was sich erst änderte, als 1542 das Kloster Gronau als Spital für Männer eingerichtet wurde.7) Die Inschrift kann also aus inhaltlichen Gründen erst nach dieser Maßnahme entstanden sein. Johann Just Winkelmann erwähnt, daß an den vier Hospitälern Haina, Merxhausen, Hofheim und Gronau identische Tafeln mit dem gleichen Wortlaut angebracht waren. Für die schon erwähnte Zeile vermerkt er für Merxhausen und Hofheim die Variante Da ein Weibsbild seiner..., während er den Wortlaut für Haina und Gronau mit Da einer seiner Untersassen wiedergibt.8) Winkelmann hat offenbar alle Tafeln gekannt, und man kann nach seiner Beschreibung eine gleichzeitige Entstehung der vier Tafeln vermuten. Der Terminus ante quem ist 1588, da in diesem Jahr der Wortlaut der Inschrift aus Haina von Johannes Letzenerus im Druck mitgeteilt wurde.9) Vermutlich wurden die Tafeln aber schon nach dem Abschluß der letzten Hospitalgründung in Gronau 1542 geschaffen. In diesem Jahr brachte man in Haina auch den sogenannten „Philippsstein“ an, dessen Inschriften sich ebenfalls auf die Hospitalgründung beziehen.10) Sie sind allerdings noch in gotischer Minuskel ausgeführt. Da die Inschriftentafeln für die vier Hospitäler vermutlich alle in einer Werkstatt außerhalb des Bearbeitungsgebiets geschaffen wurden, hat es für die Beurteilung der Inschrift keine Bedeutung, daß die früheste, sicher datierte Fraktur im Bearbeitungsgebiet von 1551 noch nicht sehr entwickelt ist.11) Der Vergleich mit den angrenzenden Gebieten zeigt, daß gut ausgeprägte Frakturinschriften um die Mitte des 16. Jahrhunderts ohne weiteres möglich sind, vor allem wenn es sich um gemalte Inschriften handelt.12)

Die Versorgung von Armen und Kranken spielte für Landgraf Philipp den Großmütigen bei der Einführung der Reformation von Anfang an eine wichtige Rolle. Bereits 1530 wurde die Einrichtung eines gemeinen Kastens zur Armenfürsorge abgeschlossen.13) Spätestens Anfang 1531 kam der Gedanke auf, die Klöster Haina und Merxhausen in Hospitäler umzuwandeln, und im Jahr 1533 stellte Philipp die Stiftungsurkunden aus.14) Die Stiftungsinschrift für Haina nennt allerdings das Jahr 1530 für die Einrichtung des Hospitals, und dieselbe Jahreszahl hat auch der in Haina angebrachte „Philippsstein“ von 1542. Beide Inschriften fixieren damit möglicherweise das Jahr, in dem die ersten Ansätze zu dem Vorhaben gemacht wurden.15) In Haina sollten bedürftige Männer und in Merxhausen Frauen aufgenommen werden, und zur Finanzierung sollte der Klosterbesitz dienen. Die Bemühungen zur Einrichtung eines Hospitals in Hofheim gehen möglicherweise bis in das Jahr 1529 zurück, doch wurden sie erst 1535 mit der Ausstellung der Stiftungsurkunde durch Philipp abgeschlossen.16) Auch hier nennt die Stiftungsinschrift mit dem Jahr 1533 ein früheres Datum. Der Gründungsvorgang in Hofheim verlief anders als bei den Hospitälern Haina, Merxhausen und Gronau, da in Hofheim kein Kloster, sondern eine Pfarrei zum Hospital umgewandelt wurde. Die Einnahmen der Pfarrei reichten aber bei weitem nicht aus, um ein Hospital zu unterhalten, weshalb Hofheim noch Einkünfte aus den Ämtern der katzenelnbogischen Obergrafschaft erhielt. Die Pfarrei wurde nach Crumstadt verlegt.17)

Textkritischer Apparat

  1. Als Eintaußendfünfhundert 34 Jahr / nach Christi geburt die Jahrzahl war Zeller; Winkelmann, Beschreibung 436 gibt den Text vollständig für das Hospital Haina wieder und weist (434) darauf hin, daß derselbe Text auch an den übrigen drei Hospitälern angebracht war. Er vermerkt in seinen Anmerkungen einige Textvarianten für diese Hospitäler, doch übersah er die Unterschiede bei den Jahreszahlen in den einzelnen Inschriften. Winkelmanns Varianten werden deshalb hier nicht im einzelnen aufgeführt. Sein Text deckt sich im wesentlichen mit der Überlieferung einer Spruchsammlung aus dem Staatsarchiv Marburg, gedruckt bei Demandt, Anfänge 228 f. und der Edition bei J. Letzenerus, Historische kurtze, einfaltige und ordentliche Beschreibung des Closters und Hospitals zu Haina in Hessen gelegen, Mühlhausen 1588; vgl. dazu Demandt, Anfänge 204 und 226 f.
  2. seiner Zeller.
  3. Verflucht derselb‘ solange bleib Zeller.
  4. das Ihr in Rhu Zeller.

Anmerkungen

  1. Mayer 30.
  2. Winkelmann, Beschreibung 436.
  3. Spr 29,14.
  4. Spr 22,22.
  5. Vgl. dazu Einleitung, Kap. 5. 6.
  6. Vgl. den Text der Gründungsurkunde von 1535 bei Schenk zu Schweinsberg, Beiträge 249 – 262 und bei Mayer 17 – 29 und dazu Demandt, Anfänge 193 f. und 229, Anm. 17.
  7. Heinemeyer, Armen- und Krankenfürsorge 19.
  8. Winkelmann, Beschreibung 436; vgl. dazu oben bei Anm. a.
  9. Vgl. Anm. a.
  10. Edition bei Drach/Könnecke, Bildnisse 36 und Demandt, Anfänge 226 – 228 mit Abb. 2.
  11. Vgl. Nr. 191.
  12. DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II) Nr. 115 (1550); DI 29 (Worms) Nr. 443 (1549); DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 313 (1557); DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 453 (1559), Nr. 466 (1566).
  13. Heinemeyer, Armen- und Krankenfürsorge 5 f.
  14. Demandt, Anfänge 182 – 185; Demandt, Hohe Hospitäler 36 – 42; Heinemeyer, Armen- und Krankenfürsorge 13 – 19.
  15. Vgl. dazu Heinemeyer, Armen- und Krankenfürsorge 17; Demandt, Hohe Hospitäler 57 – 62; interessanterweise bietet die Edition von Letzenerus [wie Anm. a] abweichend von allen anderen Überlieferungen für Haina in den Versen 3 und 4 einen mit der Hofheimer Tafel übereinstimmenden Text und nennt damit das Jahr der eigentlichen Gründung, vgl. Demandt, Anfänge 228, Anm. 13.
  16. Demandt, Anfänge 188 f.
  17. Vgl. Demandt, Anfänge 190 – 192; Demandt, Hohe Hospitäler 42 – 45 und die oben in Anm. 6 genannte Literatur.

Nachweise

  1. Winkelmann, Beschreibung 436.
  2. Zeller, Geschichte 418.
  3. Mayer, Das Großherzogliche Landeshospital 30, Abb. 2.
  4. 450 Jahre Psychiatrie in Hessen, Abb. vor 161.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 189 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0018907.