Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 172 Darmstadt-Wixhausen, Evangelische Kirche 1541

Beschreibung

Devise sowie Bau- und Meisterinschrift auf einer Holztafel, die innen über dem Westportal angebracht ist. Die Inschrift ist in drei Zeilen in das Holz eingekerbt. Die Buchstaben der ersten und der dritten Zeile sind deutlich kleiner als die der zweiten Zeile. Als Worttrenner dienen Quadrangeln. Die mehrfach renovierte Tafel ist heute schwarz gestrichen, während die Buchstaben und die Worttrenner rot ausgemalt wurden.

Maße: H. 32,5, B. 227,5, Bu. 4–11 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis. Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. V(ERBVM) D(OMINI) M(ANET) I(N) AE(TERNVM)1) / Hoc · Opus · per Martinu(m) Opifice(m)a) Factu(m)b) · / Anno d(omi)ni 1541

Übersetzung:

Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. Dieses Werk wurde von dem Handwerker Martin gemacht im Jahre des Herrn 1541.2)

Kommentar

Fast alle Versalien der Devise sowie der Bau- und Meisterinschrift entstammen der frühhumanistischen Kapitalis, und nur H, F und O in Opificem sind der Fraktur entnommen. Das spitze A besitzt einen nach links überstehenden Deckbalken und einen gebrochenen Mittelbalken. Das erste D ist offen, das zweite unzial. Das I trägt eine Ausbuchtung nach links. Das schlanke M ist mit schräggestellten Hasten und kurzem Mittelteil gebildet. Das O von Opus ist spitzoval und zeigt deutliche Bogenschwellungen. In die Gestaltung der kapitalen Buchstaben flossen zudem Formen der gotischen Majuskel ein, wodurch die Buchstaben gotisierende Verfremdungen wie Hastenverbreiterungen und Bogenschwellungen aufweisen.3) Der Rückgriff auf die 1541 nicht mehr zeitgemäße frühhumanistische Kapitalis ist auffällig.4) Er paßt aber zur verwendeten Minuskel, die im Zweilinienschema ausgeführt ist und in ihrer Ausprägung noch ganz in der Tradition des 15. Jahrhunderts steht.

Das Bibelwort VERBVM DOMINI MANET IN AETERNVM war zunächst der private Wahlspruch des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen, wurde dann zur Losung des Schmalkaldischen Bundes und fand als Devise der Reformation allgemeine Verbreitung.5) Die Inschrift dokumentiert die Renovierung und die Umgestaltung des Innenraums der Kirche im Jahr 1541.6)

Textkritischer Apparat

  1. opifici(um) Ruhl 187.
  2. Die letzte Haste zeigt oben unterhalb der Linksbrechung einen nach rechts weisenden Balken, der offenbar auf einen Haufehler zurückzuführen ist.

Anmerkungen

  1. Jes 40,8; 1 Petr 1,25.
  2. Aus dem Lesefehler opificium ergibt sich bei Ruhl 187 auch die fehlerhafte Übersetzung „Dies Werk ist durch Martin als ein Werk der Gnade getan worden“. Die darauf aufbauende Interpretation, der Satz sei auf Martin Luther gemünzt, ist bei richtiger Lesung und Übersetzung der Inschrift nicht haltbar.
  3. Zum Einfluß der gotischen Majuskel auf die Entwicklung anderer Schriftformen vgl. Fuchs, Übergangsschriften 335.
  4. Vgl. DI 38 (Lkr. Bergstraße) XLIII.
  5. Löbe, Wahlsprüche 165 f.; DI 39 (Lkr. Jena) Nr. 136 f.; DI 41 (Lkr. Göppingen) Nr. 421.
  6. Ruhl 186 f.

Nachweise

  1. Hassia sacra V 112.
  2. Ruhl, Darmstadt-Wixhausen 186 f.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 172 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0017209.