Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 135 Gernsheim, Katholische Wallfahrtskapelle Maria Einsiedel 1516

Beschreibung

Spruchinschrift sowie Meister- und Herstellungsinschrift mit Gußjahr auf einer Bronzeglocke des Zweiergeläuts im Dachreiter. Die einzeilige Inschrift läuft auf der Schulter um. Sie wird oben von einem einfachen Steg und unten von einem Doppelsteg mit Zinnenfries und hängendem Blütenfries begrenzt. Der Wolm trägt einen kräftigen Grat, und der Schlagring ist mit einem Doppelsteg verziert. Die Glocke wurde 1942 zu Kriegszwecken abgeliefert, kehrte aber 1947 unversehrt nach Gernsheim zurück.1)

Maße: H. 55, Dm. 55, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. LAVDO DEVM VERVM SATHANAM FVGOa) CONVOCO CLERVMSTEFFAN GOS MICH 16

Übersetzung:

Den wahren Gott lobe ich, Satan vertreibe ich, die Geistlichkeit rufe ich.

Versmaß: Hexameter, leoninisch zweisilbig rein gereimt.

Kommentar

Die etwas gedrungenen Kapitalisbuchstaben zeigen nicht mehr die wohlproportionierten Formen, die Steffan von Frankfurt 1513 für die Spachbrückener Glocke verwendete. Das spitze A ist mit Linksschrägenverstärkung gebildet, die jedoch bei N und V fehlt. Das M, dessen Mittelteil fast bis zur Grundlinie reicht, besitzt eine Rechtsschrägenverstärkung. Das kreisrunde O ist mit einer Schattenachse gebildet. Die Verzierung der Glocke ist für Steffen typisch,2) und die Spruchinschrift läßt sich auch auf einer Glocke in Langen (Lkr. Offenbach) nachweisen, die Steffan 1520 goß.3) Steffan übernahm dabei einen alten Glockenspruch, der sich zwischen 1410 und 1460 in der Umgebung von Trier auf mehr als zwanzig Glocken nachweisen läßt4) und in mehreren Varianten weite Verbreitung fand.5)

Textkritischer Apparat

  1. Fuge Schuchert.

Anmerkungen

  1. B. Forster, Historische Glocken aus Mainz, in: Gernsheimer Anzeigenblatt Nr. 44, 30. Oktober 1997.
  2. Vgl. Nr. 130 mit einer kurzen Biographie Steffans und den Verweisen auf seine anderen Arbeiten.
  3. Walter, Glockenkunde 307 und 881.
  4. Poettgen, Trierer Glockengießer 80; die Trierer Inschriften haben allerdings congrego statt convoco.
  5. Walter, Glockenkunde 187.

Nachweise

  1. Jahresbericht der Denkmalpflege III 117.
  2. Handbuch der Diözese Mainz 267.
  3. Schuchert, Gernsheim (II) 115.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 135 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0013504.