Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 127 Neunkirchen, Evangelische Kirche nach 1480 – 1509?

Beschreibung

Wandmalereiinschrift an der Südwand unmittelbar neben dem Emporenabschluß im ehemaligen Chor. Erhalten ist nur ein schmales Fragment, das einen Teufel und das dazugehörige Schriftband umfaßt. Der Teufel, dessen Konturen mit rotbrauner Farbe gezeichnet sind, schreitet nach links und schaut über die Schulter zurück. Seinen Kopf zieren Eselsohren, die höckrige große Nase ist nach unten gekrümmt, und aus dem Maul steht die Zunge hervor. Über die Schulter des Teufels läuft ein Strick, mit dem er wohl ursprünglich einen (oder mehrere) Sünder hinter sich herzog, nach dem (oder denen) er sich umschaut. Das Schriftband beginnt über dem Kopf des Teufels und zieht sich hinter seinem Rücken bis zum unteren Rand der freigelegten bemalten Fläche hin. Die stark verblaßten Buchstaben sind zweizeilig in Schwarz auf weißen Grund gemalt. Als Worttrenner dienen Quadrangeln mit paragraphzeichenförmig ausgezogenen Zierstrichen.

Maße: H. 130, B. 60, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. [.. m]era) · man · d[u . . .]dar/zu · raden · und · he[l]fenb) · ich · [di]r ·

Kommentar

Für die Kirche sind Baumaßnahmen in der Zeit von 1480 bis 1493 inschriftlich belegt, die der Initiative des 1509 verstorbenen Pfarrers Johannes Ruder entsprangen. Ob es dabei auch zu einem Chorneubau kam, ist fraglich, doch hat Ruder offenbar für eine neue Ausmalung des Chores mit Bildern der Heiligen Kosmas und Damian gesorgt.1) Möglicherweise ließ Ruder auch die übrigen Wandmalereien im Chor anbringen. Die gut entwickelte, im Vierlinienschema ausgeführte gotische Minuskel der Inschrift widerspricht einem Datierungsansatz in die Zeit zwischen 1480 und 1509 nicht.

Da sich nicht mehr erkennen läßt, wie weit sich das Schriftband über dem Kopf des Teufels hinzog, bereitet die Herstellung des Textes vor allem am Übergang von der ersten in die zweiten Zeile Schwierigkeiten. Die Lesung dar/zu setzt voraus, daß in der zweiten Zeile vor zu kein weiteres Wort mehr stand, doch läßt sich dies nicht mit Sicherheit entscheiden. Nach dem lesbaren Text zu urteilen, war das Thema der Wandmalerei und der Inschrift wohl ein Mann, der sich bestimmte Dinge wünscht, zu denen ihm der Teufel zu raten und zu helfen verspricht. Damit begibt sich der Mann in der Hoffnung auf irdische Güter in die Gewalt des Teufels, statt in der Hoffnung auf die ewige Seligkeit auf Gott zu vertrauen.

Textkritischer Apparat

  1. Die oberen Hastenenden des m fehlen. Davor sieht man noch die Ansätze von zwei Hasten, die unten nach rechts gebrochen sind.
  2. Vom / fehlt das obere Ende.

Anmerkungen

  1. Zu den Baumaßnahmen vgl. Nr. 78; zu der Chorausmalung vgl. die vorangehende Nr.; zu Johannes Ruder vgl. Nr. 86.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 127 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0012704.