Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 125 Neunkirchen, Evangelische Kirche 1509, 1699

Beschreibung

Epitaph des Pfarrers Johannes Ruder genannt Stumpf von Lindenfels und in Zweitverwendung Grabplatte für Johann Wilhelm Zimmermann. Das Epitaph aus rotem Sandstein ist heute in einem schwenkbaren Metallrahmen an der Westwand der Kirche angebracht. Auf der einen Seite befindet sich in der oberen Hälfte der Platte im eingetieften Feld das reliefierte Brustbild eines Priesters unter einem runden Astwerkbogen. Die linke Hand hält den Kelch, während die Rechte im Segensgestus erhoben ist. Die untere Hälfte des Epitaphs trägt einen Grabspruch (A), bei dem Quadrangeln als Worttrenner Verwendung fanden. In der Mitte der Platte sind zwei Dübellöcher vorhanden, an denen möglicherweise eine Metalltafel mit einer weiteren Inschrift angebracht war. Der rechte Rand des Steins ist beschädigt. Auf der Rückseite läuft die Inschrift (B) auf dem Rand um. Das Feld nehmen zwei Medaillons ein. Das obere trägt im Spiegel die Spruchinschrift (C) und auf einem die Fassung umwindenden Schriftband die Spruchinschrift (D). Im unteren Medaillon haben sich die Stifter der Zweitverwendung verewigt (E).

Maße: H. 158, B. 75,5, Bu. 9 (A), 5,2 (B), 4 (C–E) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A). Kapitalis (B–E).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    hac · iacent i(n) fossaa) / iohannis · rudersb) · ossaa) 1)

  2. B

    HIER · RUHET · IN · GOTT · IOH(ANN) / WILHELM · ZIMMERMAN · GEBOHREN · ZU · BIEBESHEIM · A(NN)O · 1683 · / D(EN) · 7 · AUGUSTI · GESTORBEN · ZU · / NEUNKIRCHEN · A(NN)O · 1699 · D(EN) · 21 · MARTII · SEINES · ALTERS · XV · IAHR · 32 · WOCHEN

  3. C

    IESUS IN MEINEM / HERZEN CHRISTUS / IN MEINEM SINNIN / GOTTES NAHMEN / SCHLAF ICH / INN

  4. D

    NACH / EINEM / SE/LI/GEN / END / EIN / HERZ/LICH / VER/LAN/GEN

  5. E

    SEIN VATTER / IST IOH(ANN) CHRISTOPH / ZI(M)MERMAN ITZIGER / PFARRER ALHIER · DIE / MUTTER IOHANNA / MARIA GEBOHRNE / DIETMARIN

Übersetzung:

In diesem Grab ruhen die Gebeine des Johannes Ruder.

Versmaß: (A) Hexameter, leoninisch zweisilbig rein. – (C) Deutsche Reimverse.

Kommentar

Johannes Ruder war von 1472 bis zu seinem Tode 1509 Pfarrer von Neunkirchen.2) Auffällig an dem Epitaph ist die kurze Bestattungsnotiz ohne Angabe des Todesdatums. Möglicherweise war das Datum aber auf der verlorenen Metalltafel vorhanden. Fraglich bleibt, ob das Denkmal schon zu Lebzeiten Ruders angefertigt wurde. Dies erscheint zumindest möglich, da sich Ruder in einer ganzen Reihe inschriftlicher Zeugnisse verewigen ließ.3) Allerdings zeigt der Nachtrag des Todesjahrs in der Stiftungsinschrift Ruders, daß für sein Gedächtnis auch nach seinem Tod gesorgt wurde.4)

Die extrem schlechte Lage der Pfarrei am Ende des 17. Jahrhunderts5) könnte den damaligen Pfarrer Johann Christoph Zimmermann dazu veranlaßt haben, das Epitaph Ruders für die Bestattung seines Sohnes Johann Wilhelm erneut zu verwenden. Johann Christoph Zimmermann stammte aus Darmstadt und wurde 1674 in Gießen immatrikuliert. Er wirkte von 1677 bis 1683 in Groß-Rohrheim (Lkr. Bergstraße) und von 1683 bis 1692 in Biebesheim (Lkr. Groß-Gerau) als Schulmeister. Von 1692 bis zu seinem Tod 1716 war er Pfarrer in Neunkirchen.6)

Textkritischer Apparat

  1. Durch die Beschädigung des rechten Randes fehlt die Haste des a.
  2. Die Hasten des u sind oben nach rechts und unten nach links gebrochen.

Anmerkungen

  1. Die Verse sind der Inschrift für Beda Venerabilis nachgebildet, wie sie in seiner Vita überliefert ist: Hac sunt in fossa, Bedae Venerabilis ossa; vgl. zu den verschiedenen Versionen der Grabinschrift Bedas die Einleitung zu Bede‘s Ecclesiastical History of the English People, edd. B. Colgrave/R. A. B. Mynors, Oxford 1969, lxxiii f.
  2. Zur Person vgl. Nr. 86.
  3. Vgl. die Nrr. 83, 86, 87, 88.
  4. Vgl. Nr. 86.
  5. Vgl. dazu Hotz 20 f.; Kunz, Kirchspiel Neunkirchen 66 – 69.
  6. Hassia sacra I 156, wo der Vorname Johann Georg angegeben ist.

Nachweise

  1. Hotz, Kirche 16 (A).

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 125 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0012506.