Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 87 Neunkirchen, Evangelische Kirche 1487

Beschreibung

Bauinschrift auf einem Eckquader aus rotem Sandstein an der Südseite des Turms. Der Quader trägt eine sechszeilige Inschrift, die sehr stark abgewittert ist. In der ersten Zeile ist vor dem letzten Wort in einem eingetieften Feld die Jahreszahl in gotischen Ziffern angebracht.

Maße: H. 32, B. 85, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Sebastian Scholz) [1/2]

  1. Estatea) millena salutis 1487b) octogenaq(ue)Ac septenac) ve(r)g[ente]d) quater centenaq(ue)[. . . a]tee) Chr(ist)if) [.]s[....]sis [.]gene[....]g)Magsterh) iohannes rudder cogno(m)ine stu[mpfus]i)Hoc opus p[(er)so]lu(en)sj) ac ipso fauente s[(e)c(und)]ok)A[rti]fic[e]l) finitm) cui laudi sit honoriq(ue)

Übersetzung:

Als sich das Jahr des Heils 1487 neigt ... bringt Magister Johannes Ruder mit dem Beinamen Stumpf dieses Werk dar und beendet es mit der begünstigenden Hilfe eben des Schöpfers, dem es zum Lob und zur Ehre dient.

Versmaß: Sechs Hexameter.

Kommentar

Die Inschrift dokumentiert die Vollendung des Turmneubaus, der von dem Neunkirchener Pfarrer Johannes Ruder genannt Stumpf von Lindenfels veranlaßt worden war.1) Der heute extrem abgewitterte Stein war bereits für Retter schlecht zu lesen. Die für ihn unlesbaren Stellen hat er mit Punkten markiert. Aber auch die von ihm als sicher edierten Verse stimmen nicht immer mit dem Befund überein. Hotz hat gar nicht mehr versucht, einen vollständigen Text herzustellen. Er gibt nur die ersten anderthalb Zeilen, die vierte Zeile sowie die ersten beiden Worte der fünften Zeile wieder. Dabei entging ihm, daß es sich bei den einzelnen Zeilen um Hexameter handelt, die allerdings mit prosodischen Unregelmäßigkeiten behaftet sind. So paßt der Beginn des fünften Verses Hoc opus nicht ins Versmaß, und auch der erste und der zweite Vers zeigen Unregelmäßigkeiten. Ein zusätzliches Problem für die Entzifferung bilden neben der unregelmäßigen Prosodie die Kürzungen. Klar erkennbar ist nur der Kürzungsstrich über xpi in der dritten Zeile sowie die aus zwei Punkten bestehende Kürzung für ue bei que. Sonst sind keinerlei Kürzungszeichen erkennbar, so daß fraglich bleibt, in welchen Fällen man mit Kürzungen rechnen kann. In der besonders zerstörten dritten Zeile stand möglicherweise ein Tagesdatum. Rudolf Kunz nahm in Unkenntnis des Inschriftentextes an, Pfarrer Johannes Ruder sei zwar an dem Bau beteiligt gewesen, veranlaßt worden sei dieser aber von dem Patronatsherrn der Kirche Hans von Rodenstein.2) Gegen diese Annahme spricht jedoch, daß Ruder in der Inschrift eindeutig als Bauherr erscheint, während Hans von Rodenstein gar nicht genannt wird. Sein Name kommt auch in keiner der anderen Inschriften vor, die sich auf den Bau der Kirche beziehen,3) noch wird er in irgendeiner anderen Quelle damit in Zusammenhang gebracht.

Textkritischer Apparat

  1. Stante Retter.
  2. Die eingefügte Jahreszahl gehört nicht zum Hexametervers.
  3. Estate millesima qudringentesima octogesima septima Hotz.
  4. Ergänzt nach Retter.
  5. Auch ace möglich.
  6. Griechische Buchstaben, Bestand xpi.
  7. Gregi prelate Epi. Linfedensis o generate Retter.
  8. So aus prosodischen Gründen für Magister.
  9. cognomine ... Retter.
  10. p. tonis Retter.
  11. ssdo Retter.
  12. Arti ... Retter.
  13. fine Retter.

Anmerkungen

  1. Zu ihm vgl. die vorangehende Nr. mit weiteren Verweisen.
  2. Kunz, Kirchspiel Neunkirchen 57.
  3. Vgl. Nrr. 78, 83 und die folgende Nr.

Nachweise

  1. Retter, Hessische Nachrichten II 228, Anm. f.
  2. Hotz, Kirchen 16.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 87 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0008705.