Inschriftenkatalog: Die textilen Inschriften der Stadt Bamberg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 6: Stadt Bamberg (Textilien) (2015)

Nr. 10† Bamberg, Dom, Segerer vor 1380?/um 1500

Beschreibung

Beischrift auf der Georgsfahne, die als Reliquie verehrt wurde. Die Fahne ist mehrfach in den Bamberger Heiltumsbüchern abgebildet1). Demnach hatte die Fahne die Form eines Gonfanons, in dessen Zentrum ein Medaillon mit griechischem Kreuz stand. Dies Medaillon war von Buchstaben in Kapitalis begleitet.

Die Lesung nach den Abbildungen ist nicht einheitlich. Die Technik ist unklar.

Text nach Heiltumsverzeichnis 1493 fol. 2v, Heiltumsverzeichnis 1495 fol. 2V:

  1. S(ANT) // I(ORGEN)a)

Text nach Heiltumsverzeichnis 1508/09 2r:

  1. IN VI//AM // PA//CISb)

Übersetzung:

Auf den Weg des Friedens.

Bibel- und Schriftstellerzitat(e)

    Lc 1, 79.

Kommentar

Die Fahne2) war ursprünglich mit einem Querstab an einem Wurfspeer befestigt3). Zusammen mit der Heinrichsfahne (Nr. 7 †) führte sie die Heiltumsweisungen an. Doch sind die Abbildungen in den Heiltumsverzeichnissen keineswegs einheitlich4). Auffällig ist der Bruch zwischen den Darstellungen aus dem späten 15. Jahrhundert und denen zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass die Fahne, ähnlich der Heinrichsfahne, um 1500 erneuert wurde, allerdings unter Beibehaltung der Fahnenform. Das Heiltumsverzeichnis von 1509 gibt auf fol. 2r die Inschriften der Fahne spiegelverkehrt, was vermutlich auf den Druck zurückzuführen ist. Auf der folgenden Seite sind zum Teil Buchstaben ausgelassen, verkürzt und gespiegelt. Die Wiedergabe der Georgsfahne in einem Wappenbuch5) um 1530 zeigt die Inschrift in vier applizierten Riegeln, wobei NV durch Nexus litterarum verbunden sind und beim M (VIAM) Missverständnisse zu beobachten sind.

Die erste Erwähnung einer Georgsfahne findet sich 13806): sant Jorgen fann auff ider seitten Ein besunder creuz. Die späteren Heiltumsverzeichnisse beschreiben die Fahne ebenfalls nicht näher, sondern erläutern die himmlische Herkunft und die Verwendung in Kriegszügen. Gemäß der Abbildungen war sie wohl in Rot und Weiß gehalten. Sie wurde mit der Schlacht Heinrichs II. gegen den polnischen Herzog Bolesław I. Chrobry (* 965/967, † 17. Juni 1025) zu Beginn des 11. Jahrhunderts7) bzw. mit der Schlacht von Akkon8) in Verbindung gebracht. Kleinere Ausbesserungsarbeiten an der Fahne sind aus den Jahren 1476/77 und 1482/83 belegt9). 1492/93 erfolgte eine weitere Reparatur, bei der die bilde ... abgetrennt und wieder aufgenäht wurden10). 1517/18 wurden die Holzstäbe erneuert11).

Außerhalb der Nutzungszeiten wurde die Georgsfahne zusammen mit der Heinrichsfahne im Segerer (sacrarium, Silberkammer, Schatz) in einer Silbertruhe verwahrt12). Neben den Heiltumsweisungen wurde die Georgsfahne im Kirchenjahr nur an Fronleichnam gebraucht, wo sie bei der Prozession wie die Heinrichsfahne von einem weltlichen Adeligen in Begleitung von jeweils zwölf Knappen getragen wurde. „1493 waren dazu Markgraf Friedrich von Brandenburg (1460-1512) und sein Neffe Joachim, der damals 9jährige (!) Bruder des späteren Kardinals Albrecht von Brandenburg, aufgefordert worden13).“ 1506 übernahm Gottfried Schenk von Limburg, der Neffe des Bischofs Georg Schenk von Limpurg (1505-1522) die Aufgabe, 1508 Achatz von Redwitz zu Theisenort14). Die Träger waren gerüstet. Beim anschließenden Gottesdienst standen die beiden Fahnenträger vor dem Altar. In diesem Zusammenhang wird die Georgsfahne letztmalig 1524 erwähnt15), weshalb anzunehmen ist, dass sie wohl im Laufe des 16. Jahrhunderts verloren ging.

Im Heiltumsverzeichnis von 1380 wird unter den Reliquien eine weitere Georgsfahne erwähnt16). Diese hat sich mit der Beschriftung De Vexillo S. Georgy von der Hand Johann Graff im Reliquienschatz des Metropolitankapitels Bamberg erhalten17).

Textkritischer Apparat

  1. Links und rechts in den unteren Ecken. Auflösung nach BSB Cgm 267 fol. 239r am wahrscheinlichsten.
  2. Kreuzförmig um das Medaillon angeordnet, links auf Höhe des Kreuzmedaillons beginnend, dann im Uhrzeigersinn.

Anmerkungen

  1. Heiltumsverzeichnis 1493 2v; Heiltumsverzeichnis 1495 2v; Heitumsverzeichnis 1508/09 2r; Heiltumsverzeichnis 1509 3r.
  2. Baumgärtel, Georgs-Reliquien 121.
  3. Lanzenspitze (Diözesanmuseum Inv. Nr. 2721/32), 76 cm, Eisen, hohl geschmiedet, Tülle mit vier Nagellöchern, 15. Jahrhundert (erneuert). Sie wird seit dem 17. Jahrhundert als „S. Georgy Speer“ oder „Lanze des hl. Georg“ verehrt. 1724 wurde die Lanzenklinge von dem Schwertfeger Johann Georg Künscher überarbeitet (vgl. StA Ba Rep. A 232/2, Nr. 13824 p. 102). Kdm NF OF IV, II, 1 (Teil 2) 1723-1724.
  4. Siehe dazu Nr. 7 †.
  5. BSB Cod.icon. 391 fol. 93r.
  6. BSB Cgm 267 fol. 239r.
  7. Zur Kreuzesvision Heinrichs vor der Schlacht, vgl. Schreiner, Sakrale Herrschaft 39-41; Baumgärtel, Georgs-Reliquien 117-122.
  8. Kühne, Ostensio reliquiarum 290; Horstmann, 226-227.
  9. StA Ba Rep. A 232/2, Nr. 13576 fol. 4r; StA Ba Rep. A 232/2, Nr. 13582 fol. 2v.
  10. StA Ba Rep. A 232/2, Nr. 13592 fol. 3v.
  11. StA Ba Rep. A 232/2, Nr. 13617 fol. 3v.
  12. AEB Rep. I, Nr. 241a fol. 176v.
  13. Baumgärtel, Georgs-Reliquien 122-123.
  14. StA Ba B 86/I, Nr. 2 fol. 18v und 56r.
  15. StA Ba B 86/I, Nr. 3a fol. 150.
  16. BSB Cgm 267 fol. 239v.
  17. Ohne Inv. Nr., 4 cm × 2,3 cm, rote und blaue Seidenfäden, gelbe Wollfäden.

Nachweise

  1. Kippes, Lanzen 91; Kdm NF OF IV, II, 1 (Teil 2) 1723-1725.

Zitierhinweis:
DIO 6, Stadt Bamberg (Textilien), Nr. 10† (Tanja Kohwagner-Nikolai), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio006m002k0001009.