Inschriften: Santa Maria dell’Anima

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

Nr. 46† Santa Maria dell’Anima 1487

Beschreibung

Grabplatte für den Kurien-Prokurator Dr. jur. Konrad Lebenther aus Langenzenn in Mittelfranken, ursprünglich im Boden vor der Anselm- oder Dwerg-Kapelle der gotischen Kirche1), heute verschollen. Es handelte sich um eine Marmorplatte mit der in Ritzzeichnung ausgeführten Darstellung des Verstorbenen in Doktorentracht2).

Nach Chacon.

  1. PRIMV(M) CLARA DIEM TRIBVIT GERMANIA NOBISSVPREMV(M) TRIBVIT ROMA SVPERBA DIEMa)AETAS INGENIVM MORES ET FORMA FVERESINGVLA QVAE FATIS EST VIOLASSE PVDORVER(VM) HAEC TAM PARVI TERNAE FECERE SORORESVT SORTIS POSSIT QVEMQ(VE) PIGERE SVAEPRINCIPIVM VITAE DOLOR EST DOLOR EXIT(VS)b) INGENSET MEDIVM LABOR EST VIVERE QVIS CVPIATAT TIBI SIC FACILEM LACHESIS SINAT IRE SENECT(AM)VT NOSTRIS REQVIEM MANIBVS ORE ROGESCONRADO LEBENTHER LONGIDENTINO VTRIVSQ(VE) IVR(IS) DOCT(ORI) VRATISLAVIEN(SIS) ET S(ANCTI) STEPHANI BA/MBERGENSIS ECCLESIAR(VM) CANONICO ROM(AE) CVR(IAE) CAVSAR(VM) PROCVRATORI QVI OBIIT XXVIII SEPTEM(BRIS) AN(NO) SAL(VTIS) M CCCC° LXXXVII

Übersetzung:

Den ersten Tag teilte uns das ruhmvolle Germanien zu, den letzten Tag das stolze Rom. Alter, Begabung, Sitten und Aussehen waren so einzigartig, dass es dem Schicksal zur Schande gereicht, sich an ihnen vergriffen zu haben. Aber die drei Schwestern4) gewährten diesen nur eine so kurze Spanne, damit ein jeder wegen des eigenen Schicksals hadern möge. Der Anfang des Lebens ist Schmerz, das Ende ist maßloser Schmerz, dazwischen liegt Mühsal. Wer (also) sollte begehren zu leben? Dir jedoch möge Lachesis5) ein so angenehmes Greisenalter zukommen lassen, dass du mit dem Munde für unsere Manen6) Ruhe erflehen kannst.7)

Für Konrad Lebenther aus Langenzenn, Doktor beider Rechte, Kanoniker der Kirchen zu Breslau und St. Stephan in Bamberg, Prokurator an der römischen Kurie, der am 28. September im Jahr des Heils 1487 starb.

Versmaß: Fünf Distichen.

Wappen:
Konrad Lebenther3).

Kommentar

Aufgrund der gleichen Herkunft und des gleichen Nachnamens dürfte es sich bei Konrad um einen nahen Verwandten des seit 1461 in Rom gut bezeugten Kurienprokurators Heinrich Lebenther8) gehandelt haben. Der in den Quellen als Würzburger Kleriker bezeichnete Konrad9) studierte vermutlich 1472 Rechte an der Universität zu Paris und lässt sich erstmals 1481 in Rom als Papstfamiliar nachweisen. Dort 1484 bis 1486 (u. a.) für den Bischof von Freising als Prokurator tätig, ist er 1485 als Doktor beider Rechte und als Domherr zu Breslau belegt und war zudem – laut Inschrift – Kanoniker bei St. Stephan in Bamberg. Konrad war Mitglied der Anima-Bruderschaft und vermachte dem Hospital 30 Dukaten10).

Bei dem Verfasser des kunstvollen Grabgedichtes handelt es sich um den aus dem fränkischen Schwabach stammenden, von seinen Zeitgenossen als lateinischer Dichter und Redner hochgeschätzten Engelhard Fun(c)k11) (Scintilla). Nach dem Studium in Erfurt und Italien, das er mit dem Doktor decretorum abgeschlossen hatte, war er seit 1480 als Kurienprokurator und Sollizitator in Rom tätig. In dieser Zeit der Anima-Bruderschaft beigetreten12), bewohnte er eines ihrer Häuser, das für seine Gastfreundschaft unter den Humanisten Roms berühmt war. Ende des 15. Jahrhunderts kehrte er nach Deutschland zurück und fungierte bis zu seinem Tod 151313) als Dekan am Neumünster in Würzburg.

Textkritischer Apparat

  1. Diese Zeile fehlt bei Gualdi.
  2. ESIT' Galletti; EXIT Gualdi.

Anmerkungen

  1. „sepultus fuit in hospitali in media capella“, so Lib. Confr. 246; später wurde die Grabplatte vor das zur neuerbauten Sakristei führende Portal verlegt, „sepultus iuxta parvam portam versus hospitale“, so Lib. Mort. fol. 5.
  2. So Gualdi.
  3. Ein liegender Halbmond, daraus drei Rosen wachsend.
  4. Gemeint sind die drei Parzen, die drei Schicksalsgöttinnen der römischen Mythologie, die den drei Moiren (s. folgende Anm.) der griechischen Mythologie entsprechen.
  5. In der griechischen Mythologie eine der drei Moiren, deren Aufgabe es ist, die Länge des Lebensfadens zu bemessen.
  6. In der römischen Mythologie die Geister der Toten.
  7. Für die Übersetzungshilfe und den Hinweis auf E. Funk als Verfasser danke ich meinem Mainzer Kollegen PD Dr. Michael Oberweis, Schreiben vom 29. August 2012.
  8. Vgl. zu ihm Kist, Matrikel Nr. 3845, Schwarz, Sixtus IV. 393 und Sohn, Prokuratoren 360.
  9. Die folgenden biographischen Angaben (mit Nachweisen) verdanke ich Dr. Christiane Schuchard, Schreiben vom 8. Mai 2012. – Ein ebenfalls aus Langenzenn stammender Konrad Lebenther (d. J.), Doktor des Kirchenrechts und Kanoniker zahlreicher süddeutscher Stifte, war niemals in Rom und starb am 6. Februar 1521; vgl. zu ihm Kist, Matrikel Nr. 3847 und Siewert, Kollegiatstift 331f.
  10. Lib. Confr. 78 und 246.
  11. Vgl. zu ihm Arnold, Funck pass. – Die Wertschätzung seiner (bislang weitgehend unpublizierten) Dichtungen zeigt sich auch darin, dass sie in Sammlungen seiner bekannteren Kollegen wie Johannes Trithemius, Hartmann Schedel oder Jakob Wimpheling überliefert worden sind, so auch das vorliegende Grabgedicht im sogen. Wimpheling-Codex (vgl. dazu Holstein bzw. http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0506f_a0279_jpg.htm). An anderer Stelle (fol. 34v) des Codex wird ein weiteres, aus drei Distichen bestehendes „Epitaphium Conradi Lebenthor“ überliefert, das aber offenbar literarisch gemeint und nicht als Inschrift ausgeführt war.
  12. Lib. Confr. 107 („procurator causarum famosus“).
  13. Vgl. zu seinen Grabinschriften DI 27 (Würzburg) Nrn. 452 und 453.

Nachweise

  1. Chacon, Inscriptiones fol. 180r-v.
  2. Schrader Monumenta Italiae 147.
  3. Chacon, S. Maria de Anima 227v.
  4. Sweertius, Selectae 37.
  5. Gualdi B fol. 363v (mit Nachzeichnung des Wappens).
  6. Magalotti V, c. 727.
  7. Forcella 3 Nr. 1060.
  8. NN., Inschriften fol. 337v.
  9. Holstein, Gedichte S. 456 (nach dem Wimpheling-Codex, UB Uppsala, C 687 fol. 41).

Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 46† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0004601.