Inschriften: Santa Maria dell’Anima

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

Nr. 9† Santa Maria dell’Anima, Servatiuskapelle 1433

Beschreibung

Weiheinschrift der Servatius-Kapelle der gotischen Kirche, gleichzeitig Inschrift zu Ehren des Anima-Provisors Dietrich Niem, ehemals an einer Wand der Kapelle befestigt. Die auf einer Marmortafel angebrachte Inschrift war offenbar noch vor 1873 in einer Kopie im Fußboden des rechten Seitenschiffs gleich hinter dem Eingang zu sehen1), heute verschollen.

Nach NN.

  1. † AD LAVDEM DEI BEATAE MARIAE VIRGINIS / AC S(ANC)TI SERVATII EP(ISCOP)I ISTA CAPELLA FACTA / EST ET CONSECRATA DIE XXIX MEN(SIS) AVGVSTI / ANN(O) D(OMI)NI / M CCCC XXXIII PRO A(N)I(M)A VEN(ERABI)LIS / D(OMI)NI THEODORICI NIEMa) FAMOSISSIMI L(I)T(ER)AR(VM) / AP(OSTO)LICAR(VM) ABBREVIATORIS PATRONI ET DOTATORIS / H(VIVS) HOSPITALIS SEPVLTI TRAIECTI LEODIEN(SIS) / DIOEC(ESIS) IN ECCL(ES)IA DICTI S(ANC)TI SERVACII IN QVA / ERAT CANONICVS

Übersetzung:

Zum Lob Gottes, der heiligen Jungfau Maria und des heiligen Bischofs Servatius ist diese Kapelle errichtet und geweiht worden am 29. Tag des Monats August im Jahr des Herrn 1433. Für das Seelenheil des ehrwürdigen Herrn Theodorich Niem, des hochberühmten Abbreviators der apostolischen Briefe, des Patrons und Stifters dieses Hospitals, der in Maastricht in der Diözese Lüttich, in der Kirche des (oben) genannten hl. Servatius, in der er Kanoniker war, begraben liegt.

Kommentar

Der zwischen 1340 und 1345 im westfälischen Brakel (bei Höxter) geborene Dietrich Niem2) studierte Jura in Rom, wurde 1370 unter Urban VII. zunächst „notarius sacri palatii“ am päpstlichen Hof in Avignon und siedelte Anfang 1377 mit der Kurie Gregors XI. nach Rom über. Urban VI. ernannte ihn 1378 zum Abbreviator und Skriptor der päpstlichen Kanzlei, die er offensichtlich infolge Schwierigkeiten mit dem Erwerb von Pfründen3) 1385 wieder verließ. Bonifatius IX. benannte ihn 1395 für den Bischofsstuhl zu Verden an der Aller, auf den er allerdings aufgrund großen innerkirchlichen Widerstandes nach sechs Jahren verzichten musste. Seit 1403 wieder reaktiviert an der päpstlichen Kanzlei in Rom tätig stand er während des Konstanzer Konzils als Vertreter der Deutschen Nation auf Seiten Johannes' XXIII., wurde nach dessen Flucht jedoch sein erbittertster Kritiker. Niem gilt als einer der bedeutendsten kirchenpolitischen Publizisten zur Zeit des Konzils, der sich entschieden für die Beilegung des Schismas und für die Reformation der Kirche einsetzte.

Mit Beginn des 15. Jahrhunderts wandte sich Niem der Anima zu4) und vermachte ihr erstmals 1405 zwei aneinandergrenzende Häuser: „um seines Seelenheiles willen dem im Agon gelegenen neu erbauten Hospiz der armen Deutschen S. Maria de Anima zur Erhaltung des Hospizes sowie zu bequemerer Aufnahme und Verpflegung der jeweils darin befindlichen Armen“. Die am 15. März 1418 testamentarisch in St. Servatius in Maastricht verfügte reiche Hinterlassenschaft des wenige Tage später am 22. März verstorbenen und auch dort begrabenen Wohltäters bildete den Grundstock des Vermögens der Anima. Mit dieser aus sieben Häusern, einem Weingarten und vielen anderen nicht weiter benannten Gütern bestehenden Schenkung, die offensichtlich seine sämtlichen römischen Mobilien wie Immobilien umfasste, setzt das Güterverzeichnis der Anima ein. Niem war dem Hospital bereits zuvor jahrelang verbunden, er fungierte als dessen „Rektor und Gubernator“ bzw. als dessen „Provisor und Superior“ und war maßgeblich an der Erstellung der ersten Statuten beteiligt. Aufgrund seiner für die Anima existentiellen Schenkung verwundert es nicht, dass anlässlich des Neubaus der Kirche im Jahr 1432 zu Ehren Dietrichs von Niem eigens eine Kapelle errichtet wurde, die nach seinem Sterbeort dem hl. Servatius geweiht wurde und die die obige Inschrift erhielt. Die Kapelle war die mittlere des rechten Seitenschiffs5) und nahm zusammen mit der erst 1449 geweihten Thomas-Kapelle den Platz ein, auf dem ein Teil des ersten Hospitals gestanden hatte. Noch in zwei 1473 und 1514 verfassten Inventaren wurde ein von ihm gestifteter, mit seinem Namen versehener Kelch erwähnt6).

Textkritischer Apparat

  1. NYEM Chacon.

Anmerkungen

  1. „A lettere moderne nel pavimento della nave destra appena si entra la chiesa“, so Forcella.
  2. Auch Nieheim, wohl nach dem gleichnamigen, Höxter benachbarten Ort; vgl. dazu und zum Folgenden Bautz, Dietrich von Niem pass., mit reichen Literaturhinweisen.
  3. Niem übte trotz der von ihm scharf verurteilten Praxis der Pfründenhäufung diese nachweislich seit 1390 selbst aus: Er war (so Schmidlin, Anima 56 Anm. 3), Thesaurar in Minden, Kanoniker von St. Kunibert in Köln und St. Johann in Lüttich, erhob Ansprüche auf Kanonikate oder Pfründen in Mainz, Bonn, Meißen und Hildesheim, besaß Anwartschaften auf solche in Minden, Mainz und Lüttich, wo er schließlich vorübergehend Archidiakon wurde.
  4. Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Schmidlin, Anima 53ff. (Zitate S. 55 und 58).
  5. Vgl. dazu den Plan bei Lohninger 44.
  6. Vgl. Nr. 3.

Nachweise

  1. Chacon, Inscriptiones fol. 184.
  2. Lib. Mort. fol. 7.
  3. NN., Inschriften Anima fol. 45 Nr. 122.
  4. Forster, Inschriften fol. 11v.
  5. Forcella 3, Nr. 1032.
  6. Lohninger, Anima 33.
  7. Schwarz, Anselmus Fabri 197.

Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 9† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0000903.