Inschriften: Santa Maria dell’Anima
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)
Nr. 4† Santa Maria dell’Anima 1432
Beschreibung
Grabplatte des Christian Koband, Bischof von Ösel. Ehemals im Boden vor der Hieronymus- bzw. Lambertus-Kapelle der gotischen Kirche1), wurde das Grabdenkmal im Jahr 1774 entfernt und durch eine neu angefertigte schlichte Grabplatte ersetzt, die sich heute im Fußboden des Mittelschiffs auf der linken Seite befindet (Plan Nr. 59)2). Bei dem ursprünglichen, zeichnerisch zuverlässig überlieferten Grabdenkmal handelte es sich um eine große Platte aus Marmor mit Umschrift auf schmaler Leiste. Im Feld ist unter einem auf gedrehten Säulchen ruhenden dreigiebeligen Baldachin (in der Mitte Dreipass, seitlich Rundbögen) frontal die halbreliefierte Figur des Verstorbenen im Pontifikalgewand (Mitra, Amikt, Albe, Kasel mit Kaselkreuz, Manipel) mit vor dem Leib gekreuzten Händen dargestellt. Unter den seitlichen Bögen befinden sich zwei identische Wappen.
Nach Codex Albani.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
†a) REVERENDI IN CHR(IST)Ob) • PATRIS D(OMI)NI CRISTIANI EP(ISCOP)I / OSILIENSISc) QVONDAM CONFESSORIS ET CAPELLANI • FELICIS • RECORDATIONIS • MARTINI • P(A)P(A)Ed) V • DEFVN(C)TI DIE XXIe) • / MENSIS IVLII • ANNIf) • D(OMI)NI • Mo • CCCC XXXII • CORPVS / HIC SEPVLTVM EST CVIVS ANINAg) CVM SANCTIS ET ELECTIS DEI REQUIESCAT IN SANCTA PACE AMEN AMENh) •
Übersetzung:
Hier liegt begraben der Leib des ehrwürdigen Vaters in Christo, des Herrn Christian, Bischof von Ösel, des einstigen Beichtvaters und Kaplans Papst Martins V. seligen Gedenkens, gestorben am 21. Tag des Monats Juli im Jahr des Herrn 1432. Dessen Seele möge mit den Heiligen und Auserwählten Gottes in heiligem Frieden ruhen, Amen Amen.
Christian Koband; Christian Koband3). |
Textkritischer Apparat
- Fehlt in der Kopie.
- Befund XPO mit Kürzungsstrich.
- OSIMENSIS Kopie.
- E klein hochgestellt.
- XX Kopie.
- Sic! für ANNO.
- Sic! für ANIMA.
- Sic!
Anmerkungen
- Die vorne im südlichen Seitenschiff gelegene, nach ihrem Stifter gelegentlich Koband-Kapelle genannte Kapelle befand sich im Bereich der heutigen Barbara-Kapelle (vgl. dazu Lohninger, Anima 30ff.), wo die Grabplatte laut dem im Jahr 1612 zusammengestellten Lib. Mort. fol. 1 (“uti patet ea monumento inter duas columnas ante altare Sanctae Barbarae”) noch zu sehen war.
- Es handelt sich hierbei um eine hochrechteckige, 223 x 94 cm messende Platte aus hellem Marmor mit einem in Ritzzeichnung ausgeführten Wappen in der Mitte, darüber die sechszeilige Sterbe-, darunter die vierzeilige Grabinschrift. Die Inschrift ist in einer zeitgenössischen Kapitalis ausgeführt und unterscheidet sich bis auf die durchgeführte U/V-Schreibung textlich nur geringfügig vom zeichnerisch überlieferten Original.
- Bischofswappen unter Mitra; hinter einer bekrönten Säule ein hersehender Stier. – Falls es sich um ein redendes Wappen handeln sollte, könnte dazu die Kombination seines Namens (Kuh-band) mit dem seines Gönners Colonna (Säule) gewählt worden sein.
- Vgl. zum Folgenden Schmidlin 80f., Schuchard, Karrieren 65f. und Jähnig, Kobant pass. sowie die über 100 Einzelnachweise in RG 4 und 5.
- Vgl. zur konfliktreichen Besetzungsgeschichte Jähnig, Bistum pass. und Bolte, Bistumsbesetzungen 197.
- Vgl. Lib. Confr. 218f. sowie die Nrn. 7 und 8.
- Vgl. Nr. 6, sowie Buchowiecki, Handbuch 2, 408f., der Koband irrtümlich als den Konsekrator der Kapelle bezeichnet.
- So Schmidlin, Anima 81.
- Erstmals bei dem 1396 verstorbenen und in S. Maria Maggiore bestatteten Kardinal Bartolomeo Mezzavacca nachgewiesen, vgl. dazu Blittersdorf/Garms 171.
Nachweise
- Codex Albani 201 fol. 138 (Nachzeichnung des Originals).
- Grabplatte (1774).
- Forster, Inschriften 16av.
- Forcella 3 Nr. 1029 (Kopie).
- Blittersdorf/Garms, Grabmäler 1, 107.
- Schuchard, Kurie 157 Anm. 876 (teilw.).
- Federici/Garms, Tombs 194 mit Abb. (Nachzeichnung des Originals).
Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 4† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0000401.
Kommentar
Der vermutlich aus dem westlichen Mecklenburg stammende Christian Koband4) (auch Cobant, Kubant) war Kleriker des Bistums Ratzeburg und ist erstmals 1396 und in den folgenden Jahren mehrfach im Auftrag des dortigen Bischofs an der Kurie in Rom nachzuweisen. Mit zahlreichen Pfründen ausgestattet, trat er 1399 in den Prämonstratenserorden ein, war 1408/09 im Auftrag des Konzils von Pisa in Schweden tätig, wurde 1409 zum Abt von St. Vinzenz in Breslau gewählt und war seit 1411 als Generalprokurator seines Ordens in Rom tätig. Seit 1412 war er Familiar des Kardinals Oddo Colonna, des späteren Papstes Martin V. Nach seiner Wahl wurde Koband im Dezember 1417 dessen Hauskaplan, 1423 Beichtvater und 1424 Kubikular. Am 6. September 1423 ernannte ihn Martin V. zum Bischof des estländisch-livländischen Bistums Ösel-Wiek5) (Erzbistum Riga, Lettland). In Rom war Koband maßgeblich an der Förderung der Anima beteiligt; wohl nicht zufällig eröffnete er zusammen mit Dietrich von Niem und Heinrich Dwerg im Bruderschaftsbuch der Anima die Reihe der verstorbenen Wohltäter6). Am 26. Mai 1431 weihte Koband die im Zuge des Neubaus der gotischen Kirche errichtete Kapelle der Bäckerbruderschaft, stiftete die nach ihm benannte Koband-, sowie die benachbarte Lambertus-Kapelle7), deren Weihe am 24. Dezember 1432 er jedoch nicht mehr erlebte. Er verstarb bereits kurz nach dem Tode seines päpstlichen Gönners und scheint insgesamt dem Hospiz reiche Güterschenkungen gemacht zu haben. Mit dem „unter großem Gepränge“8) in der Kirche begrabenen Christian Koband setzen die überlieferten Grabinschriften der Anima ein.
Die verschollene Grabplatte gehört zu dem Typ mit gedrehten Säulen und dreiteiligem Baldachin, wie er in Rom seit dem Ende des 14. Jahrhunderts für Grabdenkmäler höherer Geistlicher verwendet wurde9).