Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 457 Martinsthal, neue Kath. Pfarrkirche St. Martin (aus ehem. Pfarrkirche St. Laurentius und Sebastian) 1561

Beschreibung

Namensansage, Spruch,- Herstellungs- und Meisterinschrift sowie Gußjahr auf kleiner, schwer zugänglicher Glocke im Turm ganz oben. Unter dem Architekturfries mit kaum noch identifizierbaren Heiligendarstellungen, einzeilige Umschrift zwischen zwei Stegen. Gewicht 550 kg, Schlagton a‘.

Maße: H. 96, Dm. 94,8, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. s(anctus) sebastianvs bin ich genantzv nvendorf im ringkav wol bekantzu gotes ehr lvden ichheinrich vnd gregor von trier gossen mich1561a)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

1363 erfolgte die erzbischöfliche Aufforderung an die Einwohner des alten Dorfes Rode, sich hinter das schützende Gebück zurückzuziehen. Die neue Ansiedlung, im 14. Jahrhundert urkundlich als „Martinsdal“ oder „Mertyndal“ bezeichnet, gewann neben dem noch weiter bestehenden Rode zunehmend an Bedeutung. Zunächst umgangsprachlich, später auch urkundlich, bürgerte sich freilich der auch hier benutzte Ortsname „Nuwendorff“ (oder ähnliche Varianten) statt Martinsthal ein.1)

Die Sebastiansglocke zeigt die Formensprache Heinrichs von Trier, der hier, anders als in Rauenthal (vorherige Nrr.), vermutlich wegen der beengten Platzverhältnisse in dem kleinen Kirchturm eine Minuskelglocke goß. Ungewöhnlich ist die Verbindung der beiden Meister Heinrich und Gregor von Trier in einem gemeinsamen Werk. Gregor II. (vgl. Nr. 464) ist mit der Mehrzahl seiner Arbeiten zwischen 1538 und 1575 im Lütticher Raum vertreten und goß durchweg gemeinsam mit Jan von Trier d.J.; Heinrich von Trier hingegen führte meist gemeinsam mit seinem älteren Bruder Peter Glockengüsse durch.2) Beide Paare3) fertigten zwar Gemeinschaftsarbeiten an, doch scheint die Kombination wie im vorliegenden Fall die Ausnahme geblieben zu sein.4)

Textkritischer Apparat

  1. Luthmer (1907) bringt folgenden Text: Von St. Sebastian bin ich genannt / Zu Neudorf im Rheingau wohl bekannt · / Zu Gottes Ehr läut ich / hemmerich und Gregorÿ goßen mich / Anno 1561.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kunkel, Martinsthal 30ff. Erst 1935 wurde der Name Neudorf wieder in Martinsthal geändert, ebd. 164.
  2. Vgl. Poettgen, Studien 20f. und 25 zu den Verbindungen der Gießerfamilie.
  3. Es scheint, daß die Brüderpaare Gregor und Jan sowie Heinrich und Peter keine gemeinsamen Eltern hatten, sondern gegenseitige Vettern waren, vgl. ebd. 21.
  4. Ebd. betont sogar, daß die Brüderpaare nicht wechselseitig miteinander arbeiteten.

Nachweise

  1. Luthmer (1907) 213; (1921) 83.
  2. Glockenkartei Bistum Limburg, Gutachten Foersch vom 30.9.1986.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 457 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0045706.