Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 452 Lorch, Kath. Pfarrkirche St. Martin 1559

Beschreibung

Namensansage, Glockentugenden, Meister- und Herstellungsinschrift mit Gußjahr auf Glocke. Auf der Schulter läuft ein aus zehn Astwerkbögen bestehender Fries um, in dem figürliche Heiligendarstellungen mit Szenen aus dem Leben der hl. Familie abwechseln. Es finden sich die Darstellung der Muttergottes umgeben von Engeln oder im Strahlenkranz, eine Anbetungsszene der hl. drei Könige, eine Anna Selbdritt sowie eine klein- und eine großformatige Kreuzigung. Die Flanke trägt die Pilgerzeichen von Maastricht und Cornelimünster.1) Die einzeilige Inschrift läuft unterhalb des Schmuckfrieses zwischen einem oberen und drei unteren schmalen Stegen um. Gewicht ca. 3000 kg, Schlagton c‘.

Maße: Dm. 166,5, H. 165, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Bender_Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/1]

  1. s(anctus) martinus heis ichin gottes ehr levten ichden lebenden rvffen ichdie doden beclagen ichheinrich von trier govsa) michanno d(omi)ni m d lviiiib)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die Minuskel ist ähnlich wie die der fast zeitgleichen Rauenthaler Johannesglocke (Nr. 455) in regelmäßigem Duktus sauber gegossen; Worttrenner fehlen. Der spätgotische Zierfries aus Ädikulen und Plaketten wurde erstmals von Jan von Trier auf der 1535 gegossenen Glocke zu Erkelenz verwendet; auf mehreren Glocken (Rauenthal, Nijmegen) des Heinrich von Trier ist er erneut benutzt worden.2) Die Gießerfamilie von (van) Trier hatte ihr eigentliches Arbeitsfeld im Raum Aachen und Lüttich, goß aber auch in Kurtrier und im Mainzer Umland.3) Heinrich von Trier, zwischen 1520 und 1525 geboren, Glockengießer und Bürger zu Aachen, dessen erste Glocke von 1552 (Niederau) datiert,4) führte die alte Aachener Werkstatt der Familie von Trier zwischen 1552 und 1594 fort.2) Zwischen 1556 und 1566 übernahm Heinrich oft gemeinsam mit seinem älteren Bruder Peter vorwiegend Aufträge im Mainzer Raum. Daß er in Lorch tätig wurde, hängt mit der rückläufigen Auftragslage in seiner Heimat um 1550 und der Auftragsvergabe durch die Lorcher Bürger zusammen. Sie suchten für den Guß einer großen und reich verzierten Glocke einen überregional bekannten Meister, da um die Jahrhundertmitte keine geeigneten einheimischen Gießer in Mainz und Speyer zur Verfügung standen.5) Man hatte zwar bereits ein Jahr nach dem Großfeuer von 1554, das weite Teile des Kirchendaches und des Turmes zerstört hatte, den Guß zweier neuer Glocken in Frankfurt in Auftrag gegeben, doch wurden diese Neugüsse infolge schlechter Klangqualität wieder eingeschmolzen.6) Bis 1560 war das Fünfergeläut wieder vollständig; das Lorcher Haingerichtsbuch berichtet für den Zeitraum von 1509 bis 1636 über den Guß der neuen Glocken: Der Guß der Martinsglocke („die groß Klock“) durch Heinrich von Trier fand am 10. August 1559 statt; im September schloß sich der Guß der inschriftlosen Liebfrauenglocke7) an, der die gleichfalls inschriftlose sog. „Zeichenglocke“ am Laurentiusabend 1560 folgte.8) Fünf Jahre später goß Gregor von Trier noch eine kleinere Johannisglocke für Lorch (Nr. 464).

Textkritischer Apparat

  1. Luthmer goß.
  2. Luthmer 1559.

Anmerkungen

  1. Frdl. Hinweis von Herrn Jörg Poettgen, Overath. Das Maastrichter Pilgerzeichen zeigt den hl. Servatius mit seinen Attributen des Schlüssels, Bischofsstabs und des zu Füßen liegenden Drachen, links neben ihm das Pilgerzeichen von Cornelimünster (hl. Cornelius mit Doppelkreuzstab und Horn), vgl. Poettgen, Studien 15 m. Abb. 5-6b.
  2. Ebd. 21.
  3. Boeckeler, Glockenkunde 20-45; Walter 889; Dorgelo, Klokkengieters; vgl. ausführlich Poettgen, Studien.
  4. Dorgelo, Klokkengieters 9.
  5. Die Werkstatt Christian Klapperbachs begann in Mainz erst 1575, vgl. Fritzen 86f.
  6. Nach Luthmer (1907) maßen sie im Durchmesser 122 cm.
  7. „Unser lieben frawen klock“, sie wurde nach Luthmer (1907) von Peter Speck umgegossen und mit der Inschrift Ave Maria gratia plena dominus tecum Petrus Speck me fecit 1659 versehen. Nach der Limburger Glockenkartei (1981) trägt sie seit einem erneuten Umguß 1961 als Petersglocke die Inschrift St. Peter schütze Leut und Land, vor Hunger, Seuchen, Krieg und Brand, Erfleh, daß Gottes Güte im Glauben uns behüte.
  8. Roth, Culturbilder 13; Struppmann, Chronik Lorch 116 zufolge wurde sie 1776 durch Martin Roth aus Mainz umgegossen.

Nachweise

  1. Zaun, Landkapitel 319.
  2. Lotz (1880) 305.
  3. Roth, Culturbilder 12f.
  4. Roth, Geschichtsquellen I 395.
  5. Luthmer (1902) 112; (1907) 113.
  6. Lorch im Rheingau 60.
  7. Struppmann, Chronik Lorch 116.
  8. Monsees, Rheingauer Glocken 7 Abb. 6.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 452 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0045206.