Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 363 Kiedrich, Kath. Pfarrkirche St. Valentin 1513

Beschreibung

Anrufung, Namensansage, Meister- und Herstellungsinschrift sowie Gußjahr auf großer Glocke mit Sechshenkelkrone in Doppelkreuzstellung mit zweifach gestufter Haube. Auf der Schulter umlaufende Wulste, dazwischen Inschrift (A); danach folgt, eingefaßt von einem weiteren Wulst, die Fürbitte (B). Darunter spätgotischer Maßwerkhängefries, auf der Flanke gekrönte Muttergottes in Strahlenkranz auf Mondsichel, hl. Valentin als Bischof mit Mitra und Stab, neben dem rechten Fuß als sein individuelles Attribut ein Krüppel (Epileptiker). Am Wolm ein kräftiger, von zwei Wulsten begleiteter Grat, am Schlagring ebenfalls zwei umlaufende Wulste, auf dem Stab floraler Fries. Gewicht ca. 3300 kg, Schlagton c‘.1)

Maße: H. m. Krone ca. 172, Dm. 171,5, Bu. 5 (A), 3-3,5 (B) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), frühhumanistische Kapitalis (B).

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/5]

  1. A

    mangnea) · valentine · princeps · pater · atqve · patronehec · osannab) · tve · resonat · lavdi · hiesvqvea) ·osanna · heis · ich ·meister · hans · zv · franckfort · gos · mich ·anno · xvc · xiii · iar ·

  2. B

    O · HEILIGE · MARIA · ALLER · SVSTEc) · MVTTER · GOTTES ·BIET · GOT · VOR · VNS · ARMENd) · SVNDER · VND · SVNDERIN · IN · DER · STVND · VNSERS · DOTES ·

Übersetzung:

Großer Valentinus, Fürst, Vater und Patron, dieses Osanna ertönt zu Deinem und zu Jesu Lob.

Versmaß: Zwei Hexameter (A), deutsche Reimverse (A, B).

Kommentar

Die Osanna-Glocke zeigt in ihren Schriftformen eine sehr schlanke, eng gedrängte Minuskel und die Charakteristika der frühhumanistischen Kapitalis: konisches M mit sehr kleinem und enggestelltem Mittelteil, zweibogiges E, N mit dünnem, spiegelverkehrtem Schrägbalken und Ausbuchtung, A mit überstehendem, an den Enden breit aufgebogenem Mittelbalken, I mit Nodus und G mit einer Spitze in der Bogenschwellung. Als Worttrenner verwendete Hans von Frankfurt (vgl. vorherige Nr.) kleine Quadrangel, die mit senkrecht oder senk- und waagrecht ausgezogenen Zierstrichen versehen wurden. Sowohl in der Heiligenanrufung als auch in der Verwendung des Reliefs dokumentiert sich die Einbindung der Glocke in die Kiedricher Valentinusverehrung. Der Name Maria bezieht sich auf den einst unter dem Lettner stehenden Muttergottesaltar3) und ist in der Version O HEILIGE MARIA... als Anrufung Bestandteil der in dieser Zeit weitverbreiteten Marienverehrung.4)

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Zaun schloß nach pater an accipe paterne Osanna, tue resonat laudi, Osanna, tue.
  3. So für „süßeste“.
  4. Darunter befindet sich das Valentinsrelief.

Anmerkungen

  1. Bund, Vorarbeiten Glockenatlas Hessen.
  2. Zu ihm vgl. Bund, Frankfurter Glockengießer 174-177.
  3. Dieser wurde 1700 bei der Entfernung des Lettners versetzt bzw. erneuert, vgl. Zaun, Landkapitel 121; vgl. zu diesem Altar auch Zaun, Kiedrich 102f.
  4. Vgl. allgemein hierzu Falk, Marienverehrung.

Nachweise

  1. Zaun, Kiedrich 122.
  2. Lotz (1880) 254.
  3. Luthmer (1902) 194 Nr. 1; (1921) 81.
  4. Falk, Marienverehrung 176.
  5. Bund, Vorarbeiten Glockenatlas Hessen.
  6. Staab, Baudenkmäler 31.
  7. Monsees, Inschriften St. Valentinus 123 m. Abb. 67.
  8. Monsees, Rheingauer Glocken 5.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 363 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0036305.