Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 349 Kiedrich, Kath. Pfarrkirche St. Valentin 1510

Beschreibung

Laiengestühl im Langhaus der Kirche. Zahlreiche Mahn- und Spruchinschriften, Heiligennamen, -anrufungen und Fürbitten sowie eine Meister- und Herstellungsinschrift in farbig gefaßter Flachschnitzerei auf den nach außen sichtbaren Teilen (Brüstungen, Wangen) der insgesamt 56 Bänke; 1869 teilrestauriert. Die Numerierung der Einzelbänke folgt dem Bankplan von Sobel in der Zählung von Osten nach Westen; dabei werden die zu einer Bankeinheit gehörenden a- und b-Nrr. zusammengefaßt. Alle Inschriften sind erhaben ausgeführt.

1. Bankblock I im Nordseitenschiff, Brüstungsfeld 1. Spruchinschrift, sog. „Gerechtigkeitsspirale“ auf dem vorderen Brüstungsfeld. Die Inschrift ist spiralig aufgerollt und von innen nach außen zu lesen. Das übrige Feld ist mit floralem Rankenmotiv und Drolerien verziert.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/56]

Maße: H. 83,5, B. 143,5, Dm. ca. 80, Bu. 4-5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. DIE · GERECHTIKEIT · LIT · IN · GROSER · NOT · DIE · WARHEIT · IST · GESCHLAGEN · DOT · DER · GLAVBEN · HAT · DEN · STRIT · VER [·] LORN · DIE · FALSCHEIT · DIE · IST · HOCH · GEBORN · DAS · DVT · GOT · DEM · HERN · ZORNa) · O · MENSCH · LAS · AB · DAS · DV · NIT · WERDES · EWIGLICH · VERLORN · LOBT · GERECHTIKEIT

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Die Worttrennung erfolgt durch rot gefaßte Quadrangel.
Das Thema geht zurück auf die im wichtigsten Werk des Prudentius, der „Psychomachia“, ausführlich dargestellte und in künstlerischer Umsetzung weitverbreitete Metapher vom Kampf der Tugenden und der Laster.1) Dahinter steht die Dramatisierung des Widerstandes des gläubigen und tugendhaften Christen gegen die Versuchungen des Bösen. Ähnliche Formulierungen wie in der Kiedricher Inschrift finden sich am Beginn der „Reformatio Sigismundi“ mit „Gehorsamkeyt ist toot, Gerechtigkeyt leyt not“2) oder in der Mahninschrift auf Schloß Tratzberg bei Schwaz in Tirol mit Justitia ist erschlagen zu todt, veritas leydt grosse nodt, falsitas ist hochgeborn [...].3) Eine inhaltliche Parallele besteht auch zu der Mahninschrift am Lorcher Gestühl (Nr. 342).

2. Bankblock I Wange 3 nach Süden. Jesusmonogramm auf der mit Ranken und Maßwerkfüllung verzierten Gestühlwange im oberen Querstück auf verschlungenem Schriftband.

Maße: H. 90, B. 39, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. IH(ESV)S

3. Bankblock I neben dem Nordportal; rückwärtige Brüstungsplatte, sogenanntes „Ave-Maria“-Feld. Spruchinschrift mit dem Anfang des Engelsgrußes (A) in großformatigen, feldfüllenden Bandminuskeln, darin eingestreut Inschrift mit Fürbitte (B), auf dem oberen Querrahmen Heiligennamen (C). Sockel erneuert, Rahmen und Füllung original.

Maße: H. 85, B. 143,5, Bu. (A) 77, (B) 4-5, (C) 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Frühhumanistische Kapitalis (B,C).

  1. A

    ave maria4)

  2. B

    EIN KEISERIN / ALLER DOT SVN/DER VND SVNDERIN / BIT VOR VNS IHESVM / DEIN LIEBES KINT

  3. C

    S(ANCTA) · ODILIA · S(ANCTVS) · JOSTb) · S(ANCTA) · LVCIA · S(ANCTA) · SABINA · S(ANCTVS) · ERHARTVS

In Inschrift (B) ist die mystische Vorstellung der Gottesmutter als Kaiserin thematisiert, die ihren Sohn für alle sündigen Menschen bittet. Die Grundlagen finden sich etwa im Marien-Rosenkranz oder auch bei dem Mystiker Heinrich Seuse,5) ohne daß eine direkte Vorlage ausfindig gemacht werden kann. Die inschriftlich bezeichneten Heiligen stehen in Zusammenhang mit der Kiedricher Valentinuswallfahrt, galten sie doch wie jener als Krankheitspatrone gegen Epilepsie und Augenleiden.6)

4. Bankblock II; Brüstung mit großformatigem, feldfüllendem Namen Jesu (A). Eingefügt und in komplizierter Weise mit den Holz imitierenden Buchstaben verbunden sind Leidenswerkzeuge („arma Christi“) und Gegenstände aus der Passionsgeschichte, nämlich 30 Silberlinge, hl. Rock und drei Würfel; um den Fuß des rechten Schächerkreuzes windet sich eine Schlange; der gespaltene Schaft desh endet in zwei Früchten und stellt so mit dem eingelegten Kreuztitulus (B) das Kreuz Christi und den Sündenfall zugleich dar.

Maße: H. 83,5, B. 154,5, Bu. 74-76 (A), 3 (B) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A); Frühhumanistische Kapitalis (B).

  1. A

    ihesus

  2. B

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)7)

5. Bankblock III, Feld 9, Eckwange. Heiligenanrufung auf dem Pfosten. Linker seitlicher Rahmen ersetzt. Bandstabmotiv auf der oberen Leiste, auf der vorderen Brüstung Schmuck in Form von Ranken, Blüten und Blättern.

Maße: H. 116, B. 32, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. SANCTA · KATERINA · BIT · V(OR) · V(NS)c)

Die Worttrennung erfolgt durch farbig gefaßte Rosetten. Die hl. Katharina, eine der 14 Nothelfer, war seit dem 13. Jahrhundert nach Maria die meistverehrte weibliche Heilige.8) Ihr war der 1382 gestiftete Frühmeßaltar in der Pfarrkirche geweiht.9)

6. Bankblock III, Wange 10 nach Süden. Initialen auf geschlungenem Spruchband auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: H. 8, B. 33, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. G(OTT) S(I) L(OB)c)

Eine Analogie findet sich im Bankblock VIII (unten Nr. 38, D): GOT SI LOB ER VND DANCK GESAGT.

7. Bankblock III, Wange 14 nach Süden. Heiligenname auf wellig gelegtem Spruchband auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: H. 8, B. 35, Bu. 1,8-2,6 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. S(ANCTVS) TOMAS

8. Bankblock IV im Nordteil des Mittelschiffs, besteht aus einem östlichen und einem westlichen Brüstungsfeld sowie jeweils 13 Bankwangen, die in Ost-Westrichtung innerhalb des Kirchenschiffes fortlaufend gezählt werden. Auf der Nordseite a-, auf der Südseite b-Nrr.

Westliches Brüstungsfeld mit großflächigem, das Feld ausfüllendem Jesusmonogramm mit Granatapfelranken, im h ein Kreuz bildend.

Maße: H. 83, B. 151, Bu. 64-71 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel

  1. ih(esv)s

9. Bankblock IV. Spruchinschrift auf dem rechten Pfosten neben dem Christus-Feld nach Süden.

Maße: H. 91, Bu. 2,5-4,5 cm.

  1. HAB · LER · DVRCH · GOTES · ER · SEIN · GNAD · BGER

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Die Worttrennung erfolgt durch Rosetten.

10. Bankblock IV, Wange 1 a, linker Pfosten neben dem Christus-Feld nach Norden. Einzeilige Spruchinschrift.

Maße: H. 89, Bu. 2,4-3,3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. IN · GOTES · ER · IST · MIN · BEGER · I(E) · L(ÄNGER) · I(E) · M(EHR)c)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Worttrenner sind Rosetten.

11. Bankblock IV, Wange 1b. Einzeilige Spruchinschrift.

Maße: H. 116-127, B. 27,5, Bu. 2,2-3,2 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. GOT · HAT · GELIDEN · AN AR·GEN WANCKd) DES SOHNES WIR IM SAGEN LOB ER VND DANCK

Versmaß: Deutsche Reimverse.

12. Bankblock IV, Wange 2a. Spruchband mit auf Einzelbuchstaben verkürzter Spruchinschrift auf oberer Rahmenleiste.

Maße: H. 105, B. 39, L. Spruchband ca. 34, H. 4, Bu. 2,5-3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. G(OTT) H(ILF) V(NS) Z(V) D(IR)c)

Eine Parallele findet sich in dem Spruch des Falckener-Gestühls in der Pfarrkirche von Bechtolsheim maria hilf uns zu dir.10)

13. Bankblock IV, Wange 3b. Heiligenname auf gewelltem Spruchband auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: H. 90, B. 39; L. Spruchband ca. 34, H. 4, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. S(ANCTVS) PAVLVS

14. Bankblock IV, Wange 5b. Buchstabenfolge.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. B(E)D(ENCK) D(AS) E(ND)e)11)

15. Bankblock IV, Wange 6b. Heiligenname auf oberer Rahmenleiste.

Maße: Bu. 6,5-7,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. S(anctus) · bartolomeus

Das Schluß-s ist kunstvoll mit den Schäften des u verschränkt. Worttrenner ist eine kleine Rosette. Der ebenso wie Andreas zu den erstberufenen Aposteln gehörende Heilige12) wurde oft als Stadtpatron (u.a. von Frankfurt am Main) verehrt und als Patron der Landleute, Hirten, Winzer und verschiedener Handwerker angerufen.

16. Bankblock IV, Wange 7a. Stark gefälteltes Spruchband mit auf Einzelbuchstaben reduzierter Spruchinschrift auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: H. 90, B. 40, Bu. 1,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. G(OTT) S(I) M(IT) V(NS)c)

Auch diese Inschrift besitzt ihre Parallele in der Bechtolsheimer Spruchinschrift Gott sy mit vnsz alle zeit.13)

17. Bankblock IV, Wange 11a. Ungedeutete Buchstabenfolge auf einem an den Enden aufgerollten Schriftband.

Maße: L. Schriftband ca. 33, H. 4,5, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. H G D A R

Ein Auflösungsvorschlag könnte lauten H(ILF) G(OTT) D(EN) AR(MEN).14)

18. Bankblock IV, Wange 11b. Heiligenname auf oberer Rahmenleiste.

Maße: Maße wie Nr. 16, Bu. 6-7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. S(anctus) · philippus

Der Apostel und Märtyrer15) nahm in der Jüngerreihe Christi den fünften Platz ein. Seine Vita wurde vielfach mit derjenigen des gleichnamigen hl. Diakons verknüpft bzw. verwechselt. Der Apostel wurde von verschiedenen Handwerkern (Krämer, Konditoren, Gerber) als Patron angerufen.

19. Bankblock IV, Wange 12b. Auf Einzelbuchstaben reduzierte Spruchinschrift auf gewelltem Schriftband an der oberen Rahmenleiste.

Maße: Maße wie Nr. 16, Bu. 2,7-3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. S(ANCTA) M(ARIA) D(EI) G(ENETRIX) E(T) M(ATER) P(IA)f)

Übersetzung:

Heilige Maria, Gottesgebärerin und fromme Mutter.

20. Bankblock IV, östliche Bankbrüstung. Im Schriftfeld elfzeilige Fürbittinschrift. 10 Zeilen original, die letzte Zeile im 19. Jahrhundert als Kopie des Originals ergänzt.

Maße: H. 108, B. 155, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. MIR · ARMEN · SVNDER · RVFFEN · GOHT · AN / MIT · ALLER · DEINER · GESELSCHAFT · SCHON / DAS · DV · VNS · ALZIT · BI · WOLT · STAN / DAS · VNS · DER · HI(N)VALLE(N)DE · SIECH · DAGE(N) · WOL · VERLAN / VND · ALLE · KRANCKEID · DI · MIR · HAN / DI · DER · SELLEN · GESCHADEN · KAN / ES · SI · FRAWEN · ODER · MAN / DEN · COM · DIE · GRVSAM · PLAG · NV(M)MER · AN / DAR · VOR · BEHVD · VNS · GOT · VND · SI(N) · HEILIGER · LICHNAMFRA(N) / VND · HELF · VNS · IN · DER · ENGEL · SCHAR / [DAS · WERDE · VNS · ALLES · WAR ·]

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Dieses Bittgebet der Pilger, die zur Valentinuswallfahrt kamen, steht in Zusammenhang mit der Fronleichnamsliturgie (LICHNAM FRAN) und mit der Abwehr und Heilung der Epilepsie. Ein ähnlicher Spruch findet sich an der Mittelheimer Kanzel mit dem Wortlaut Mir arm svnder rvfen dich an das du vns alzit bi wolt stan (Nr. 356).

21. Bankblock IV, linker Brüstungspfosten des Fürbittfeldes. Heiligennamen, von oben nach unten geschrieben.

Maße: H. 115, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. S(ANCTA) · BABARAg) · S(ANCTA) · KATERINA · S(ANCTA) · DORATEAg) · S(ANCTA) · ANGNEDg)

Die angerufenen heiligen Frauen Barbara, Katharina, Dorothea und Agnes gehören zu den 14 Nothelfern. Sie wurden unter anderem als Fürsprecherinnen für eine gute Sterbestunde angerufen.

22. Bankblock V in der Turmhalle. Heiligennamen (A) links und (B) rechts in stark verschlungenen Schriftbändern auf beiden Brüstungsfüllungen der östlichen Schauseite.

Maße: H. 85, B. 110, Bu. 10-13 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. A

    S(ANCTVS) MATHEVS

  2. B

    S(ANCTVS) IOHANNES

23. Bankblock VI in der Turmhalle. Heiligenanrufung (A) links, Heiligenname (B) rechts auf verschlungenen, farbig konturierten Schriftbändern auf den Brüstungsfüllungen der Schauseite. Auf dem südlichen Rahmen Heiligenanrufung (C); über die gesamte Bankbreite auf der oberen Rahmenleiste verlaufende, einzeilige Spruchinschrift (D); auf der nördlichen Rahmenleiste weitere Heiligenanrufung (E); nördliche Wange mit einzeiliger Spruchinschrift (F) auf stark gefälteltem Spruchband.

Maße: H. 83, B. 87, Bu. 6-9 cm (A, B); B. 220, Zeilenhöhe 4,5 cm (C); H. 91,5, Zeilenhöhe 3 cm (E); H. 107, B. 14,5, Bu. 2-2,5 cm (F).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. A

    SANCTVS MARCVS BIT GOT V(OR) V(NS)

  2. B

    SANCTVS LVCAS

  3. C

    S(ANCTVS) DIONISIVS · BIT · GOT · VOR · VNS

  4. D

    WIL · DV · ALT · WERN · SO · HALT · VATER · VND · MVTER · IN · ERN · AMEN16)

  5. E

    S(ANCTVS) · VALENTINVS · BIT · GOT · VOR · V(NS)

  6. F

    GOTES GEWALT IST MANNIGFALT MARIA GNAT IST VBERAL

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Rosetten dienen als Worttrenner. Die Heiligenanrufungen und Fürbitten (C, E) gelten den beiden Patronen der Pfarrkirche hinsichtlich ihrer Funktion in der Epilepsiefürsorge. Die angerufenen Evangelisten Markus und Lukas haben ihre Pendants in den beiden anderen Evangelisten auf Bankblock V. Spruch (D) bezieht sich auf das vierte Gebot.

24. Bankblock VII auf der südlichen Seite im Mittelschiff. Die 12 Bänke werden fortlaufend von Osten nach Westen gezählt, dabei die Wangen im Norden als a-Nrr., die Wangen im Süden als b-Nrr. Östliche Brüstung. Zwei Pflanzenrankenfelder, darüber auf der oberen Rahmenleiste einzeilige Spruchinschrift (A); auf dem nördlichen und dem südlichen Pfosten je eine Heiligenanrufung (B, C).

Maße: H. 126, B. 350, Bu. 2-4,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. A

    O · MENSCH · HAB · GOT · LIEB · VOR · ALLEN · DINGEN · SO · MAG · DIR · NIT · MISLINGEN17) · GOT · WOL · VNS · IN · GNADE · EINE(N)

  2. B

    SANCTVS · DIONISIVS · BIT · GOT · VOR · VNS

  3. C

    SANCTVS · VALENTINVS · BIT · GOT · VOR · VN[S]

Versmaß: Deutsche Reimverse.

In Inschrift (A) wurden Rauten, in (B) Rosetten als Worttrenner verwendet.

25. Bankblock VII; nördliche, leicht erhöhte Eckpfostenwange mit einzeiliger Marienanrufung auf gefälteltem Schriftband.

Maße: Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. HILF · MARIA · DV · REINE · MEIE[T]h) · NIE · KEIM · SVNDER · HAT · VERSEIT

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Die Tür zu diesem Sitz ist im Stile Falckeners erneuert und trägt die Inschrift S(anc)ta · susanna / bit · vor · uns.

26. Bankblock VII, Wange 2a. Name Jesu auf oberer Rahmenleiste.

Maße: H. 90, B. 38, Bu. 7,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. IHESVS

27. Bankblock VII, Wange 2b. Name der Gottesmutter auf oberer Rahmenleiste.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. maria

Der Name der Gottesmutter in Astwerk imitierenden Buchstaben ist als Pendant zur Spruchinschrift Nr. 32 aufzufassen.

28. Bankblock VII, Wange 3a. Heiligenname auf Schriftband auf oberer Rahmenleiste.

Maße: Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. S(ANCTVS) PETRVS

Diese Bankwange stellt das Pendant zu der unter Nr. 13 aufgeführten, ihr gegenüberstehenden Wange mit dem Namen des hl. Paulus dar.

29. Bankblock VII, Wange 5b. Auf Einzelbuchstaben verkürzte Spruchinschrift auf Spruchband auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. A(LLES) M(IT) G(OT)c)18)

30. Bankblock VII, Wange 6a. Heiligennamen auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: Bu. 4,5-8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. S(anctus) leonhartus

Der Kult des heiligen Einsiedlers und Abtes Leonhard von Noblac19) gelangte gegen Ende des 11. Jahrhunderts aus Frankreich nach Deutschland. Der Heilige wurde aufgrund seiner Vita als Patron für Schwangere, für eine gute Krankenpflege und Gefangenenfürsorge sowie als Viehpatron angerufen.

31. Bankblock VII, Wange 7a. Gottesname auf verschlungenem Schriftband auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: L. Schriftband ca. 35, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. GOT

32. Bankblock VII, Wange 7b. Name Christi auf oberer Rahmenleiste.

Maße: Maße wie Nr. 26, Bu. 7,5-9 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. cristus

Die Buchstaben imitieren Astwerk (s. oben Nr. 25).

33. Bankblock VII, Wange 9b. Heiligenname auf Schriftband auf der oberen Rahmenleiste.

Maße: Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. S(ANCTVS) ANDREAS

Der Apostel gehörte zusammen mit Petrus, Jakobus d.Ä. und Johannes Ev. zu den ersten vier Aposteln, die Jesus in seine Gefolgschaft berufen hatte.20) Sein Kult erfuhr eine rasche und weite Verbreitung, er wurde zum Patron etlicher Staaten und Städte. Als Krankheitspatron wurde er vielfach angerufen gegen Unfruchtbarkeit, Gicht und Halsweh.

34. Bankblock VII, Wange 10b. Ungedeutete Buchstabenfolge auf oberer Querleiste.

Maße: Maße wie Nr. 26, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. m e a z

35. Bankblock VII, Wange 12b. Marienanrufung auf Schriftbändern auf oberen Rahmenleisten, auf die Wangen 12b und 12a verteilt.

Maße: Maße wie Nr. 26, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. AVE4)

36. Bankblock VII, Wange 12a. Fortsetzung von Nr. 35.

Maße: Maße wie Nr. 26, Bu. 3-3,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. MARIA4)

37. Bankblock VII, westliche Brüstung. Auf dem linken Feld neunzeilige Meisterinschrift (A), daneben Rankenfeld. Auf dem linken Pfosten von oben nach unten verlaufende Spruchinschrift (B); auf oberem Rahmen der Bank einzeilige Mahninschrift (C); auf der rechten Rahmenleiste Spruchinschrift (D).

Maße: H. 83,5, B. 149 (Füllung), Bu. 5,5-9 cm (A); Bu. 2,6 (B); Bu. 4,5 (C); Bu. 3-6 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A); Frühhumanistische Kapitalis (B-D).

  1. A

    Disz · werck · hat · gemacht · Erhart · falck/ener · von · Abensperck · vsz · beirn · wa(n)haft / zu · gaw · Odernheim · da man · zalt · nach / der · geburt · cristi · vnsers · lieben hern · düse(n)t/fünfhundert · vnd · zehen · Iar · got · wil / sein · gnade · An · vnsz · nit · sparn · wan · mir · vnser · selen · Recht · bewaren · vnd · halte(n) · die / Zehen · gebot · so · schlecht · vnsz · nit · der · Ewigdoti) / das · ist · Allen · crist · glaübigen · mensche(n) · not

  2. B

    O · MENSCH · HAB · GOT · LIEB · V(OR) · A(LLEN) · D(INGEN)17)

  3. C

    O · MENSCH · DV · SOLST · VOR · ALEN · DINGEN · LASEN · DAS · ONVCZ · GESWECZ · VF · DEM · KIRCH · HOF · VND · VF · DER · GA(SS)E(N)

  4. D

    DVRCH · MARIEN · ER · DICH · ZV · IR · KER

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Inschrift (C) richtet sich mahnend an die Kirchenbesucher; ähnliche, allerdings ausführlichere Maßregeln sind mehrfach nachzuweisen, so etwa in Geislingen an der Steige und in Winterbach.21) Ermahnungen dieser Art entstanden vor dem Hintergrund der zum Teil profanen Nutzung der örtlichen Pfarrkirchen, die im Spätmittelalter immerhin den wichtigsten „öffentlichen Ort“ einer Gemeinde oder Stadt darstellten.22) Man bemühte sich seitens der Geistlichkeit, durch die Verwendung von solchen Spruchinschriften auf den Mißbrauch hinzuweisen und ihm mahnend Einhalt zu gebieten. Einblattdrucke des ausgehenden 15. Jahrhunderts, die das gute und das böse Verhalten der Gläubigen in der Kirche mitunter drastisch und in strenger Konsequenz vor Augen führten,23) dürften als verbreitete, anschauliche Vorlagen gedient haben. Die Inschrift zeigt inserierte Buchstaben, etwa bei VOR; die Worttrennung wird durch farbig gefaßte Rauten (C), Blüten und Rosetten gekennzeichnet.

38. Bankblock VIII, auf der Südseite. Östliche Brüstung24) mit einer das gesamte Feld füllenden Spruchinschrift (A), zwischen die eine zweite, kleinerformatige (B) in springenden Zeilen eingefügt ist. Auf der oberen Querleiste erstreckt sich über die gesamte Bankbreite eine Bibelparaphrase (C); auf dem rechten Eckpfosten Gotteslob (D), von oben nach unten geschrieben.

Maße: H. 84,5, B. 174, Bu. 83 (A), 6 (B), 3,5 (C-D) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A); Frühhumanistische Kapitalis (B-D).

  1. A

    gluck · zu

  2. B

    GOT GEB VNS / EWIG FREIT / VND / ROE AME(N)

  3. C

    GOT · WANTg) · VF · ERD · MENSCH · DRISIG · IAR · FIERTHALBES

  4. D

    GOT · SI · LOB · ER · VND · DANCK · GESAGT

Inschrift (C) nennt die Dauer des Lebens Christi als Mensch auf Erden. Dabei meint DRISIG IAR FIERTHALBES 33 und ein halbes Jahr.

39. Bankblock IX. Auf dem östlichen Brüstungsfeld Fürbittinschrift in Neuschöpfung des 19. Jahrhunderts;25) auf dem Eckpfosten Heiligennamen.

Maße: H. 90, B. 165, Bu. 2-5,5 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. SANCTVS · WOLFGANGVS · S(ANCTVS) · NICOLAVS

Bei dem hl. Bischof und Benediktinermönch Wolfgang von Regensburg26) handelt es sich um einen Patron aus der Heimat Erhart Falckeners. Der Heilige war Patron von Bayern und Regensburg. Er wurde als allgemeiner Nothelfer u.a. gegen Gicht, Blutfluß und Schlaganfall, Lähmungen, Unfruchtbarkeit und Mißgeburten angerufen.

40. Bankblock IX, Wange 1a. Heiligenanrufung auf Spruchband, von unten links nach unten rechts gelesen.

Maße: H. 91, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. SANCTA · MARGRETA · B(IT) G(OT) ·· V(OR) · · V(NS) / S(ANCTVS) HENRICVS

Auch die Verehrung des hl. Kaisers Heinrich27) brachte Falckener aus seiner bayrischen Heimat mit.

41. Bankblock IX, Wange 5 a. Ungedeutete Buchstabenfolge auf Spruchband an der oberen Rahmenleiste.

Maße: B. 35, Bu. 2,5-3 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. H A Z H I Gk)

42. Bankblock X, östlich neben dem Südeingang der Kirche. Brüstungsfeld mit zwei Füllungen. Auf dem linken Feld zehnzeiliges Gedicht (A) zur Passion Christ; auf dem rechten Feld siebenzeiliges Gebet in Form einer Priamel (B), wobei in den Anfangs-O jeweils ein Leidenswerkzeug dargestellt ist. Auf dem oberen Querrahmen einzeilige Spruchinschrift (C). Am linken Pfosten von oben nach unten zu lesende Heiligkreuzanrufung (D), auf dem rechten Pfosten ebensolche Fürbittinschrift (E); auf der rechten Bankwange Heiligenanrufung (F). Auf hochrechteckigem Feld zwischen den beiden Füllungen geschnitztes und gefaßtes Wappen.

Maße: H. 82, B. 130, Bu. 5,5-7 (A), 8,5-9 (B), 3,5 (C-E), 2,7 (F) cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

  1. A

    DIE · IVDEN · FVERTEN · GOT · MIT · GROSE(M) · HAS / DEN · HERREN · DER · IR · SCHOPER · WAS VOR · ANNAS · VND · VOR · KAIFAS VND · VOR · PILATVS · SVNDER · LAS DER · IM · EIN · FALSCH · GERICHT · BESAS PILATVS · SPRACH · NVN · MERCKET · DAS ICH · WIL · IN · SELBER · STRAFFEN SI · BONDE(N) · GOT · AN · EI(N) · SVL · I(N) · DODES · BONDE O · MENSCH · BEDENCK · DIE · SELBIG · STVND[E] DA · GOT · SO · BITTERLICH · WARD · VERWVNDE

  2. B

    O · MENSCHEIT · BLOS O · MARTEL · GROS O · WONDEN · DIEF O · BLVTES · CRAFT O · DOTES · BITTERKEIT O · GOTLICH · BARMHERZIKEIT HILF · VNS · ZV · DER · EWICHEN · SELICHKEITl) · A(MEN)

  3. C

    MAN · SPANT · GOT · AN · DAS · CRICZE · SCHILT · DA · ER · DER · MARDEL · VOR · VNS · SPILT DER · EDEL · FVRST · GIEDEm) · ALLER · MILT

  4. D

    HEILIGES · CRICZ · BEWAR · VNS · AL · ZIT

  5. E

    O · GOT · VER · LICH · VNS · EIN · SELIG · E(N)D

  6. F

    O · S(ANCTVS) · IVLIANVS · B(IT) · G(OT)

 
Wappen:
Kiedrich.

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Der hl. Julianus Hospitator,28) dessen Kult und Ikonographie im wesentlichen auf Frankreich, Belgien und Spanien konzentriert waren, wurde als Patron verschiedenster Handwerksberufe sowie der Pilger und Reisenden verehrt.

Das Kiedricher Laiengestühl gehört zu den herausragendsten Werken der Flachschnitzerei im deutschsprachigen Raum zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Es stellt zugleich den Höhepunkt des Œuvres Erhart Falckeners dar.29) Die Ornamentformen des Gestühls lassen sich in drei Gruppen aufteilen: architektonischer und vegetabilischer Schmuck sowie Inschriften. In dem streng achsensymmetrischen Aufbau seiner Ornamentformen orientierte sich Falckener wohl am Werk des Augsburger Druckers Erhart Ratdolt.30) Maßwerkformen werden in vielfältiger Weise verwendet und in der dem Künstler eigenen Weise in gegenständliche Naturformen umgewandelt. Hinzu tritt ein reiches Repertoire an botanisch bestimmbaren Pflanzen, wie Lilien, Disteln, Wein, Hopfen und Solanaceen. Neben ihrem Schmuckcharakter besitzen sie zugleich Symbolfunktionen. Das dritte Element der Falckener-Ornamente stellen die in ihrem Umfang mit keinem anderen Werk des deutschen Flachschnitts vergleichbaren Inschriften dar, deren Funktionen zweifach sind: inhaltlich und ornamental. In der Gestaltung seiner Schriftformen bevorzugte Falckener anscheinend die Vorbilder zeitgenössischer Schreibmeisterbücher, weniger die Erzeugnisse der Druckkunst; Pate standen auch Holzschnitte, Kupferstiche, Wirkteppiche, Buchmalerei und gewiß auch andere Inschriften.31)

Vor allem in seinen Minuskelbuchstaben mit ihren Schleifen und gespaltenen Ober- und Unterlängen zeigt sich die Vorbildwirkung kunstvoll gestalteter, schreibschriftlicher Vorlagen.32) Gerade die ausführliche Meisterinschrift (Bankblock VII Nr. 37 A) zeichnet sich durch ihre kunstvoll gearbeitete Minuskel und die ornamentalen, innerhalb des Linienschemas bleibenden Versalien aus. Die gespaltenen Unterlängen der dekorativen Buchstaben sind mit langen Schlingen und Kontraschleifen versehen, die sich mehrfach mit den gleichfalls gespaltenen Oberlängen einzelner Minuskelbuchstaben in den darunterliegenden Zeilen verbinden. Einzelne dieser Oberlängenschlingen tragen an den Enden Distelblüten. Als Schmuckversalien erscheinen D und das in eine Pflanze eingestellte O von Odernheim; i und ü tragen Punkte. Die großformatigen Bandminuskeln anderer Schriftfelder – etwa in den Bankblöcken V und VI – bestehen aus breiten, ineinander verschlungenen Bändern mit Schnörkeln, Ziercauden und vegetabilen Endstücken, die einen eigenen, ornamentalen Bild- und Schmuckwert besitzen. In diesen großen Minuskelfeldern – so etwa auch bei dem ave-maria- oder dem gluck zu-Feld (Nr. 3 Bankblock I, Nr. 38 Bankblock VII) – löste der Künstler die geraden Elemente und die Brechungen der Einzelbuchstaben in gefältelte Bänder auf, die zwar noch den Charakter der Buchstaben bewahren, aber dennoch zu bestimmenden Schmuckornamenten der Bankfüllungen umgedeutet sind. In Bankblock II Nr. 4 gestaltete Falckener den Namen Jesu durch große Bandminuskeln, denen er neben den Leidenswerkzeugen noch andere Symbole aus der Passionsgeschichte hinzufügte. In der Gestaltung des feldbestimmenden Wortes ihesus werden einerseits die Buchstaben als solche dargestellt, zum anderen werden sie geschickt in die drei Kreuze des Kalvarienberges umgestaltet. Auf diese Weise bietet das Schriftfeld dem Betrachter die aus der hl. Schrift bekannten Einzelszenen der Passion Christi symbolhaft dar und wird somit insgesamt zu einer Allegorie auf das Leiden des Herrn.

Die Charakteristiken der frühhumanistischen Kapitalis sind am selten gebrauchten spitzen A mit gebrochenem Mittelbalken und weit überstehendem Deckbalken, am doppelbögigen E, am Nodus des I und Ausbuchtungen der Balken bei H und N ablesbar.33) Zudem flossen ältere Formen der gotischen Majuskel in die Gestaltung der kapitalen Buchstaben ein; dadurch zeigen sie gotisierende Verfremdungen wie Hastenverbreiterungen und Bogenschwellungen, auch ältere Typen wie etwa trapezförmiges A.34) Auffälligstes Merkmal der Buchstabenbildung ist die Aufspaltung der Hasten- und Balkenenden. Der Künstler verwendete unzählige Litterae insertae (vor allem Bankblock X), die nicht nur der Textkürzung dienen, sondern auch den Schmuckcharakter insgesamt unterstützen. Oft werden kleinerformatige Buchstaben unter T und über L, V gestellt. Spätgotisches Stilempfinden zeigt sich dabei noch in der Einstellung von Pflanzen, Astwerk oder Leidenswerkzeugen in einige der runden Buchstaben C, D und O. Als ebenfalls noch gotischem Schmuckbedürfnis entstammende Spielereien sind solche Texte zu werten, deren Buchstaben dem Verlauf verschachtelter Schriftbänder folgen. Sobel nannte als vergleichbare, wenngleich zeitlich spätere Objekte die Inschriften der Schriftbänder der Emporenbrüstung in Lanzing und des Chorgestühls in Schwäbisch-Hall.35)

Bei der Auswahl der deutschen Reimverse dürften mit kurzem Text versehene Einblattholzschnitte die Hauptquelle gewesen sein; daneben verarbeitete Falckener das Gedankengut geistlicher Lyrik, mündlich überlieferter Gebete und höfischer wie auch volkstümlicher Prosadichtung vor dem Hintergrund der lokalen Valentinuswallfahrt. In die Texte und in die künstlerische Gestaltung der Bänke flossen Elemente der Marienverehrung, des arma-Christi-Kultes wie auch die zu dieser Zeit einsetzenden Namen-Jesu-Verehrung ein. Der eigentliche religiöse Grundgedanke, der sowohl im floralen Muster als auch inschriftlich variiert wird, ist die Passionsgeschichte. Sie wurde in direktem Bezug zum Leiden der Menschen – hier konkret der Valentinuspilger – gesehen. Wie Leiden, Tod und Auferstehung Christi den Menschen zu erlösen vermögen und ihm Hoffnung machen, wurde denjenigen Pilgern und Kirchenbesuchern, die Trost und Erlösung bzw. Heilung von Krankheiten suchten, eindrucksvoll in Wort und Bild vor Augen geführt. Die sprachgeographische Einordnung der insgesamt knappen Texte ist wegen einiger mehrdeutiger Formen schwierig. Im ganzen zeigen die Gestühlinschriften Schreibungen, wie sie im Mainzer Raum um 1500 üblich sind.36)

Textkritischer Apparat

  1. Retrogrades Z.
  2. Grimm IOH(?), er vermerkt Unleserlichkeit wegen starker Beschädigung.
  3. Auflösungsvorschlag Sobel.
  4. So vermutlich für „ohne Wanken“, „standhaft“.
  5. Auflösungsvorschlag Sobel: BEDENCK DAS ENT anlog zur Inschrift auf der Mittelheimer Kanzel (Nr. 356).
  6. Auflösungsvorschlag Staab.
  7. Sic!
  8. Für Maid, Lesung gegen Sobel MEIET; lt. frdl. Hinweis von Dr. h.c. Josef Staab wurde das obere Eckstück im 19. Jh. erneuert, ein kleiner Rest des originalen T-Balkens ist noch zu erkennen.
  9. Hochgestelltes, kleinformatiges t.
  10. Unsicherer Auflösungsvorschlag Sobel: H(ILF) A(LLEN) Z(VR) H(EILIGKEIT) I(N) G(OTT).
  11. Die ganze Zeile mit einem Übermaß von Buchstabenverbindungen, auch sehr ungewöhnlichen wie CH.
  12. Gemeint ist wohl „Güte“.

Anmerkungen

  1. Vgl. LCI 4, Sp. 380-390. Die Gegensatzpaare des Prudentius waren Fides und Cultura deorum, Pudicitia und Libido, Patientia und Ira, Humilitas (mit Spes) und Superbia, Sobrietas und Luxuria, Operatio und Avaritia, Concordia (mit Fides) und Discordia, vgl. ebd. Sp. 380.
  2. Ebd. 135f.; vgl. auch Wander, Sprichwörter-Lexikon 1 Sp. 1565 Nr. 28 und 29.
  3. Sobel 135f. mit Hinweis auf Sighard Graf Enzenberg, Schloß Tratzberg. Innsbruck 1958 (Schlern-Schriften.) 50ff.
  4. Vgl. Lc. 1,28.
  5. Sobel 137f. mit Belegstellen.
  6. Vgl. Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. 3. Aufl. Stuttgart 1975, 181f. zu Erhard, 301 zu Justus.
  7. Vgl. Io. 19,19.
  8. LCI 7 Sp. 289-297, hier Sp. 290.
  9. Zaun, Kiedrich 96ff.
  10. Lkr. Alzey-Worms; vgl. dazu Sobel 140.
  11. Vgl. Sir. 7,40.
  12. Vgl. LCI 5 Sp. 320-334.
  13. Sobel 141.
  14. Auflösungsvorschlag Dr. Eberhard J. Nikitsch.
  15. Vgl. LCI 8 Sp. 198-205.
  16. Bibelparaphrase Ex. 20,12.
  17. Sprichwort, aber nicht bei Wander, Sprichwörter-Lexikon; vgl. die Versionen in DI 28 (Hameln) Nr. 59, 110; DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 521.
  18. Wander, Sprichwörter-Lexikon 2 Sp. 1 Nr. 12 mit Hinweis auf Hausinschrift in Hannover, nicht in DI 36 (Stadt Hannover).
  19. Vgl. LCI 7 Sp. 394-398.
  20. Vgl. LCI 5 Sp. 138-152.
  21. Vgl. künftig DI Göppingen (in Vorbereitung); DI 37 (Lkr. Rems-Murr) Nr. 11 zu Winterbach mit der Darstellung schwatzender Weiber auf Wandmalereien. Die dortigen Ermahnungen zur Unterlassung des Geschwätzes sind freilich – anders als die Kiedricher Inschrift – lautmalend.
  22. Vgl. Hartmut Boockmann, Die Stadt im späten Mittelalter. München 1986, 191-218, hier 192.
  23. Etwa das Beispiel der Polemik gegen die Kirche als „öffentlichen Ort“ in einem wohl in Straßburg entstandenen Einblattdruck von 1518, vgl. ebd. 202f. Nr. 314 mit Abb. auf S. 203.
  24. Eine völlige Neuschöpfung des 19. Jhs. stellt nach Sobel das ihesus-Feld der westlichen Brüstung am Beichtstuhl dar, vgl. Sobel 148f.
  25. Die Brüstung trägt die Inschrift O · SANCTA · MARGARETA · BIT · GOT · VOR · VNS · AMEN, auch zit. bei Grimm, Kirchenbänke 64.
  26. LCI 8 Sp. 626-629.
  27. Vgl. LCI 6 Sp. 478-481.
  28. LCI 7 Sp. 233-237.
  29. Ausführlich gewürdigt von Sobel 82-84 mit kunsthistorischer Einordnung, während Germann-Bauer 244f. das Gestühl nur künstlerbezogen als „Höhepunkt von Valckeners Werk“ ansieht, wobei er auf die beispiellose Behandlung der großflächigen Pflanzenkompositionen abhebt, jedoch die Inschriften und ihren zeithistorischen Kontext kaum erwähnt. Zu Falckener vgl. außer Sobel noch Germann-Bauer 67-71.
  30. Darauf wies bereits Grimm hin.
  31. Sobel 51-53 zur Schrift, hier 51; ebd. 76ff. zu weiteren Einflüssen.
  32. Ebd. 51f. mit dem Hinweis auf vergleichbare Buchstabenbildungen etwa in Hartmann Schedels Weltchronik oder im Teppich mit der „Wurzel Jesse“ von 1501 im Mainzer Dom- und Diözesanmuseum.
  33. Sobel 52 suchte Vergleichsmöglichkeiten zu den Falckenerschen Kapitalisbuchstaben in den Schrifttypen des Günter Zainer (Augsburg 1471), in den Städtenamen in Schedels Weltchronik sowie im Mainzer FastradaStein, vgl. zu diesem auch DI 2 (Mainz) Nr. 1; Übereinstimmungen finden sich allenfalls im allgemeinen Typ der Schrift.
  34. Vgl. Fuchs, Übergangsschriften, passim, und Koch, Frühhumanistische Kapitalis 341f.
  35. Sobel 53.
  36. Frdl. Hinweis Dr. Wolf-Dietrich Zernecke, Mainz.

Nachweise

  1. Habel, Bericht (1850) 234 (37).
  2. Zaun, Kiedrich 110 (23, 24, 37, 38, 42), 111 (1, 20, 37).
  3. Roth, Geschichtsquellen I 292 Nr. 34 (37).
  4. Spang, Falkner 106 (1, 37).
  5. Grimm, Kirchenbänke 4 (37), 63 (20), 64 (2, 3, 5, 7, 13, 15, 18, 21, 23, 24, 26-28, 30, 32, 33, 36, 39, 40, 42), 65f. (3, 11, 23, 25, 37, 38), 66 (6, 8-10, 12, 14, 16, 17, 19, 23, 29, 31, 34-38, 41) 67 (42), 68 (42), 76 (1).
  6. Sobel 19 (1), 20 (2), 23 (5, 8), 24 (9, 20), 25 (21), 26 (11, 22, 23), 27 (23), 28 (24, 37), 29 (37, 38), 30 (38, 40, 42), 31f. (42); 137 (2), 139 (6, 7), 140 (12), 141 (16), 142 (11, 17), 143 (13, 14), 144 (19), 145 (23, 25), 146 (26, 28), 147 (32, 36), 148 (39, 40), 151 (42).
  7. Staab, Baudenkmäler 37 (37), 38 Abb. (1, 4, 37).
  8. Monsees, Inschriften St. Valentinus 125 Abb. 69 (37), 126 Abb. 70 (42).
  9. Staab, Poetische Inschriften 26 (9, 10, 23), 27 (23, 25, 37, 42), 28 (42), 28 Abb. 1 (37), 29 (20).

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 349 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0034901.