Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 306 Bleidenstadt, Kath. Pfarrkirche St. Ferrutius 15.Jh.

Beschreibung

Fragmentarische Stifterinschrift auf ehemaligem Heiliggrab, heute Sockelplatte des Hochaltars. Die große, mit Steinfarbe rot gestrichene Sandsteinplatte liegt umgedreht auf dem hölzernen Unterbau so auf, daß die auf dem abgeschrägten Plattenrand eingeschlagenen Buchstaben auf dem Kopf stehen. Soweit erkennbar, gut erhalten.

Maße: H. 211, B. ca. 130, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/2]

  1. [...]e · Quia) · fecit · hu(n)c · lapide(m) · in · sepultura(m) · crucis · d(omi)nice · in · parasceue ·

Übersetzung:

(...) der diesen Stein zu einem Grab für das Kreuz des Herrn auf Karfreitag machen ließ.

Kommentar

Am verstümmelten Textanfang stand ursprünglich der Stiftername. Beim e ist das obere Bogenende als Schrägstrich an den Schaft geführt und zugleich nach oben verlängert; am Balken des t setzt rechts ein zeitüblicher, senkrecht nach unten geführter und leicht nach außen gebogener Zierstrich an. Die Gemeinen zeigen keine Unterlängen; als Worttrenner dienen kleine Quadrangel.

Falk mutmaßte wohl mit Recht, daß es sich bei der Steinplatte, die „vermutlich noch Bildwerk auf der Steinunterseite“1) zeige, um eine Darstellung Christi im Grabe handelte. Die Inschrift steht in Zusammenhang mit der Karfreitagsliturgie2) und der dabei vollzogenen feierlichen Kreuzverehrung nach dem Wortgottesdienst. Sie entstand aufgrund des seit dem 10. Jahrhundert mancherorts verbreiteten und offensichtlich auch in Bleidenstadt geübten Brauches, das Kreuz in der an die Karfreitagsliturgie anschließenden Grablegungszeremonie in das Heiliggrab („depositio crucis“) zu legen; entsprechend wurde das Kreuz dann am späten Abend des Karsamstag wieder erhoben („elevatio crucis“).3) Noch im Früh- und Hochmittelalter setzte man in diesem „Heiliggrab“ symbolhaft für Christus ein Kreuz oder eine Hostie bei, die an Ostern feierlich aufgenommen wurde.4) Seit dem 12. Jahrhundert ersetzte die hölzerne bzw. steinerne Darstellung des Leichnames Christi im Grabe dieses Sinnbild.5)

Textkritischer Apparat

  1. Q mit eingestellter Cauda, u unten offen.

Anmerkungen

  1. Falk, Bleidenstadt 23.
  2. Zur Karwoche vgl. LThK 6 Sp. 4-9; Schott, Röm. Meßbuch 393f.
  3. Vgl. LThK 6 Sp.7; LMA V Sp. 954; vgl. auch allg. G. Römer, Die Liturgie des Kreuzes. In: Zschr. kath. Theol. 77 (1955) 39-93; zur Schilderung dieser Kreuzniederlegung im Hl. Grab vgl. auch Stephan Hilpisch, Die Feier der Karwoche in der Abtei Fulda zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In: Perennitas. Beiträge z. christlichen Archäologie u. Kunst, z. Gesch. d. Literatur, d. Liturgie u. d. Mönchtums (...). P. Thomas Michels OSB z. 70. Geb. Hrsg. v. Hugo Rahner u. Emmanuel v. Severus. Münster 1963 (Beitr. z. Gesch. d. alten Mönchtums u.d. Benediktinerordens. Suppl. 2.) 189-196, hier 193.
  4. LMA IV Sp. 2029.
  5. Vgl. Adolf Reinle, Die Ausstattung deutscher Kirchen im Mittelalter. Darmstadt 1988, 228-237.

Nachweise

  1. Lotz (1880) 37.
  2. Roth, Bleidenstadt 393f.
  3. Luthmer (1914) 171.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 306 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0030607.