Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 542† Kiedrich, Kath. Pfarrkirche St. Valentin
(vom Hauser bzw. Kiedricher Bollwerk)
zw. 1601 und 1604

Beschreibung

Spruchinschrift mit Wappen. Laut Helwich waren über dem Eingang zur Kirche Wappen und zwei Inschriften aufgemalt,1) die aus dem sog. „Hauser bzw. Kiedricher Bollwerk“, einem Teil des den Rheingau sichernden Schutzwalls („Rheingauer Gebück“), stammten.2) Möglicherweise befanden sich die Wappen auf runden Eisenscheiben, da noch vor der letzten Restaurierung der Kirche 1962 Rostspuren ihrer Befestigungen rechts und links des Portals sichtbar waren.3)

Nach Helwich.

Maße: Dm. 145 cm.3)

  1. Faustum nomen niveis trabibus rota candida iuncta estFirma sub hoc stabit principe res Moganum.Dum superum cultus patritaque sacra vigebuntVestra caput cives turris in astra feret.

Übersetzung:

Gesegneter Name! Verbunden ist das weißglänzende Rad mit den weißen Balken. Die Mainzer Angelegenheiten werden unter diesem Fürsten sicheren Bestand haben. Solange die Verehrung Gottes und die Heiligtümer der Väter hier in Blüte stehen, wird euer Turm, Bürger, sein Haupt zu den Sternen erheben.

Versmaß: Zwei Distichen.

Wappen:
Kiedrich; Erzbischof Johann Adam von Bicken.4)

Kommentar

Die Inschrift lobt im ersten Verspaar den Mainzer Kurfürsten Johann Adam von Bicken (†1604), in dessen vierjähriger Regierungszeit die Spruchinschrift entstand. Im ersten Distichon wird das Bickensche Wappen mit zwei weißen Balken in Verbindung mit dem Mainzer Rad (Erzbistum) gebracht; im zweiten wird die Schutzfunktion des Turms für die Kiedricher Bürgerschaft thematisiert. Bei dem in unmittelbarer Nähe des Ortes Hausen v.d.H. oberhalb Kiedrichs gelegenen „Hauser (oder Kiedricher) Bollwerk“ handelte es sich um eine stattliche Anlage mit einem „hohen und festen Thurm“,5) der seinerzeit Eingang in das Ortswappen Kiedrichs fand. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges befand sich das Bollwerk bereits in schlechtem baulichen Zustand und wurde auch später nicht mehr instandgesetzt.

In Zusammenhang mit Helwichs Überlieferung ergeben sich einige noch ungeklärte Fragen: Aus welchem Grund wurden die beiden Wappen und die aufgemalte Inschrift von einer bestehenden Verteidigungsanlage an den Kiedricher Kirchturm versetzt? War die Inschrift auf dem Mauerwerk oder auf den Wappenscheiben umlaufend aufgemalt? Hinzu kommt, daß Helwichs Herkunftsangabe auf einer später gewonnenen Nachricht beruht, die er bei der Reinschrift seines „Syntagma“ (zw. 1615 und 1623) nachgetragen hat. Ein Grund für die Anbringung und damit die zweite Verwendung der Inschrift am Kirchturm könnte auch darin bestanden haben, daß ihr Inhalt ebensogut auf dieses Bauwerk bezogen werden konnte, da die Bau- und Unterhaltungspflicht des Kirchturms der Kiedricher Zivilgemeinde oblag.6)

Anmerkungen

  1. „Ad templi ingressum depicta sunt insignia (...) Joannis Adami a Bicken una cum insignibus ipsius oppidi“.
  2. „In insigniis oppidi turris ex agere prope hausen ortuis“. Mit dem hier mitgeteilten Herkunftsort dürfte der „halbmondförmige Erdwall [der einen] starken burglichen Bau mit hohem Turm“ schützte, gemeint sein, vgl. Luthmer (1907) 5f.
  3. Vgl. Staab, Poetische Inschriften 31 m. Abb. 3, dort auch Maße.
  4. Wappen von Helwich nicht mitgeteilt.
  5. Vgl. dazu und zum folgenden Zaun, Kiedrich 66f.
  6. Vgl. Zaun, Geschichte Kiedrich 130.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 261.
  2. Zaun, Kiedrich 115.
  3. Roth, Geschichtsquellen III 244.
  4. Staab, Baudenkmäler 30.
  5. Staab, Poetische Inschriften 32.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 542† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0054205.