Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 464 Lorch, Kath. Pfarrkirche St. Martin 1565

Beschreibung

Spruch-, Meister- und Herstellungsinschrift sowie Gußjahr auf Glocke. Einzeilige Umschrift (A) auf der Schulter zwischen zwei Rundstegen, darüber und darunter ein spätgotischer Blütenfries. Die Inschrift wird unterbrochen von einem kleinen Medaillon mit Spruchinschrift (B). Auf der Flanke ein identisches, spiegelverkehrt angebrachtes Medaillon mit Inschrift (C). Auf dem Mantel zwei Reliefs (Madonna mit Kind, Kreuzigung). Gut erhalten, Gewicht 1600 kg, Schlagton es‘.1)

Maße: H. 137, Dm. 135, Bu. 2,2 (A), 0,3 (B, C) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Kapitalis (B).

Bender_Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/2]

  1. A

    · gloria · in · excelsis · deo et in terra pax hominibus bone voluntatis2) gregorivs trevirensis me fecit · anno · domini · m · d · lxva)

  2. B

    IOANES / WER DI SLANGb) SIET SOL NIT STERBEN NVM(ERI) 213) ·

  3. C

    IOANES / WER DI SLANG SIET SOL NIT [STERBEN]c) NVM(ERI) 213)

Übersetzung:

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen guten Willens. Gregor von Trier machte mich im Jahre des Herrn 1565.

Kommentar

Die im Lorcher Haingerichtsbuch „Johans klock“ genannte Glocke wurde am Johannistag (24. Juni) 1565 in Lorch gegossen.4) Die Spruchinschrift (A) wurde noch in einer gleichmäßigen gotischen Minuskelschrift ausgeführt; der Grund für die Wahl dieser Schrift liegt vermutlich in den begrenzten Platzverhältnissen und der Textlänge. Kleine Quadrangel dienen als Worttrenner. Die Glockenzier des Blütenfrieses ist charakteristisch für die Werkstatt des älteren Gregor von Trier, der bis gegen 1516 arbeitete. Sie wurde von dem gleichnamigen Meister übernommen, der bis 1574 auch im Mittelrheingebiet arbeitete.5)

Auf den beiden identischen Medaillons, von denen eine Abformung im Museum Wiesbaden aufbewahrt wird, ist die Kapitalisschrift nur mit großer Mühe zu entziffern. Sie bezieht sich auf das Zentrum des Bildes mit dem von der Schlange umwundenen Kreuz, flankiert vom Namen IOANES. Zugrunde liegt die Verknüpfung der Kreuzesallegorie des Sieges Christi über Tod und Verderben mit dem Bibelwort 4 Moses 21,9 (Buch Numeri) über die Anbetung der Ehernen Schlange. Die Eherne Schlange gehört neben Abrahams Opfer zu den alttestamentlichen Parallelen des Opfertodes Christi am Kreuz. Nach Joh 3,14 verglich Christus die Erhöhung der Ehernen Schlange mit seiner eigenen.6) Somit finden sich alttestamentliche Bibelstelle und der neutestamentliche Vergleich gemeinsam auf einem Inschriftenträger.

Textkritischer Apparat

  1. Roth 1560.
  2. Luthmer erkannte zwar die Darstellung der Ehernen Schlange, zog aber das S zu DI und überlieferte sinnentstellend DIS LANG.
  3. Oberfläche an dieser Stelle abgeschliffen.

Anmerkungen

  1. Glockenkartei Limburg 1981.
  2. Lc. 2,14.
  3. Nach Num. 21,9.
  4. Roth, Culturbilder 13; Struppmann, Chronik Lorch 116.
  5. Die erste aus der Werkstatt Gregors von Trier nachgewiesene Johannisglocke in Hahnenbach von 1548 trägt eine gut gearbeitete Kapitalis und einen deutschsprachigen Reimvers, vgl. DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 294. Vgl. Poettgen, Studien 13ff. zum älteren Gregor von Trier, 20ff. zum jüngeren Gregor, auch oben Nr. 457, vgl. auch die Listen bei Walter 889 und Wiegand, Glockenkunde 51.
  6. Braun, Tracht 368; RDK 4 Sp. 817-837.

Nachweise

  1. Museum Wiesbaden SNA, Inv.-Nr. 28.2.2/33.
  2. Lotz (1880) 305.
  3. Zaun, Landkapitel 319.
  4. Roth, Culturbilder 13.
  5. Roth, Geschichtsquellen I 395.
  6. Luthmer (1907) 114; (1921) 82.
  7. Lorch im Rheingau 61.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 464 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0046409.