Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 429 Lorch, Kath. Pfarrkirche St. Martin 2.V.16.Jh.?

Beschreibung

Spendenaufruf auf Almosenbild. Ölmalerei auf Holz. Interieurszene mit der Gegenüberstellung eines wohlhabenden Bürgers auf der linken und eines Bettlers auf der rechten Seite. Der Reiche greift in seine am Gürtel befestigte Almosentasche und wirft dem Armen mit Holzbein und amputiertem Fuß Geld in die ausgestreckte Almosenschale. Hinter dem Wohltäter steht der mit Schlössern gesicherte Almosenkasten. Im Dreiecksgiebel der Tafel aufgemalte sechszeilige Inschrift. Bis auf den mitten durch das Gemälde laufenden Riß gut erhalten.

Maße: H. 66, B. 40, Bu. 1,5-2 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

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  1. [Sp]enda) um / gotz willen doin armi(n) /So · wirdt · sich · got · vyer · auch · / Er barmen ·vnd · ven(n) · yer · dum · armen / Gutz · habt · gethan ·So · wiertz · vich · got · nit vn/ver golten lounb)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

In Abweichung zum Kdm.1) wurde hier eine frühere zeitliche Einordnung vorgeschlagen. Sie geht von der Mode des Beinkleides aus, das konform zum 2. Viertel des 16. Jahrhundert Längsschlitze für verschiedenfarbige Einsätze zeigt.2) Die Fraktur, mit diesem Ansatz die älteste im Bearbeitungsgebiet, entfällt wegen des niedrigen Ausführungsniveaus für eine engere Datierung als ins 16. Jahrhundert.

Die äußerst holprigen Reimverse thematisieren die zeitgenössisch weit verbreitete Aufforderung zu Mildtätigkeit und freiwilliger Geldspende an die Armen gegen Gotteslohn. Es handelt sich um eine volkstümliche Variante des Wortes von Jesus Sirach „Hilf den Armen um des Gebots willen“3) in Verknüpfung mit dem Lukaswort „Gebt, so wird euch gegeben“.4) In ganz ähnlicher Weise taucht das Thema in einem Frankfurter Beispiel von 1531 auf. Dort wird die Verteilung von Geld an die Ortsarmen auf zwei beidseitig bemalten Armentafeln dargestellt, die an den Almosenstöcken befestigt waren. Ein Ratsherr spendet Geld aus seiner Börse an zwei vor ihm befindliche Hausarme, die ihm ihre leeren Schüsseln entgegenstrecken. Dazu gehört die Inschrift am oberen Rand Gebt den huszarmen umb Gottes willen in gemeynen kasten.5) Gebt umb Gottes willen Hauszarmen Leit heißt es auf der 1562 entstandenen Almosentafel des Georg Rieder im Ulmer Münster.6) Bei diesen Beispielen befindet sich das Almosenbild stets in unmittelbarer Nähe zum Almosenstock. Wie das für protestantische Kirchenausstattung typische Almosenbild7) in eine ununterbrochen katholische Pfarrkirche gelangte, ist nicht bekannt.

Textkritischer Apparat

  1. Heute zu Gend falsch übermalt, der Mittelteil des S ist aber noch erkennbar; Spend auch bei Struppmann.
  2. Hiernach folgt Rankenornament als Abschluß.

Anmerkungen

  1. Kdm. 255 Nr. 12 ohne Inschriftzitat erwähnt mit allgemeiner Zeitstellung „17. Jh.“
  2. Karl Köhler, Die Entwickelung der Tracht in Deutschland während des Mittelalters und der Neuzeit. Ein Hand- u. Lehrbuch. Nachdr. d. Ausg. Nürnberg 1877, Walluf-Nendeln 1975, 88f. mit Taf. XXXVIf.
  3. Sir 29,12.
  4. Lk 6,38.
  5. RDK I Sp. 392.
  6. Die Renaissance im deutschen Südwesten zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg. Ausstellung Heidelberger Schloß 21. Juni-19. Okt. 1986. Katalog. Bd. 1, 192 C 22.
  7. Vgl. Monika Kopplin, Malerei. In: Ebd.

Nachweise

  1. Struppmann, Chronik Lorch 94.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 429 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0042903.