Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 389 Eltville, Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul 1522?

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Wandmalereien mit Bibelsprüchen und Spruchinschrift auf den Stirnseiten der Westempore. Szenische Darstellungen mit dekorativem Rankenwerk, 1865/66 aufgedeckt und übermalt, seit 1961 wieder in freigelegter, originaler Farbfassung. Im südlichen Teil Mariä Verkündigung mit Engelsgruß (A) auf Schriftband; im Nordteil links kniende Figur des hl. Onuphrius mit bloßem Oberkörper und knielangem Rock, darunter die Namensinschrift (B). Der herbeifliegende Engel hält das flatternde Schriftband mit der weitgehend zerstörten Spruchinschrift (C). Im folgenden Zwickel auf der großen Freifläche heute nicht mehr erkennbare Darstellung des hl. Petrus (in Ketten?)1) mit verlorener Spruchinschrift (D). Daneben kleinere Abbildung des hl. Vitus im Kessel und des hl. Antonius Eremita.

(D) erg. nach Lotz.

Maße: (A) L. ca. 170, H. 10, Bu. 6-7 cm; (B) L. ca. 65, H. 10, Bu. 5-5,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit frühhumanistischen Elementen.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/4]

  1. A

    AVE · MARIA · GRACIA · PLENA · DOMINVS · TECVM2) ·

  2. B

    S(ANCTVS) · ONOPHRIVSa)

  3. C

    [TV]AM · SCIAS · [..]ANDITAMb) · [...]CACION[.]c)

  4. D

    [MISSIT · DEVS · S(ANCTVM) · ANGELVM · / SVVM · ET · LIBERAVIT · / ME · DE · MANV · / HERODIS ·]3)

Übersetzung:

Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir (A). – Gott schickte seinen heiligen Engel und befreite mich aus der Hand des Herodes (D).

Kommentar

Die sehr schlanke Kapitalis zeigt frühhumanistische Schriftelemente mit den Ausbuchtungen bei I, H und N sowie zweibogiges E. A in AVE hat einen nach links überstehenden Deckbalken, R eine stark geschwungene Cauda. Das M weist leicht nach innen geneigte Hasten und einen sehr kurzen Mittelteil auf, der nicht bis zur Zeilenmitte reicht. Als Worttrenner verwendete der unbekannte, mitunter mit Mathias Grünewald in Zusammenhang gebrachte4) Maler kleine Spiralen und Quadrangel mit vierseitig ausgezogenen Zierhäkchen.

Die Wandmalereien der Empore gehören offenbar zu der 1522 datierten Ausmalungsphase der Kirche (vgl. folgende Nr.). Neben den beiden szenischen Fassungen der Emporenstirnwand sind die dekorativ-ornamentale Rankenmalerei im Emporengewölbe inklusive des Schriftrestes an der Nordschiffswand unter dem Gewölbe (folgende Nr.) erhalten; hinzu kommen die Rankenornamente um die Schlußsteine im Nebenschiff als selbständige, das szenische Geschehen begleitende Dekorationselemente. Der Engelsgruß stellt als wandfüllendes Bildthema ikonographisches Allgemeingut dar, im Nordteil finden sich seltene Bildinhalte und -aussagen. Die wöchentliche Kommunion des hl. Onuphrius durch einen Engel wurde selten als Thema einer Wandmalerei ausgeführt, gehört aber zu den am meisten abgebildeten Szenen seiner Vita.5) Er war einer der wenigen Asketen und Wüstenväter, für die sich im Westen ein eigener Kult ausprägte.6) Die Eltviller Onuphriusgestalt entspricht der im byzantinisch-ostkirchlichen Raum üblichen Darstellungsform des Heiligen als bärtiger Büßer und Asket mit der um den Leib gewickelten Kette und dem Lendenschurz aus Hanfstricken oder Blättern.7) Offenbar das Pendant zu dieser Darstellung des heiligmäßig lebenden Eremiten bildet die verkleinerte, inschriftlose und heute nur noch mühsam erkennbare Abbildung des hl. Antonius Eremita am nördlichsten Ende der Empore. Dem hl. Vitus wird erst seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert ein Kessel als Attribut beigegeben;8) nach 1500 wird er öfter in diesem sitzend abgebildet. Im Mittelalter erfuhr dieser Heilige als einer der Vierzehn Nothelfer große volkstümliche Verehrung. Die verlorene Inschrift (D) bezog sich auf die Inhaftierung des Apostels Petrus durch Herodes und seine Befreiung aus dem Kerker durch den Engel.9)

Textkritischer Apparat

  1. D-ähnliche Buchstabenbildung, verrestauriert aus N, das schwach erkennbar ist.
  2. O oder spiegelverkehrtes Q mit X überschrieben, davor ein Hastenrest.
  3. Letzter Buchstabe gebildet wie ein O mit überschriebenem Kürzungsstrich.

Anmerkungen

  1. Frdl. Auskunft von Herrn Hans Kremer, Eltville, der Bearb. die im Eltviller PfA erhaltenen Kartons der Abzeichnungen des 19. Jhs. zugänglich machte.
  2. Vgl. Lc. 1,28.
  3. Act. 12,11 „et eripuit me de manu Herodis“.
  4. Einsingbach, Eltville 12.
  5. LCI 8 Sp. 84-88; vgl. auch Joseph-Marie Sauget, Onofrio. In: Bibliotheca Sanct. 9 (1967) 1187-1197; Maria Chiara Celletti, Onophrio. Iconografia. In: ebd. 1197-1200; Migne Patrologia lat. 73 Sp. 211-222.
  6. LCI ebd. 85, frühe Beispiele in Italien schon im 14. Jh., im Norden verbreitete sich der Kult erst seit dem 15. Jh.
  7. Ebd. 84f.
  8. Vgl. zu dem Heiligen Braun, Tracht Sp. 728-738; hier 734. Es handelt sich meist um Bildwerke aus Bayern, Württemberg und Baden, bei denen der Kessel als Attribut stets verwendet wird; sonst gehören Hahn, Brot und Knüttel sowie ein Löwe oder ein Buch zu seinen Attributen, vgl. ebd. 732.
  9. Vgl. Apg. 12,3-11.

Nachweise

  1. Lotz (1880) 499f.
  2. Kremer, Inschriftensmlg. Nr. 36.
Addenda & Corrigenda (Stand: 06. Oktober 2021):

Beschreibung: (C) ergänzt mit Hubach, (D) nach Lotz.

Neuer Text Inschrift C:

  1. [TV]AM · SCIAS · [EX]AVDITAMb) · [DEPRE]CACION[EM]c)

Neue Übersetzung: Du weißt, dass Deine Bitte erhört wird (C). –

Kommentar:

Am rechten Bildrand der Verkündigung ist ein Meisterzeichen (Zeichen 7a) erkennbar, vgl. Hubach 80 mit Abb. 9.

Neuer Literturhinweis:

Hans Hubach: Die Wandbilder an der Emporenbrüstung der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Eltville. In: Nass. Ann. 110 (1999) 71 - 86.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 389 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0038909.