Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 316† Johannisberg, ehem. Klosterkirche E.15./A.16.Jh.

Beschreibung

Mahninschrift an der Nordwand des Chores vor dem Sakramentshaus, vielleicht Wandmalerei.

Nach Helwich.

  1. Quod bene nec caelum nec tota potentia rerumConcipit hac parva numen servatur in archaErgo siste gradum pronusque in verba salutisFlecte genu et Christi venerandum corpus adora.

Übersetzung:

Gott, den weder der Himmel noch alle Macht der Dinge begreifbar machen, wird in dieser kleinen Lade aufbewahrt. Bleibe deshalb stehen und zu den Worten des Heils geneigt beuge das Knie und bete den ehrwürdigen Leib Christi an.

Versmaß: Vier Hexameter, zweimal leoninisch zweisilbig.

Kommentar

Sowohl aus dem Inhalt der Inschrift als auch aus der Angabe Helwichs, die Inschrift habe sich „ante sacrarium a sinistris“ befunden, läßt sich entnehmen, daß die Inschrift beim Sakramentshaus und nicht etwa bei der Sakristei angebracht war. Für die vergleichbare Kiedricher Mahninschrift (Nr. 320), deren Anbringung neben dem Sakramentshaus gesichert ist, gibt Helwich ebenfalls als Standort „ad sacrarium“ an, womit er offenbar jeweils das Sakramentshaus bezeichnet.1) Beide Inschriften beziehen sich somit auf jenen Personenkreis, der Zugang zum Chor hatte, und mahnen ihn zum würdigen Verhalten. In Johannisberg sind die Mönche des Konvents angesprochen, die durch eine weitere Inschrift (vorherige Nr.) zum sorgfältigen Lesen der Stundengebete angehalten wurden. Die Forderung nach würdigem Verhalten der Geistlichkeit in der Kirche und nach korrektem Kultvollzug findet sich um 1500 noch in verschiedenen anderen Inschriften (vgl. vorherige Nr. und Nr. 320); sie sind Reflexe der zu dieser Zeit zunehmenden Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Geistlichkeit und der Versuche zur Beseitigung dieser Mißstände. Es ist somit naheliegend, auch diese Johannisberger Inschrift in die Zeit zwischen 1480 und 1520 einzuordnen. Für eine Entstehung in dieser Zeit spricht in Verbindung mit den anderen Argumenten auch die Verwendung leoninischer Reime in den ersten beiden Hexametern.2)

Anmerkungen

  1. Helwich, Syntagma 262.
  2. Zur Verwendung lateinischer gereimter Verse im Rheingau vgl. Nr. 103 bei Anm. 5 und Nr. 318 bei Anm. 14; alle Untersuchungsergebnisse Dr. Sebastian Scholz.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 277.
  2. Roth, Geschichtsquellen III 280.
  3. Struck, Johannisberg 90 Anm. 431.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 316† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0031604.