Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 205 Eltville, Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul 1450?

Beschreibung

Grabplatte für einen Pfarrer und in Zweitverwendung für Agnes von Koppenstein (Nr. 437), im Boden vor dem Hochaltar auf der Chornordseite, bisher unbeachtet.1) Platte aus rotem Sandstein mit den kaum zu erkennenden Umrissen einer Figur, deren Kopf leicht eingetieft war. Zwei nicht mehr identifizierbare Wappenschilde in den oberen Ecken des Feldes, Umrisse des Architekturrahmens aus Kielbogen und Fialen schwach erkennbar. Kaum lesbare Umschrift auf dem Rand zwischen Linien. Unteres Plattenfeld umgearbeitet mit einem runden Wappenmedaillon in Flachrelief, darunter neunzeilige Grabinschrift für Agnes von Koppenstein. Platte stark abgetreten mit weitgehendem Textverlust der älteren Inschrift.

Maße: H. 248, B. 108, Bu. 5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/6]

  1. [Anno d(omi)ni]a) m cccc Qu[inqua]gesi/mob) · die nona me(n)sis decembris [o(biit)] honorab[ilis ... / ... m]uros mag(untinenses) pleban(us) hui(us) eccl(es)ie · cui(us) a(n)i(m)a requiescat in pace

Datum: 9. Dezember 1450 (?).

Wappen:
? (abgetreten); ? (abgetreten).

Kommentar

Die erkennbaren Silben vor dem Pfarrerstitel deuten auf ein Mainzer Stift vor den Mauern; dabei kann es sich nur um das Kollegiatstift St. Peter gehandelt haben, da diesem die Eltviller Pfarrkirche schon früh zugesprochen worden war.2) 1183 wurde dem Mainzer Propst das Patronatsrecht über die Eltviller Kirche bestätigt, das 1196 dann an das Kapitel überging.3) Von 1438 schließlich datiert die Zustimmung des erzbischöflichen Generalvikars zur Entscheidung des Petersstiftes, daß das Stift nur einen Kanoniker zum Eltviller Pfarrer einsetzen wolle. Dieser hatte seine Wohnung in Eltville zu nehmen, verfügte dort über die Einkünfte der Pfarrei und verwaltete zugleich die Präsenz.4)

Für die Identifizierung des Verstorbenen kommt Hamann Jussel d.J., Sohn des bürgerlichen Hamann Jussel d.Ä. (Nr. 200), in Frage. In der Liste „Series Praelatorum“ des Petersstiftes ist Jussel als Präbendar und Pfarrer in Eltville belegt. Demzufolge soll er seine Pfründe im Jahre 1400 in Besitz genommen haben; höchstwahrscheinlich liegt mit dieser Angabe aber eine Fehllesung aus dem „Computus fabricae“ des Stiftes vor,5) da ein Hamann Jussel erst 1440 als Student in Bologna nachgewiesen ist6) und die Liste auch weitere Fehler enthält. Nach Zaun war er seit 1445 Pfarrer in Eltville.7) Die erwähnte Liste des Petersstiftes vermerkt seinen Tod als Jubilar zum Jahr 1451. Demgemäß wird dort die Pfründenübernahme seines Nachfolgers Jodocus (Jacobus)8) von Ried, 1434 Frühmesser und Vikar des Katharinenaltars zu Eltville,9) zum Montag nach Luciae 1451 angesetzt.5) Beide Male ist 1451 in 1450 zu korrigieren, da Ried schon am 5. Juli 1451 als Pfarrer zu Eltville mit Forderungen an die Testamentarier des als verstorben genannten Pfarrers Jussel herantrat.10) Für die Verbesserung der Lesung spricht auch, daß die Pfründenübernahme Rieds am 14. Dezember 1450 nur wenige Tage nach dem inschriftlich bezeugten Todestag Jussels liegt. Das Vorhandensein von zwei Wappenschilden erklärt sich möglicherweise aus der Kombination von Familien- und Stiftswappen.

Textkritischer Apparat

  1. Reste von Buchstaben, insbesondere Quadrangel, erkennbar.
  2. Die Ergänzung folgt der aus archivalischem Material erschlossenen Datierung.

Anmerkungen

  1. Staab, Michaelskapelle 68 mit Anm. 85.
  2. Vgl. Kleinfeldt-Weirich 85; Klassert, St. Peter 11, 15-26; zu der angeblich gefälschten Urkunde von 1069 vgl. Zedler, Fälschungen 135, dagegen Gerlich, St. Peter 59f.; vgl. Abdruck und Diskussion bei Klassert, St. Peter 15-22.
  3. NUB I Nr. 298; Gerlich ebd. 60 zur Unauffälligkeit des gesamten, bisher in seiner Echtheit angezweifelten Sachverhaltes.
  4. Urkunde vom 29. März 1438 (HHStAW 108/152); Regest bei Roth, Geschichtsquellen I 258 Nr. 131.
  5. Die Series praelatorum St. Petri 140 führen Jussel als ersten Eintrag zu 1400: „Hermannus Jussel accepit possessionem anno 1400 altera vinculorum“. Bei Klassert, St. Peter 92 unter „Hermann Jassel [sic!] acc. poss. 1400 Juli 31“; ebd. mit Datum 1451 Dez. 14 zur Übernahme der Präbende durch Jakob Ried.
  6. Knod 231 Nr. 1627.
  7. Zaun, Landkapitel 67 ohne nähere Quellenangabe; ebd. 56.
  8. Mit diesem Vornamen in Series praelatorum St. Petri und bei Zaun, Landkapitel 67.
  9. Zaun, Landkapitel 56f.
  10. Vgl. HHStAW 108/162-164. In den Series praelatorum St. Petri und bei Zaun, Landkapitel 67 wird das Todesjahr 1451 ohne Sterbetag angegeben. Offenbar stammt in beiden Fällen die Information aus späteren Erwähnungen des Todesfalles.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 205 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0020503.