Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 200 Eltville, Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul 1448

Beschreibung

Grabplatte des Hamann1) Jussel d.Ä., seit 1931 an der Nordmauer der Turmhalle aufgerichtet. Platte aus rotem Sandstein mit Flachrelief des breitbeinig stehenden, betenden Verstorbenen. Er trägt eine knielange, faltenreiche und weitärmelige Schaube über engen Hosen, auf den Schultern einen Koller, am Gürtel Geldbeutel und Dolch. Zwischen den Füßen befindet sich das teilweise beschädigte Wappen. Die Figur umgibt ein krabbenbesetzter Kielbogen mit Fialen, darüber eine Blendarkatur aus Lanzettbögen. Auf dem Rand läuft die Grabinschrift mit äußerer Begrenzungslinie um.

Maße: H. 220, B. 115, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/1]

  1. Anno · mille(n)o · quadrage(n)o · / bisq(ue)a) quat(er)no ·Obiit · ham(m)an(n)us · Jussel · festo · Juliane ·Istiusb) · / eccl(es)ie · fabrice · fuit · ip(s)e · m(a)g(iste)r · /Spiritus · in · pace · corpus · cuius · hic · requiescat ·amenb)

Übersetzung:

Im Jahre 1048 [richtig 1448] starb Hamann Jussel am Julianatag (16. Februar); er war Verwalter des Vermögens dieser Kirche. Sein Geist ruhe in Frieden, dessen Körper hier liegt. Amen.

Versmaß: Vier Hexameter.

Wappen:
Jussel (Schräglinksbalken mit drei nicht zu identifizierenden Objekten belegt, darüber ein sechsstrahliger Stern).

Kommentar

Die Minuskel ist sorgfältig gehauen und weist bei zahlreichen Buchstaben eingerollte Zierstriche auf, etwa beim oberen Bogenende des a, bei r und s. Zu den in einem Vierlinienschema geschriebenen Gemeinen treten Versalien hinzu, die teilweise der gotischen Majuskelschrift entlehnt sind. Dabei zeigt das I von Istius eine durch feine Linien hervorgerufene Nodusbildung, die aber nicht ausgehauen wurde. Worttrenner sind Quadrangel, einmal mit senkrecht ausgezogenen Zierstrichen.

Die Grabplatte Jussels ist vom Typ her auf das stereotype Anno domini-Formular hin angelegt, realisiert aber in Anlehnung an dessen üblichen Informationsgehalt eine metrische Grabinschrift mit dem Thema der Leib-Seele-Trennung.

Bei dem Verstorbenen handelt es sich um den in einer Urkunde von 1431 aufgeführten bürgerlichen Hamann Jussel d.Ä. aus Lorch, der in Vertretung des Eltviller Schultheißen dem Erzbischof von der Verpachtung des Eltviller Rheinkrans berichtete.2) Seit 1426 als Schöffe tätig, begegnet er zugleich im Amt des magister fabricae.3) 1433 stand Jussel an der Spitze von 14 Eltviller Schöffen und nahm gemeinsam mit Schultheiß Jeckel von Heimbach die Übertragung des Patronats über die Eltviller Nikolauskapelle entgegen.4) Jussels Sohn (Nr. 205) wirkte in Eltville als Pfarrer.

Textkritischer Apparat

  1. Die Silbe q(ue) im Hexameter überzählig; die metrische Fassung verursachte auch den Verzicht auf die Hunderterzahl des Jahres.
  2. Am Zeilenende eine Rosette.

Anmerkungen

  1. Es könnte sich um eine zeitgenössische Form des Vornamens Johannes handeln, der durch den Verlust der ersten und dritten Silbe entstanden ist und auch als Hann oder Hahnemann herausgebildet wurde, vgl. Max Gottschald, Rudolf Schützeichel, Deutsche Namenkunde. Unsere Familiennamen. 5. Aufl. Berlin, New York 1982, 274f., lt. frdl. Hinweis von Dr. Wolf-Dietrich Zernecke, Mainz. Freilich wird Hamann Jussel d.Ä. urkundlich als „Hermannus“ bezeichnet, vgl. unten Nr. 205 Anm. 5.
  2. HHStAW 108/149 zu 1431 Dezember 5, so auch Kratz, Eltville I 23f. Anm. 34.
  3. Roth, Geschichtsquellen I Nr. 120; auch Zaun, Landkapitel 50. Zu der Funktion des magister fabricae ecclesiae vgl. ausführlich Binding, Baubetrieb 51-70.
  4. Roth, Geschichtsquellen II Nr. 190 als „Haman Goisel“.

Nachweise

  1. Kdm. 139 Nr. 13.
  2. Kratz, Eltville I Abb. nach S. 32.
  3. Kremer, Bausteine 48 Anm. 83.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 200 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0020003.