Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)
Nr. 188 Eberbach, Klosterkirche 1434
Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]
Beschreibung
Grabplatte des Propstes Johannes von Selheim, ursprünglich im Boden vor dem Altar der vier Kirchenlehrer, heute aufrecht an der Innenwand des Nordseitenschiffes (Plan K Nr. 3). Rotsandsteinplatte mit flachreliefierter Figur des stehenden Geistlichen in Albe, Tunika und Kasel, den Kelch vor die Brust haltend. Über dem linken Unterarm trägt er den Manipel, auf dem Kopf ein Birett. Die Figur ist umrahmt von einer dreiteiligen Maßwerkarchitektur mit scharfkantig ausgehauenen, krabbenbesetzten Kielbögen, einer in die Inschriftzone hineinschneidenden Kreuzblume und flankierenden, dreizonigen Fialen; in den oberen Zwickeln zwei reliefierte, gleichartige Wappenschilde. Auf dem Rand umlaufende Grabinschrift zwischen Linien. Rechts oben Beschädigung des Steines bis in die Inschriftzone herein, in der Fußzone Textverlust durch Feuchtigkeitsschäden, Ränder und Flachrelief bestoßen.
Erg. nach Helwich.
Maße: H. 287, B. 133, Bu. 7-9 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
· Anno · d(omi)ni · mo · / cccca) xxxiiiio · die duodecima · mensis · Iunii · Obiit · venerabil[is / dominus Ioanne]s · de · Selhem · na(tus) · de · amen[e]bu[r]gb) · p(re)p(osi)tus · Ecclesie · beate · marie · ad · gradus · maguntinensis · Cui(us) · a(n)i(m)a · Requiescat · in / pace +c)
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1434, am 12. Tag des Monats Juni starb der ehrwürdige Herr Johannes von Selheim, geboren in Amöneburg, Propst der Kirche der hl. Maria zu den Greden (Liebfrauen) in Mainz, dessen Seele in Frieden ruhe.
Selheim (in Blau roter Schrägbalken, mit drei goldenen Rosen belegt). |
Textkritischer Apparat
- Bei der Datumszeile ist der obere Teil der Zahlen bis zu den Einerstellen durch willkürliche Entfernung eines Teiles der oberen Randleiste zerstört. Nach den vier Quadrangeln der Hunderterangabe folgen feinstrichig ausgeführte Hasten, möglicherweise die Reste eines korrigierten Steinmetzfehlers.
- Das r überschrieben, sichtbar noch ein feiner Zierstrich.
- Das gesamte Wort und das Kreuz am oberen Plattenrand in kleinen Buchstaben eingeschlagen.
Anmerkungen
- Sowohl im Faltensystem als auch in der Formensprache der gebogenen Figurenbilder bis hin zu physiognomischen Details zeigen sich stilistische Ähnlichkeiten beider Monumente, vgl. Börger 31; ebenso Schaum-Benedum 76.
- Schaum-Benedum ebd., zum Dhaun-Denkmal im Mainzer Dom vgl. auch Kniffler 47ff.
- DI 2 (Mainz) Nr. 124; A. Feulner, Der Bildhauer Madern Gerthner. In: Zschr. d. Deutschen Vereins f. Kunstwiss. 7 (1940) 18 passim.
- Schaum-Benedum 76 mit Anm. 3; zur mittelrhein. Plastik vgl. Fischel, Börger und Back.
- Hierzu Dörr 84: Johannes von Selheim ist erwähnt zu 1393 im Verzeichnis der Stiftsmitglieder von Mariengreden, vgl. Mz. Priestersem., Hdschr. 10; zu 1394 März 30 in HHStAW 106/160; 1407 s. Dörr 44; zum Stift St. Viktor vgl. Hansel 158; vgl. auch Joannis, Rer. Mog. II 669.
- Urk.StMz 3 Nr. 2454 zu 1393 Mai 1, ebd. Nr. 2674 zu 1400 Januar 6.
- Meyer zu Ermgassen, Untersuchungen 55 Anm. 109 weist auf den übereinstimmenden Eintrag im Nekrolog hin. Selheim wird am 19. Juni sowie am 12. Juli genannt, vgl. Roth, Geschichtsquellen III 37 und 40.
Nachweise
- Helwich, Syntagma 158.
- Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 81.
- Bär, Epitaphiensmlg. fol. 1v.
- Würdtwein, Epitaphienbuch 236.
- Roth, Geschichtsquellen III 257.
- Beitr. Gesch. Erzstift 30.
- Luthmer (1921) 64 Nr. 2, Fig. 62.
- Börger 38.
- Borgwardt 71.
- Schaum-Benedum 76; 155.
- Monsees, Grabdenkmäler 116 Abb. 6.
Addenda & Corrigenda (Stand: 04. Oktober 2021):
Standort: Die Grabplatte befindet sich aktuell im Südseitenschiff der Klosterkirche. Sie ist aufgestellt im 1. Joch von Westen an der Südwand des Jochs.
Literaturhinweis: Alfred Schneider, Johann von Seelheim. Ein Mainzer Propst und erzbischöflicher Berater aus Amöneburg. In: Amöneburger Bll. Beitr. u. Mitt. des Amöneburger Museums zur Gesch., Landschaft und Volkskunde 8 (1994) H. 3, S. 1-10.
Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 188 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0018807.
Kommentar
Die Buchstabenabstände der rechten Plattenseite sind größer als die der linken, wo die Textlänge ein enges Zusammenrücken der Buchstaben und die verkleinerte Anbringung von pace auf der oberen Randleiste erzwang. Die Versalien A, O und das S des Namens sind der gotischen Majuskel entlehnt, C, E, I und R den zeitgenössischen Gebrauchsschriften entnommen. Der obere Bogenabschnitt des e ist als Schrägstrich bis ganz an das untere Ende der Haste herangeführt und oben durch einen Zierstrichverlängert; das obere Bogenende des a ist geschwungen bis zur rechten Haste zurückgeführt; i-Punkte sind teilweise über die äußere Begrenzungslinie gesetzt. Alle Worttrenner sind kleine, zweiseitig mit Zierhäkchen versehene Quadrangel.
Börger wollte den Stein derselben Werkstatt zuweisen, die das Grabmal des Erzbischofs Konrad von Dhaun im Mainzer Dom fertigte.1) Man könnte vermuten, daß der Meister des Eberbacher Steines das zeitnahe Vorbild im Mainzer Dom kannte und es in der bescheideneren Form des Flachreliefs wiederholte.2) Feulner schrieb das Dhaun-Denkmal der Hand des Madern Gerthener zu, der das Modell des Grabmals bereits vier Jahre vor dem Tod des Erzbischofs angefertigt haben dürfte.3) Da Gerthener im Rheingau in vielfältiger Weise wirkte und mit dem Bau des Westturmes der Kiedricher Valentinskirche in unmittelbarer Nachbarschaft zu Eberbach tätig war, kann seine Beeinflussung des Eberbacher Künstlers kaum ausgeschlossen werden. Im Gewandschema des Selheim-Steines ging der Künstler keine innovativen Wege; gewisse, aber wohl zeitbedingte Ähnlichkeiten sind zu dem mittelrheinischen Gewandschema der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vorhanden.4)
Der seit 1391 in den Listen des Mainzer Viktorstiftes genannte und seit 1393 zur Stiftsgeistlichkeit von Mariengreden gehörende5) Johannes von Selheim ist in den Jahren zwischen 1400 und 1419 als Scholaster von St. Stephan in Mainz nachgewiesen, zugleich 1393 und 1400 in St. Johann in Amöneburg.6) Der Eberbacher Nekrologeintrag nennt ihn einen „fautor fidelis“ des Klosters, dem man ein ehrendes Andenken bewahrte.7)