Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 184 Nürnberg, German. Nationalmuseum (aus ehem. Kloster Tiefenthal) um 1430

Beschreibung

Altarantependium mit Spruchinschriften und Namen als Stifterinschrift. Bunte Seidenstickerei auf weißem Leinen. Bis 1803 in Kloster Tiefenthal, vom Museum 1976 aus Privatbesitz erworben.1) Triptychonartiger Aufbau: Zwischen vier Pfeiler sind drei aus floralen Elementen gebildete, mit Blüten und Krabben besetzte, dreiteilig gefüllte Kielbögen gespannt. Im Mittelpunkt des Tuches befindet sich die Auferstehungsszene. Christus verläßt das sarkophagähnliche, schräggestellte Grab, in der rechten Hand den Kreuzstab mit Siegesfahne haltend, die Linke zum Segensgestus erhoben, über ihm ein Schriftband mit Spruchinschrift (B), zu Füßen zwei schlafende Wächter. Szene von je einem Baum mit Vögeln flankiert, dazu Spruchbänder (C linker Vogel, D rechter Vogel). Zu Häupten Christi segnender Gottvater mit Schriftband (A). Auf der linken Seite stehender hl. Bernhard im Zisterzienserhabit mit Regelbuch und Abtsstab; aus seinem linken Ärmel schaut eine Nonne im Gebetsgestus mit Namensinschrift (E) auf gerolltem Schriftband hervor. Als Pendant dazu rechts die Standfigur der hl. Elisabeth mit weit ausgebreitetem Schutzmantel, darunter zwei anbetende Nonnen. Die Heilige trägt ein Kirchenmodell, über ihren Kopf halten zwei Engel eine edelsteinbesetzte Krone. Als unterer Abschluß ein Band mit Rundbogenfries. Außer in (D) sind alle Inschriftbänder in roter Farbe überstickt, (D) schwarz und feinstrichig.

Maße: H. 61,5, B. 122,5; L. Spruchbänder 15-20, Bu. 1,5-2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    exurge · gloria · mea2)

  2. B

    exurgam · diluculo2) ·

  3. C

    surrexit · d(omi)n(u)s · all(elui)aa,3) ·

  4. D

    · sicut · dixit · alleluia3) ·

  5. E

    katterina · de· altavilla

Übersetzung:

Erhebe dich, mein Ruhm (A). – Ich werde mich bei Tagesanbruch erheben (B). – Der Herr ist auferstanden, alleluja (C). – Wie er gesagt hat, alleluja (D). – Katharina von Eltville (E).

Kommentar

Den Schlüssel zur Datierung liefert der Name der Stifterin. Die mittelrheinische Gestaltungsart4) zeigende Stickerei entstand in der Regierungszeit der Tiefenthaler Äbtissin Katharina von Eltville. Von ihrer Hand haben sich Einträge in das Tiefenthaler Zins- und Lagerbuch mit dem Datum vom 15. Dezember 1426 erhalten.5) Derselben Quelle und anderen urkundlichen Belegen zufolge war ihre Amtsvorgängerin 1420 Else von Hohenstein,6) ihre Nachfolgerin 1436 eine Nonne namens Stille.7) Bei der mit diesem Zeitansatz zu vereinbarenden Minuskel ist u durch überschriebenen Punkt von n unterschieden. Als Worttrenner dienen kleine Quadrangel.

Die Mittelszene bietet den eigenen Themenkreis der Auferstehung. Die Darstellung des von den Zisterziensern als Ordensheiligen verehrten hl. Bernhard verweist auf die Entstehung und den Gebrauch des Antependiums in einem entsprechenden Kloster. Selten ist jedoch im Zisterzienserorden die bildliche Thematisierung der hl. Elisabeth. Ebenso ungewöhnlich ist die Verbindung dieser Heiligen mit dem üblicherweise der Gottesmutter vorbehaltenen Schutzmantelmotiv. Hintergrund für diese Darstellungsweise ist die lokale Elisabeth-Verehrung in Tiefenthal und in dessen Visitationskloster Eberbach. Eberbach besaß Reliquien der Heiligen und den ihr geweihten Altar im Nordseitenschiff der Klosterkirche; außerdem war Abt Raimund in ihren Kanonisationsprozeß eingeschaltet.8) In Tiefenthal wurde seit 1237 der Bußmantel der Heiligen aufbewahrt.9) Dieser besonderen Lokalsituation entsprach zugleich die bildliche Umsetzung der Schutzfunktion der Heiligen für das Nonnenkloster. Ihre Figur in enganliegendem Kleid, Schleier und weitem Mantel entspricht zwar den Marburger Beispielen des 15. Jahrhunderts, doch ist sie gegenüber diesen auf örtliche Verehrungskriterien bezogen: Elisabeth hält die Tiefenthaler Klosterkirche mit dem kleinen Dachreiter, die damit ebenso wie die unter ihrem Mantel hervorschauenden beiden Konventualinnen als Platzhalterinnen des gesamten Konventes ihrer besonderen Fürbitte unterstellt wurde. Gleiches gilt für den hl. Bernhard, mit dem die Stifterin in dem ikonographisch ungewöhnlichen Motiv des Aus-dem-Ärmel-Schauens verbunden ist.

Textkritischer Apparat

  1. Die hier von den anderen Inschriften abweichend in feinerer Struktur gestickte Inschrift ist unrestaurierter Originalbestand, lt. Hinweis von Frau Dr. Leonie von Wilckens an Frau Dr. Karen Stolleis, Kronberg, die Bearb. dies frdl.weise mitteilte.

Anmerkungen

  1. GNM Inv. Nr. Gew 4292.
  2. Ps. 107,3.
  3. Mt. 28,6.
  4. Vgl. überblicksartig v. Wilckens, Künste.
  5. HHStAW 87/396, Zins- und Lagerbuch, fol. 3v: „wir katheryna eptissen und der ganz conuent deß closterß“.
  6. HHStAW 87/92 zu 1420 August 22.
  7. HHStAW 87/396, Zins- und Lagerbuch, fol. 2, 3r. Sie war möglicherweise noch 1444 im Amt, vgl. ebd. fol. 3r; als Nachfolgerin wird zum 21. Februar 1448 Äbtissin Grete erwähnt und im gleichen Jahr noch Äbtissin Adelheid (Alheit), s. ebd. fol. 4r.
  8. Vgl. Geibig, Elisabeth 187-192 zum Zusammenhang Eberbachs mit der hl. Elisabeth.
  9. Kdm. 285, seit der Auflösung Tiefenthals 1803 ist die Mantelreliquie in Oberwalluf.

Nachweise

  1. Leonie von Wilckens, Das Tiefenthaler Altarantependium. In: Anzeiger Germ. Nationalmus. Jg. 1977, 139f. mit Abb. 3.
  2. v. Wilckens, Künste 244 mit Abb. 276.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 184 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0018405.