Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 154a Wiesbaden, Kath. Pfarrkirche St. Hedwig (aus ehem. Kloster Tiefenthal) 14.Jh.

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Bibelspruch auf Glocke. Die kleine, bis auf die auf dem Hals einzeilig zwischen Doppelstegen umlaufende Inschrift schmucklose Glocke wurde 1803 der reformierten Gemeinde in Wiesbaden zugewiesen.1) Sie gelangte nach einer Zwischenlagerung gemeinsam mit Glocken aus dem ehemaligen Kloster Bornhofen2) in die 1844-49 neuerbaute Bonifatiuskirche in Wiesbaden.3) Von dort wurde die Glocke erst 1974 in die Pfarrkirche St. Hedwig als Dauerleihgabe abgegeben.4) Seit dieser Zeit hängt sie in ca. 10 m Höhe frei in einer modernen Betonkonstruktion. Buchstaben teilweise durch Guß zerdrückt und abgeschliffen.

Maße: H. o. Krone ca. 60, Dm. 60, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/2]

  1. + AVE · MARIA · GRACIA · PLENA · DOMINVS5) · OSANNAa) · INa) · EXCEL/SISb) ·

Kommentar

Die Inschrift zeigt ein symmetrisches, schwach trapezförmiges A mit gebrochenem Mittelbalken und beidseitig überstehendem Deckbalken, I mit Nodus, unziales, links geschlossenes M und spitzes N. Spiegelverkehrt wurden G, N und S angebracht. Die kräftigen Abschlußstriche von C und E sind weit nach rechts umgebogen. Erhabene Punkte bilden die Worttrenner. Alle diese Merkmale deuten auf eine Entstehung gegen die Mitte des Jahrhunderts hin.

Der Engelsgruß begegnet auf Glocken seit dem 13. Jahrhundert,6) im Bearbeitungsgebiet auch in verkürzter Form in verschiedenen Stadien (Nrr. 34, 123, 236, 267, 309, 323, 386). Der zweite Teil der Inschrift ist Bestandteil der Präfationen vor dem Meßopfer.7)

Textkritischer Apparat

  1. Ein N wie kapitales H gebildet.
  2. SIS oberhalb des Doppelsteges hochgestellt, S spiegelverkehrt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Acta Commissionis 6: Gesuch der Wiesbadener Pfarrei vom 26. Januar; ebd. 12 Zuweisung der „kleinen Glocke“ per Resolution vom 1. Februar 1803.
  2. Vgl. Anton Heinrich Meuer, Wie die Glocken von Bornhofen nach Wiesbaden kamen. Ein 500jähriges Glockenjubiläum der St. Bonifatiuskirche. In: Nass. Heimat 10 (1930) 73f.
  3. Vgl. zur Bonifatiuskirche Wolf-Heino Struck, Wiesbaden im Biedermeier. Wiesbaden 1981 (Gesch. d. Stadt Wiesbaden. 5.) 191-195; Walter Czysz, Katholische Stadtpfarrkirche St. Bonifatius Wiesbaden. München 1992 (Kl. Kunstführer. 1893.) passim.
  4. Frdl. Hinweis von Frau von Uslar, Pfarramt St. Bonifatius, Wiesbaden, und Mitteilungen der Herren Jakob Münch und Pfarrer a.D. Norbert Weber, Wiesbaden, vom 1. März 1995, vgl. auch Pfarrchronik von St. Hedwig, Jg. 1974, o.S. ohne Inschriftzitat.
  5. Lc 1,28 (teilw.).
  6. Vgl. Beispiele bei Walter 174-176.
  7. Vgl. Schott, Meßbuch 460, 483ff.
Addenda & Corrigenda (Stand: 28. September 2021):

Hinweis zur Datierung: Wegen der breiten Proportion, den Abschlussstrichen und den mäßigen Schwellungen sowie der Verwendung des symmetrischen A mit beidseitig überstehendem Deckbalken und geknicktem Mittelbalken, dem I mit ringförmigem Nodus und dem retrograden überbreiten N wird man die Glocke spätestens in erste Viertel des 14. Jahrhunderts datieren müssen.
Hinweis zu Anm. 5: Es handelt sich nicht um ein Bibelzitat, sondern um den Beginn des Ave Maria, das von der Lukasstelle abgeleitet ist.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 154a (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k00154a0.