Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 113 Erbach, Kath. Pfarrkirche St. Markus 1377

Hinweis zu Anm. 1. Das Relief des segnenden Bischofs wurde entdeckt und von Frau Doris Moos (Freundeskreis Kloster Eberbach e.V.) fotografisch nachgewiesen. Es stimmt überein mit einer älteren Reproduktion, siehe Wikimedia Commons (Aufruf am 7.4.2022).

Beschreibung

Namens- und Meisterinschrift mit Gußdatum auf Glocke. Umlaufende, einzeilige Inschrift auf der Schulter zwischen zwei weit auseinander stehenden Kordelstegen. Ein Kreuzigungsrelief1) ist in Form eines Medaillons in die Inschrift integriert, sonst schmucklos. Gewicht ca. 1150 kg, Schlagton fis‘.2)

Maße: H. m. Krone 122, Dm. 120, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/1]

  1. anna · mater · marie · p(er) · manvsa) · ioh(ann)is de francfor(dia)b) anno · d(omi)ni · moc) · tricentesimo · lxxvii · in · die · b(ea)ti · egidii · fvndatad) · p(..) (et) o(..)e) ·

Übersetzung:

Anna, Mutter Mariens. Von der Hand des Johann von Frankfurt gegossen im Jahre des Herrn 1377, am Tag des hl. Egidius (1. September).

Kommentar

Die Annenglocke, die am selben Tage wie die kleinere Evangelistenglocke (folgende Nr.) in Erbach gegossen wurde, zeigt eine leicht wackelig ausgeführte Minuskelschrift mit Worttrennern aus kleinen, oben und unten mit Zierhäkchen versehenen Quadrangeln im Wechsel mit sechsstrahligen Sternchen beim Datum nach tricentesimo. Auffallend sind die y-förmige Unterlänge beim v, die Verzierungen am t mit hochgebogenem Balken und das a mit breiten Hasten. Die Kürzung p (et) o läßt sich auf anderen Glocken von der Hand des Gießers nicht nachweisen.

Von 1354 datiert die Nennung des Meisters Johann als Hennekin Kannengießer im Frankfurter Bedebuch.3) Nach seinem Bürgereid 1361 und dem Eintrag ins Bedebuch als Johann Glockengießer 1362 war er 1374 in Friedberg, 1377 in Frankfurt und Erbach, 1379 in Boppard, 1384 in Oberingelheim, um 1384 in Dieburg und 1389 in Kiedrich (Nr. 130) als Gießer tätig.4) Die Künstlersignatur ist hier lateinisch abgefaßt, während er üblicherweise als Meister Iohan von Franckenfort5) und als Meister Hans zu Frankfurt6) signierte. Der Glockenname steht nicht in Beziehung zu einem Annenaltar, da die Kirche keinen solchen besaß.7) Die Anrufung der Heiligen als Patronin ist für viele Anliegen belegbar,8) wobei ihre Funktion als Schutzpatronin vor Gewitter und Krankheiten sowie als Patronin der Sterbenden und Toten gut mit den apotropäischen Funktionen des Glockenklanges in Verbindung gebracht werden kann.

Textkritischer Apparat

  1. Ein y-ähnliches v.
  2. Hier folgt das Kreuzigungsrelief.
  3. Statt des hochgestellten, kleinen o wurde eine auf der Spitze stehende Raute verwendet.
  4. y-ähnliches v; Luthmer (1921) fundato.
  5. Auflösungsvorschlag Luthmer p(io) z(elo) o(mnium); sollte es sich nicht um einen Fehlguß für a(lpha) (et) o(mega) handeln, wäre an eine Fürbitte p(recare) (et) o(ra) o.ä. zu denken. Zwischen p und o steht jedenfalls ein gekürztes et in Form eines z mit Haken durch die Haste. Das gleiche Zeichen findet sich auf der Bleidenstadter Glocke von 1411, vgl. Nr. 169.

Anmerkungen

  1. Luthmer (1921) 68 mit Abb. 66 nennt das Glockenrelief eines segnenden Bischofs mit zwei knienden Donatoren, was jedoch auf der Glocke nicht nachzuweisen ist.
  2. Angaben nach Dateiblatt der Glockenkartei Limburg vom 12.7.1985.
  3. Bund, Frankfurter Glockengießer 160.
  4. Ebd. 162.
  5. So auf der Ave-Glocke in der Severikirche zu Boppard, vgl. Bund 162.
  6. Auf der vor 1818 umgegossenen Marienglocke der Dreikönigskirche in Frankfurt-Sachsenhausen, vgl. ebd.
  7. Zu den drei Altären vgl. Zaun, Landkapitel 152.
  8. Zur hl. Anna vgl. LCI 5 Sp. 168-184; vgl. auch Dörfler-Dierken zu spätmittelalterlicher Anna-Verehrung.

Nachweise

  1. Zaun, Landkapitel 135.
  2. Lotz (1880) 109.
  3. Luthmer (1902) 175.
  4. Falk, Marienverehrung 103.
  5. Luthmer (1921) 68.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 113 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0011308.