Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 42 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1354

Beschreibung

Glocke. Glockenstuhl, dritte Glocke von Osten. Große, gut erhaltene, sonst schmucklose Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift zwischen Kordelstegen. Gewicht ca. 2600 kg, Schlagton dis'1).

Maße: H. ca. 120, Dm. 155, Bu. 3-5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Bild zur Katalognummer 42: Oberer Teil einer gut erhaltenen Marienglocke

Thomas G. Tempel (ADW) [1/1]

  1. + IN · DEI · NO(M)I(N)E · AMEN2) · ANNO · D(OMI)NI · Mo · CCCo · LIIIIoa) · AVE · GLORIOSAb) · VIRGO · MARIA · GR(ACI)A · PLENA · D(OMI)N(V)Sb) · TECVM · BENEc)3)

Übersetzung:

In Gottes Namen Amen. Im Jahr des Herrn 1354. Gegrüßt seist Du glorreiche Jungfrau Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir.

Kommentar

Die in der Größe stark variierenden, kunstvoll ausgeführten Majuskeln erhielten durch eine Kante in den Modeln eine den Konturen folgende Zierlinie, die ihrerseits zum Teil an den Innenseiten von Bögen von Punkten oder Dreiecken begleitet wird. Zusammen mit den spitz zulaufend ausgeführten Schwellungen entsteht insgesamt ein unruhiger, eckiger Eindruck. Einzelne Buchstaben variieren und sind gelegentlich höchst eigenwillig gestaltet: A erscheint sowohl in vollrund pseudounzialer Form ohne gebogenen Deckbalken als auch spitz zulaufend mit weit überstehendem Deck- und geknicktem Mittelbalken. Daneben steht symmetrisch unziales, unten gerade geschlossenes M mit spitz zulaufendem Oberteil und mit Punkten verziertem Mittelschaft sowie O mit spitz ausgezogener Bogenschwellung und ovaler, mit zwei senkrecht angeordneten Zierpunkten geschmückter Innenkontur. Als Worttrenner dienen halbkugelige Punkte.

Bei der vorliegenden Glocke handelt es sich um die größte des mittelalterlichen Fünfergeläutes von Liebfrauen, die vermutlich anläßlich der kurz nach 1351 datierten (vorläufigen) Fertigstellung des Westturmes von einem unbekannten Meister gegossen wurde. Wie bei der ältesten und auch den beiden jüngsten Glocke4) könnte der hier ebenfalls verwendete Mariengruß mit dem Patrozinium der Kirche zusammenhängen.

Textkritischer Apparat

  1. MCCCLIII Lehfeldt (und ihm folgend Schwarz).
  2. S retrograd.
  3. N besteht nur aus zwei zueinander gewendeten Bögen.

Anmerkungen

  1. Angaben nach Sebastian Schritt, Glockensachverständiger in Trier, Klanganalyse vom 25. Januar 2001.
  2. Invokation nach liturgischen Texten bzw. nach Mk 11,10.
  3. Nach Lk 1,28 mit BENE[DICTA TU IN MULIERIBUS] zu ergänzen; GLORIOSA VIRGO MARIA sind bibelfremde zeitgenössische Zusätze mit Anklängen an das Ave Maria.
  4. Vgl. Nrr. 19, 61 und 62.

Nachweise

  1. NN., Liebfrauenkirche 49.
  2. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 616.
  3. Schwarz, Chronik 29.
  4. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 361 mit Abb. 230.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 42 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0004201.