Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 29 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1336

Beschreibung

Deckplatte eines Hochgrabes des Dekans Johannes, innen in die Südwand des südlichen Nebenchors eingelassen. Große Platte aus weiß-gelbem Sandstein mit entgegen dem Uhrzeigersinn verlaufender Umschrift auf nach außen abgeschrägten Leisten. Im durch zwei umlaufende Linien gefaßten, architektur- und wappenlosen Feld reliefierte Figur des Verstorbenen in priesterlichem Gewand (Albe, Stola, Kasel, Manipel) mit gefalteten Händen. Die Oberfläche der Figur abgewittert und leicht bestoßen; untere Leiste schwach, obere stark beschädigt, zudem grob verputzt.

Erg. nach Lehfeldt.

Maße: H. 210, B. 100, Bu. 7,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Bild zur Katalognummer 29: Deckplatte eines Hochgrabes des Dekans Johannes

Heinz Straeter (GDKE Denkmalpflege) [1/2]

Bild zur Katalognummer 29: Unterer Teil der Deckplatte eines Hochgrabes des Dekans Johannes
  1. [AN]NOa) · D(OMI)NI · M · CCC · XXXVI · Xo · KAL(ENDAS) / IAN(VARII) · O(BIIT) · IOH(ANNES) · DEC/AN(VS) · H(VIVS) · ECC(LESI)E · C(VIVS) · A(N)I(M)A · REQVIESCAT · I(N) · PA[CE]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1336, am 10. Tag vor den Kalenden des Januar (23. Dezember) starb Johannes, Dekan dieser Kirche. Seine Seele möge in Frieden ruhen.

Kommentar

Die fast quadratisch ausgeführten Buchstaben erhalten einen äußerst dekorativen Charakter durch die Füllung mit einer großteils noch erhaltenen, glattgestrichenen schwärzlichen Masse1) und sind daher - entgegen der sonst üblichen Praxis - nur sehr flach ausgehauen und unten aufgerauht. Als Worttrenner dienen Quadrangeln. Durch die besondere Gestaltung der Platte mit der von außen im Umgehen zu lesenden Inschrift ist eine Konzeption als Hochgrab mit gerader oberer Leiste und verlorenem Unterbau anzunehmen.

Johannes ist erstmals 1290 in seinem Amt als Dekan des damaligen Liebfrauenstiftes nachweisbar2). Da die Stiftskirche zugleich als Pfarrkirche eines größeren Einzugsgebietes diente, muß es sich - laut den Statuten - zumindest bei dem Dekan um einen Priester handeln. Unter Johannes' Leitung wurde im Jahr 13083) mit dem Neubau der heutigen Kirche begonnen; dies mag die hervorgehobene Gestaltung seines Grabdenkmal erklären. Das Hochgrab eröffnet die lange Reihe der noch erhaltenen Grabdenkmäler von Stiftsherren und Laien in der Liebfrauenkirche4); zugleich ist damit ein klares Anzeichen für die liturgische Nutzung des 1331 geweihten, aber erst 1386/89 eingewölbten Chorbereichs gegeben.

Inwieweit die Platte als "unbedeutendes Werk"5) einer Nachfolger-Gruppe der erstmals von Suckale so bezeichneten "Rheinpfälzischen Werkstätten" aufgefaßt werden kann, die Mitte der 30er Jahre den Oberweseler Lettner6) erbaut haben sollen, muß der kunsthistorischen Diskussion überlassen bleiben. Offensichtlich ist jedenfalls der stilistische Zusammenhang mit der Grabplatte des 1340 verstorbenen und in Oberwesel begrabenen Speyrer Domdekans Hartmann von Landsberg7).

Textkritischer Apparat

  1. Der Text könnte in der Mitte der beschädigten und grob verputzten oberen Leiste begonnen haben. Da jedoch von den Kopisten der Inschrift übereinstimmend nur zwei fehlende Buchstaben je Längsleiste überliefert werden und an diesen Stellen keine Kürzungszeichen auszumachen sind, ist eher davon auszugehen, daß die Grabplatte ursprünglich etwas länger war. Gegen die Behauptung bei Kdm. dürfte die obere Leiste somit unbeschriftet und mit einem geraden Abschluß versehen gewesen sein, damit das Grabmal als waagerechtes Hochgrab mit dieser Seite voran an der Innenwand des südlichen Nebenchors aufgestellt werden konnte.

Anmerkungen

  1. Vergleichbarer Befund auf der Grabplatte eines ebenfalls in Liebfrauen begrabenen Stiftsherrn (Nr. 30), auf der des Dekans Hartmann (Nr. 33) und auf der fragmentarischen Deckplatte eines Hochgrabes (Nr. 35); vgl. zur Verbreitung und zur Zusammensetzung dieser Füllmasse Einleitung Kap. 5.2.
  2. Vgl. dazu Pauly, Stifte 368. - Die Dekane des Liebfrauenstiftes wurden - bis zur Änderung der Statuten durch Erzbischof Balduin von Trier 1339 - vom zuständigen Archidiakon in Karden/Mosel ernannt.
  3. Vgl. dazu Nr. 27.
  4. Vermutlich diente der südliche Seitenchor den Stiftsherren als Begräbnisplatz; vgl. den Hinweis bei NN.
  5. Suckale 102.
  6. Vgl. dazu ausführlich Nr. 37.
  7. Vgl. Nr. 33.

Nachweise

  1. NN., Liebfrauenkirche 9.
  2. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 612.
  3. Campignier, Liebfrauen- und St. Martinsstift 46 (übers.).
  4. Suckale, Hofkunst 261 mit Abb. 195.
  5. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 318 mit Abb. 191.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 29 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0002905.