Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 17 Boppard, Kath. Pfarrkirche St. Severus 1249

Beschreibung

Glocke, sogenannte Mittagsglocke. Glockenstuhl im Südturm, östliche Glocke im unteren Geschoß. Große Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift zwischen doppelten Rundstegen. Gewicht ca. 1300 kg, Schlagton f'1).

Maße: H. ca. 110, Dm. 128, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Bild zur Katalognummer 17: Reproduktion der sogenannten Bopparder Mittagsglocke

Reproduktion: Renard, Glocken, S. 8 [1/2]

Bild zur Katalognummer 17: sogenannte Mittagsglocke
  1. + MILLENVS · DVCENTENVS · QVOQVE · SEPTIMVS · ANNVS · SEPTENVSa) · FIERI · ME · FECIT · HONORE · SEVERIb)

Übersetzung:

Im zwölfhundertsten und sieben mal siebten Jahr hat man mich zur Ehre des (hl.) Severus machen lassen.

Versmaß: Zwei leoninische Hexameter, der erste einsilbig, der zweite zweisilbig rein gereimt.

Kommentar

Die offenbar bereits aus Modeln gewonnenen Buchstaben sind mit leichter Bogenschwellung sowie kräftiger Schaftverbreiterung ausgeführt und zeigen damit typische Kennzeichen der gotischen Majuskel. Zudem erscheinen neben den kapitalen zahlreiche gerundete Formen wie unziales E, rundes F, unziales H, gebogenes L, symmetrisch unziales M und rundes N. Die Buchstaben sind offensichtlich noch nicht bewußt durch einen Abschlußstrich geschlossen, die so wirkenden Formen bei E und rundem F dürften eher auf das gegenseitige Berühren der keilförmig verbreiterten Buchstabenenden zurückzuführen sein. Zierformen zeigen sich mit dem perlenbesetzten Mittelschaft bei M und dem Nodus bei I. Als Worttrenner dienen Punkte.

Der kompliziert gereimte Glockenspruch dürfte auf den Einfluß der Kanoniker von St. Severus zurückzuführen sein. Die offenbar älteste datierte und erhaltene Glocke im Rheinland2) ist die zweitälteste Bopparder Glocke3) und Teil des Geläutes von fünf mittelalterlichen Glocken in St. Severus4). Auch die kunstvolle Gestaltung der Jahreszahlen in Form von Hexametern auf Glocken ist früh und erst wieder auf einer Glocke von 1313 nachweisbar5).

Textkritischer Apparat

  1. Milenus ducentenus quederus septenus Schlad; Millenus ducentenus quadragesimus septenus Rhein. Antiquarius (beide mit der daraus abgeleiteten Datierung 1247), dem folgen Lehfeldt und Pauly; Renard und Kubach/Verbeek lösen zu 1277 auf.
  2. Folgt ein zeilengroßes, wohl aus Wachsfäden geformtes Doppelspiralenkreuz.

Anmerkungen

  1. Angaben nach Sebastian Schritt, Glockensachverständiger in Trier, Klanganalyse vom 25. Januar 2001.
  2. Freundlicher Hinweis von Herrn Jörg Poettgen, Overath, vom 28. Dezember 2002
  3. Bei der ältesten, der sogenannten Sterbeglocke, handelt es sich um eine inschriftlose kleine Glocke, die wohl in die 1. H. des 13. Jh. zu datieren ist; vgl. dazu Kdm. 258.
  4. Vgl. Nrr. 49, 50, 70.
  5. Freundlicher Hinweis von Herrn Jörg Poettgen, Overath, vom 3. Februar 2003.

Nachweise

  1. Brouwer/Masen, Metropolis 1, 278.
  2. Schlad, Chronick 1, o. P.
  3. Rhein. Antiquarius II 5, 470.
  4. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 579.
  5. Renard, Glocken, Abb. 8, teilw. Nachzeichnung.
  6. Kubach/Verbeek, Denkmälerinventar I 88.
  7. Pauly, Stifte 16.
  8. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 259 mit Abb. 153, maßstabsgerechte Umzeichnung von A. Bertram.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 17 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0001700.