Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 290 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1608

Beschreibung

Epitaph für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel, eingelassen in die dafür vorbereitete Nordwand des nördlichen Seitenchors, daher wohl noch am originalen Standort. Zweigeschossige Ädikula aus gelbem Sandstein mit Fassungsresten. In einer Muschelnische steht die nahezu vollplastische Figur des Verstorbenen, gerahmt von zwei Pilastern mit jeweils vier (heute zum Teil fehlenden) Wappen mit Beischriften (C). Im Obergeschoß befindet sich zwischen Schlangenvoluten (die rechte fehlt) eine querrechteckige Schiefertafel mit der zehnzeiligen Inschrift (A). Im giebelartigen Aufsatz ist ein schweifwerkgerahmter Bronzetondo mit dem Brustbild einer betenden Frau mit Schleier angebracht. Der Verstorbene ist breitbeinig in Prunkrüstung mit Pluderhosen und Halskrause dargestellt, die Rechte in die Seite gestützt, in der Linken ehemals Schwert oder Stab, zwischen den Füßen der offene Helm. Sein Gesicht hat Porträtcharakter und ist farbig gefaßt. Im Sockel eine Rollwerkkartusche mit der dreizeiligen, in scriptura continua ausgeführten Fürbitte (B). Das Denkmal wird teilweise nur noch durch Draht zusammengehalten, es fehlen die linke Hand, das unterste Wappen auf der Vater- und alle Wappen auf der Mutterseite.

Maße: H. 365, B. 150, Bu. 3 (B, C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis, farbig gefaßt.

Bild zur Katalognummer 290: Epitaph für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel,

Thomas G. Tempel (ADW) [1/7]

Bild zur Katalognummer 290: Sockel mit Rollwerkkartusche des Epitaphs für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel Bild zur Katalognummer 290: Linkes unteres Wappen des Epitaph für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel Bild zur Katalognummer 290: Wappen der linken Seite des Epitaphs für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel Bild zur Katalognummer 290: Wappenbeischrift auf der rechten Seite des Epitaphs für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel Bild zur Katalognummer 290: Wappenbeischrift auf der rechten Seite des Epitaphs für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel Bild zur Katalognummer 290: Wappenbeischrift auf der rechten Seite des Epitaphs für Simon Rudolf von Schönburg auf Wesel
  1. A

    AN(N)O PARTAE SALVTIS M. D. C. VIII AETATIS / SVAE LVI AD DIEM XVI. IANVARŸ IN ARCE SVA / MONTQVENTIN NATVRAE CONCESSIT DEO CESSIT NOBILISa) / DOMINVS SIMON RVDOLPHVS A SCHÖNBVRG FRIDERICI / EX FRIDERICO NEPOS DOMINVS IN CHINERI SAVLCI / MONTIGNI MONTQVENTIN (ET) CE(TERA)b) LIBERORVMc) XI. E MAGDA/LENA · A · NAVES NOBILIc) CONIVGId) SVSCEPTORVM PARENS / CORPVS EXANIME PARENTIS OPT(IMI) CONIVX MOESTISS(IMA) / LIBERIQVEc) PŸSSIMI SOLVTIS IVSTIS MOERENTES / WESALIAM TRANSTVLERVNT

  2. B

    ANIMA EIVS IN BONIS / DEMORABITVR CARO EIVS / REQVIESCAT IN SPE

  3. C
    SCHONEBVRG [FRANKENSTEIN]1) 
    LANGELEN  STERNEFELS2) 
    WALBRVN BOCKLEIN AVS DEM / ETHINGER DAL2) 
    GRORODT ANGELLOCH2) 

Übersetzung:

(A) Im Jahr der Geburt des Heils 1608, am 16. Januar, im Alter von 56 Jahren auf seiner Burg Mont-Quintin wich der Natur und fügte sich Gott der edle Herr Simon Rudolf von Schönburg, durch Friedrich (den Jüngeren) Friedrichs (des Älteren) Enkel, Herr auf Chinnery, Sancy, Montigny und Mont-Quintin (usw.). Er war Vater von elf Kindern, geboren von seiner edlen Gemahlin Magdalena von Naves. Den entseelten Leib des überaus guten Vaters haben die tiefbetrübte Gattin und die dankbarsten Kinder unter Erweisung der letzten Ehre voller Trauer nach Wesel überführen lassen. - (B) Seine Seele wird unter den Auserwählten verweilen, sein Leib möge in der Hoffnung (auf Auferstehung) ruhen.

Wappen:
Schönburg auf Wesel (Stamm IIb)[Frankenstein]
Langeln[Sternenfels]
Wallbrunn[Böcklin vom Eutingertal]
Grorod[Angeloch

Kommentar

Die schwarz auf blauem Grund gefaßte, mit erhöhten Versalien und zahlreichen Ligaturen versehene Kapitalis weist neben den zeitgenössisch üblichen auch spezielle Formen wie A mit hochgezogenem rechtem Schaft und rundbogigem Anschluß des linken auf. Worttrenner fehlen fast gänzlich.

Simon Rudolf3) war das einzige überlebende Kind aus der Ehe Friedrichs des Jüngeren von Schönburg auf Wesel mit Clara4), Tochter Georgs von Frankenstein5) und dessen Frau Clara von Sternenfels. Die Wappen auf der rechten Seite des Epitaphs beziehen sich somit auf die mütterlichen Vorfahren6) des Verstorbenen und nicht auf diejenigen seiner Ehefrau Anna von Naves. Durch die zu unbekanntem Zeitpunkt erfolgte Heirat dieser Tochter aus der Ehe des luxemburgischen Adeligen Johann II. von Naves7) mit Magdalena von Schauenburg gelangte Simon Rudolf in den (Mit)Besitz der dortigen Burgen Chinnery, Sancy, Montigny und Mont-Quintin und nahm wohl auf letzterer Burg seinen Wohnsitz. Der ausdrückliche Hinweis auf die feierliche Überführung seines Leichnams von Luxemburg nach Oberwesel spiegelt die Bedeutung wider, die der Familiengrablege im nördlichen Chor der Liebfrauenkirche beigemessen wurde. Möglicherweise hängt diese Hochschätzung auch mit genealogisch-konfessionellen Gründen zusammmen: Da Simon Rudolf der einzige Nachkomme Friedrichs des Jüngeren, des Begründers der katholischen Linie der Schönburger war, blieb durch seine Beisetzung in der Familiengruft die seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts nachweisbare, für die katholische Linie in Anspruch genommene Kontinuität8) gewahrt. Zudem plazierte man das Epitaph Simon Rudolfs wohl nicht ohne Absicht genau gegenüber dem seines bedeutenden Großvaters9). Dabei wurde dessen Grabdenkmal - trotz eines zeitlichen Abstandes von über 50 Jahren - ganz offensichtlich architektonisch nachgeahmt und auch noch in der Inschrift auf die Verwandtschaft Bezug genommen.

Von den inschriftlich genannten elf Kindern dieser Ehe sind nur sechs bzw. sieben namentlich bekannt, von denen zumindest der bislang unbekannte Peter Ernst10) und der früh auf Montigny verstorbene und nach Oberwesel überführte Heinrich Eberhard11) ebenfalls in der Familiengruft beigesetzt wurden. Da die Grabinschrift der Ehefrau Simon Rudolfs erst anläßlich ihres Todes 1627 auf der mit dem gemeinsamen Wappen versehenen Grabplatte12) nachgetragen wurde, dürfte auch sie in der Familiengruft bestattet worden sein.

Aufgrund der weitgehenden Identität der Schriftformen und der stilistischen Ähnlichkeiten mit den Grabdenkmälern für Johann Friedrich13) und Heinrich Eberhard von Schönburg auf Wesel dürfte das schon früh gerühmte14) Epitaph in derselben unbekannten Werkstatt hergestellt worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. IS klein hochgestellt.
  2. E klein.
  3. I dem L klein eingestellt.
  4. Sic!

Anmerkungen

  1. Wappen und Beischrift fehlen, Umrisse und Dübellöcher sind noch erkennbar.
  2. Wappen fehlt, Beischrift vorhanden.
  3. Vgl. zum Folgenden Möller, Stammtafeln AF I Taf. 35.
  4. Sie wurde nach ihrem Tod in der evang. Stiftskirche zu St. Goar beigesetzt; vgl. zu ihrem fragmentarisch erhaltenen Epitaph Nr. 246.
  5. Vgl. zu seinem Epitaph DI 49 (Stadt Darmstadt, Lkrse. Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau) Nr. 162.
  6. Vgl. dazu Möller, Stammtafeln AF I Taf. 27. - Bei den (offensichtlich in vertauschter Reihenfolge angebrachten) Wappen Angeloch bzw. Böcklein vom Eutingertal handelt es sich um diejenigen seiner Großmutter bzw. Urgroßmutter mütterlicherseits.
  7. Vgl. dazu und zum Folgenden Neyen, Biographie II 7-9 und Hasenclever, Naves 281-287. - Das ursprünglich aus Belgien stammende Geschlecht ist wohl seit Ende des 15. Jh. im Luxemburgischen nachweisbar. Durch den Reichsvizekanzler Johann (I.) von Naves und seinen Bruder Nikolaus, Präsidenten des Luxemburger Provinzialrates und Vater Johanns II. gelangte es in der 1. H. des 16. Jh. zu großer Bedeutung. Johann II. selbst war Mitglied der Ständeversammlung in Brüssel und stand als Proviantmeister ebenfalls in spanisch-habsburgischen Diensten.
  8. Dies war wohl umso dringender, als die Nachkommen seines 1596 verstorbenen und in Bacharach begrabenen Onkels Meinhard, des Begründers der protestantischen Linie, im Besitz der Stammburg Schönburg waren. - Der weiterhin im Luxemburgischen ansässige katholische Zweig der Schönburger erlosch mit dem 1682 verstorbenen Emanuel Maximilian, dem Enkel Simon Rudolfs.
  9. Vgl. Nr. 204.
  10. Vgl. Nr. 289.
  11. Vgl. Nr. 284.
  12. Vgl. Nr. 345.
  13. Vgl. Nr. 283.
  14. "Ungemein glückliche Lebendigkeit, sehr trefflicher Porträtstyl", so Kugler, Kleine Schriften 281.

Nachweise

  1. NN., Liebfrauenkirche 26.
  2. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 611f.
  3. Campignier, Rundgang 50f. (übers.).
  4. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 338f. mit Abb. 198.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 290 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0029000.