Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 113† Boppard, ehem. Benediktinerinnen-Kloster Marienberg 1493

Beschreibung

Tragaltar bzw. konsekrierter Altarstein, von d`Hame im Jahr 1773 in schematischer Nachzeichnung überliefert, seit unbekannter Zeit verschollen. Vermutlich annähernd quadratische Platte aus Stein mit Umschrift zwischen Linien, in der Mitte des Feldes ein Weihekreuzchen, vier weitere in den Ecken.

Nach d'Hame (Nachzeichnung).

  1. · Anno milleno c quatera) trino nonageno consecrat antistes Trevirensis rite Iohannes praesens portatile sub dominica iubilate in laudem sanctae Annae Andreae Gregoriique quorum reliquiae sunt in hoc lapide clausae

Übersetzung:

Im Jahr 1493 ist der gegenwärtige Tragaltar feierlich geweiht worden durch den trierischen Bischof Johannes am Sonntag Jubilate (28. April) zu Ehren der Heiligen Anna, Andreas und Gregor, deren Reliquien in diesem Stein eingeschlossen sind.

Versmaß: Zwei Hexameter.

Kommentar

Bei einem Tragaltar dieser Art1) handelte es sich nicht um einen tragbaren Haus- oder Reisealtar (Kastenportatile), vielmehr um einen konsekrierten, mit Weihekreuzchen bezeichneten tafelförmigen Altarstein (Tafelportatile), der als Ersatz für einen geweihten Altar auf einen beliebigen Tisch zu legen war, um dann die heilige Messe feiern zu können. Allerdings war der Gebrauch tragbarer Altäre päpstlich bzw. bischöflich privilegiert und in der Regel nur in besonderen Fällen und nur für einen begrenzten Zeitraum gestattet, etwa in Kriegs- oder Notzeiten. Bei dem Konsekrator des bislang unbeachteten Marienberger Tragaltars2) handelte es sich um den Trierer Erzbischof Johann II. von Baden, der sich Ende April 1493 in seiner Nebenresidenz Ehrenbreitstein bei Koblenz aufhielt3). Offen bleibt, ob die Verleihung des Altars an das unweit gelegene Kloster Marienberg bereits mit dem wenige Jahre späteren Bopparder Krieg4) zu tun gehabt haben könnte, in dem das Kloster als Standort der gegen die aufrührerische Stadt gerichteten trierischen Geschütze diente.

Über hundert Jahre später wurde dem Kloster Marienberg die Benutzung des Tragaltars erneut gestattet. In einer in Wittlich am 20. Februar 1596 "more Treverensi" (20. Februar 1597) vom Trierer Erzbischof Johann von Schöneberg ausgestellten Urkunde5) werden die genaueren Umstände mitgeteilt: Der Konvent erhält den Altar für den Fall, daß er wegen der gegenwärtig grassierenden Pest gezwungen sein könnte, das Kloster verlassen zu müssen und dann die "sacrificium missa ... auf dem Lapide portatili ... zelebriren" zu können. Offensichtlich bewogen diese Quelle sowie die Namensgleichheit beider Erzbischöfe den knapp 200 Jahre später tätigen Überlieferer der Urkunde und der Inschrift dazu, Johann von Schöneberg irrtümlich auch als Stifter und Konsekrator des Altars zu bezeichnen6).

Textkritischer Apparat

  1. d'Hame überliefert in der Nachzeichnung C quater (100 x 4) mit anschließendem klein hochgestellten c (4 x 100). Da beide Varianten zwar prosodisch unbefriedigend aber möglich sind, es sich hier jedoch nur um die aus hexametrisch einigermaßen stimmigen Zahlworten gebildete Jahreszahl 1493 handeln kann, muß entweder ein (eher unwahrscheinlicher) Fehler im Original vorgelegen haben oder ein textlicher Eingriff des Kopisten erfolgt sein. Weil aber d'Hame offensichtlich der Meinung war, der Altarstein sei erst 1597 von Erzbischof Johann von Schöneberg geweiht und dem Kloster gegeben worden (s. dazu den Kommentar), könnte er mit der Hinzufügung des zweiten kleinen c die Jahreszahl verbessert haben, um wenigstens in das seiner Meinung nach richtige Jahrzehnt des 16. Jahrhundert zu kommen.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu ausführlich Braun, Altar 1, 75ff. und 444ff.
  2. Nicht verzeichnet bei Budde, Altare portatile; freundlicher Hinweis meines Kollegen Dr. Rüdiger Fuchs.
  3. Vgl. dazu Kerber, Herrschaftsmittelpunkte 339.
  4. Vgl. dazu ausführlich Nr. 118.
  5. Vgl. dazu und zum Folgenden d'Hame 525 mit Überlieferung der Urkunde.
  6. "datus a Joanne de Schönberg"; vgl. dazu oben Anm. a).

Nachweise

  1. d'Hame, Confluvium I 2, nach S. 526 (Nachzeichnung).

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 113† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0011304.