Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 78 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau um 1450
Beschreibung
Wandmalerei in der Art eines dreiteiligen Retabels mit Szenen aus dem Marienleben am fünften Pfeiler des südlichen Seitenschiffs. Überlebensgroße Darstellung der betenden Maria als Standfigur im erhöhten Mittelteil, unten zu ihrer Rechten die Verkündigungsszene, das Spruchband mit dem schwarz auf Weiß gemalten Mariengruß (A) in den Händen des Engels, darüber die Szene mit der Geburt Christi. Links zu ihren Füßen ein kniender, tonsurierter Stiftsherr im Chorhemd mit um die Schulter gelegter Almutie1), vor sich ein Spruchband mit der weiß auf Schwarz gemalten Fürbitte (B), darüber die Heimsuchungsszene. Temperamalerei auf Kreidegrund, 1895-98 durch den Kölner Maler Wilhelm Batzem2) stark überarbeitet.
Maße: H. 185, B. 125 (unten), 56 (oben), Bu. 1 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
- A
Ave gracia plena dominus tecum3) ·
- B
Sancta · Maria · ora · pro · nobis ·
Anmerkungen
- Vgl. dazu Nr. 40 Anm. 1.
- Vgl. dazu Kern.
- Lk 1,28 (teilw.).
- Zu erwarten wären eher (verzierte) Rauten oder Quadrangeln; vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) LIV.
- Freundlicher Hinweis von Frau Christiane Wessels, Mainz. - Trotz der starken Restaurierungen vornehmlich der Gesichtspartien ist wohl nicht davon auszugehen, daß der Restaurator die Gesamtkonzeption der Malerei grundlegend verändert hat.
- Vgl. dazu Zehnder, Altkölner Malerei Abb. 3, 95 und 283 mit vergleichbaren, teilweise fast identischen (Abb. 96, Heimsuchungsszene) Beispielen Kölner Malerei um 1420; freundlicher Hinweis von Frau Gepa Spitzner, Mainz.
Nachweise
- Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 190 mit Abb. 91.
- Kern, Wandmalerei (Ms.).
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 78 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0007800.
Kommentar
Die konturiert ausgeführte Minuskel mit ihren der gotischen Majuskel entlehnten Versalien unterscheidet sich in ihrem Duktus eindeutig von der Schrift der Wandmalereien des zweiten und dritten Pfeilers. Es ist nicht auszuschließen, daß dieser Befund - wie auch die anachronistische Verwendung von Punkten als Worttrenner4) - auf die Restaurierung zurückzuführen ist.
Der auffällige retabelartige Aufbau der Wandmalerei könnte darauf hindeuten, daß sie als Rückwand eines Seitenaltars gedient haben könnte, wobei Maria als Hauptpatronin der Kirche nicht unbedingt auch als Patronin dieses Altars fungiert haben muß. Als Auftraggeber des Bildes dürfte der dargestellte unbekannte Stiftsherr in Frage kommen. Gegen die durch das Kunstdenkmalinventar getroffene Einordnung der Malerei in das "erste Viertel des 16. Jhs." orientiert sich die hier vorgenommene Datierung5) an der eindeutig gotischen Gesamtkomposition, dem signifikanten Faltenstil und dem mit von Punkten begleiteten Tatzenkreuzchen übersäten Hintergrund6).