Inschriftenkatalog: Rems-Murr-Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 37: Rems-Murr-Kreis (1994)

Nr. 111 Backnang, ev. Stiftskirche St. Pankratius 1513

Beschreibung

Grab- und Translationstafel für zwei Knaben, angeblich für Söhne des Markgrafen Hermann. In der Krypta in einem kleinen Steinsarg vor der Westwand, unzugänglich; Sarg bis 1929 im Chor. Blei, siebenzeilige eingravierte Inschrift zwischen Linien.

Wortlaut nach Herr, fol. 28v.1

Maße: H. 6,5, B. 17 cm.

  1. Hec Ossa filioruma) D(omi)ni Hermanni Marchionis / de Baden, huius quondam Monasterii / devastati reparatoris illuc translata / sunt ex capella virginis Marie intra / corpus ecclesie sita Anno D(omi)ni M(illesimo) / Quingentesimo Tredecimo. Octavo / K(a)l(end)as Octobrisb).

Übersetzung:

Diese Gebeine der Söhne des Markgrafen Hermann von Baden, der dieses zerstörte Kloster erneuert hat, sind hierher überführt worden aus der innerhalb des Kirchenschiffs gelegenen Kapelle der Jungfrau Maria im Jahr des Herrn 1513 am 8. vor den Kalenden des Oktober (24. September).

Kommentar

Die Zuordnung des vierten Steinsargs macht erhebliche Schwierigkeiten. Ausgangspunkt muß der Wortlaut der Inschrift sein. Es kann kein Zweifel bestehen, daß mit den ossa filiorum die im Sarg enthaltenen Skelette zweier 5–7jähriger Knaben gemeint sind. Die Bezeichnung ihres Vaters Hermann als huius quondam Monasterii devastati reparator kann nach allem, was zur Geschichte des Backnanger Stifts bekannt ist, nur auf Hermann V. († 1243) oder auf Hermann IV. († 1250) passen: 1235 wurde im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Friedrich II. und seinem Sohn Heinrich (VII.), in denen Markgraf Hermann V. für den Kaiser Partei ergriffen hatte, das Stift Backnang von Anhängern Heinrichs (VII.) niedergebrannt2. Hermann V. ist 1243 gestorben, seine Söhne Hermann VI. und Rudolf sollen nach einem Sieg über die Widersacher 1246 das Stift wieder aufgebaut haben3. Demnach wäre der reparator der Inschrift Hermann VI., der aber erst 1248 die Babenbergerin Gertrud geheiratet und aus der zweijährigen Ehe – Hermann starb schon 1250 – zwei bekannte Kinder (1249 Friedrich, 1250 Agnes) hat. Für weitere Söhne bleibt somit kein Platz, will man nicht eine bislang nirgends belegte erste Ehe des jungen Markgrafen annehmen4.

Andererseits ist kaum vorstellbar, daß das 1235 zerstörte Stift tatsächlich erst nach dem Tod Hermanns V. wieder aufgebaut wurde, der Markgraf mithin über acht Jahre nichts für den Wiederaufbau getan hätte. Hermann V. wird zumindest mit Aufbauarbeiten begonnen haben. Dafür spricht nicht zuletzt, daß er 1243 zunächst hier bestattet wurde, bevor er in die neue badische Grablege nach Kloster Lichtenthal überführt wurde5. Bezieht man reparator auf ihn, wären in den beiden Toten früh verstorbene Brüder Hermanns VI. und Rudolfs zu sehen6 .

Textkritischer Apparat

  1. filiorum fehlt Herr, fol. 2 (Aufzeichnung Bachofers).
  2. anno Domini 1513. 25 [!] Sept. ebd.

Anmerkungen

  1. Für die Bewertung der kopialen Überlieferung gilt das unter nr. 109 Anm. 1 Gesagte. In der Aufzeichnung Bachofers fehlt das für die Interpretation der Inschrift entscheidende filiorum (vgl. Anm. a). Diese Version wurde von Herr zunächst in sein Protokoll übernommen, allerdings – offensichtlich wegen des fehlenden Wortes – an falscher Stelle (23v) zum Grab Markgraf Hermanns III. zugeordnet. Herr bemerkte seinen Irrtum und überklebte die Inschrift an dieser Stelle mit der richtigen (nr. 109). Daraufhin scheint er seine Vorlagen noch einmal gründlich verglichen zu haben, die Einfügung des Wortes filiorum (fol. 28v) – wie im übrigen auch die korrekte Wiedergabe der Datierung (vgl. Anm. b) – dürfte auf Heranziehung der (verlorenen) Originalunterlagen Bachofers von der ersten Graböffnung im Frühjahr 1826 zurückzuführen zu sein.
  2. Aufzeichnung des Archivars Rüttel aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, vgl. WUB 4 Nachtrag 123; RMB nr. 347.
  3. Ebd.
  4. Dem widerspricht die Angabe Rüttels (ebd.), Hermann VI. und Rudolf seien 1243 noch pupilli gewesen, was freilich nicht stimmen muß. Die kriegerischen Aktionen der beiden sprechen eher für ein höheres Alter, auch die Tatsache, daß ihre Eltern schon um 1220 geheiratet haben. Hermann VI. könnte also schon 1221 geboren sein und um 1240 geheiratet haben. Der Tod der beiden Söhne wäre somit noch vor dem Jahr der (2.) Eheschließung mit Getrud von Österreich denkbar.
  5. RMB nr. 396.
  6. Die fragmentarisch überlieferte Wohltäterliste des Backnanger Stifts aus dem 15. Jahrhundert (Müller 198) erwähnt ein Grab des durchlüchtigen hochgebornen fürsten und herrn herrn marggraff Hermans, ligt in unser frowen capellen. Dieser Markgraf Hermann findet auf den vier Grabtäfelchen keine Erwähnung mehr, woraus man wohl schließen muß, daß sein Leichnam zur Zeit der Umbettung 1513 nicht (mehr) vorhanden war. Es könnte sich demnach bei der Sepultur, die möglicherweise mit Namen und Titel des Verstorbenen markiert war, um ein Kenotaph gehandelt haben, entweder für den auf dem Kreuzzug in Antiochia 1190 verstorbenen Hermann IV. (so Müller 197) oder für Hermann V., der 1243 zunächst in Backnang beigesetzt war, dann aber nach Lichtenthal überführt worden ist (so Schmid, Werdegang 54); vgl. auch Stoesser 50f. Im letzteren Fall blieb entweder das Grabmal der Erstbestattung erhalten oder man schuf nach der Überführung in Backnang ein neues Leergrab zur Aufrechterhaltung des Totengedächtnisses. Die Formulierung des 15. Jahrhunderts ligt in unser frowen capellen muß dem nicht widersprechen. Ob das Kenotaph dann nach 1248 für die Bestattung der beiden Kinder benutzt wurde oder ob sie in unmittelbarer Nähe des Grabmals beigesetzt waren, ist unklar. Jedenfalls sah man sich 1513 genötigt, die Angaben über den in der Wohltäterliste – und vielleicht auch auf dem Grabmal – genannten, aber nicht mehr vorhandenen Markgrafen Hermann und die Existenz zweier Kinderskelette, über deren tatsächliche Identität man vermutlich nicht Bescheid wußte, in Einklang zu bringen. Man fand die Lösung darin, die Kinder kurzerhand zu Söhnen des Markgrafen Hermann zu erklären.

Nachweise

  1. Herr (GLA Karlsruhe, HfK Hs. 510, IX) 2 (Aufzeichnung Bachofers), 23v (Protokoll, hier versehentlich eingetragen und von Herr überklebt), 28v (Protokoll), 14 (Reinschrift).
  2. Kdm Rems-Murr 230.
  3. Wunder, Die ältesten Markgrafen 105.

Zitierhinweis:
DI 37, Rems-Murr-Kreis, Nr. 111 (Harald Drös, Gerhard Fritz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di037h011k0011109.