Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 627 Domkirche, nördlicher Seitenchor, Südwand 1663

Beschreibung

Epitaph für Bischofs Johann Georg von Herberstein1). Heute noch vorhanden ist die querrechteckige Relieftafel aus Solnhofer Kalkstein mit der Darstellung der Wundersamen Brotvermehrung (Die Speisung der Fünftausend, vgl. Mk 6, 35-44 par.), darunter die Tafel mit neunzeiliger zentrierter Inschrift. Zu beiden Seiten befinden sich aus rotem Marmor zwei große Pilaster, darüber ein mehrfach gekehlter Architrav. Der obere Teil und der Skulpturenschmuck des Epitaphs sind verloren, können aber aufgrund der Abzeichnung in ABAdW, Grabsteinbuch beschrieben werden2). Demnach waren den beiden Pilastern zwei balusterförmige Podeste vorgeblendet, auf denen links die Gestalt eines Bischofs, rechts eine weibliche Gestalt mit Krone dargestellt waren. In den heute noch vorhandenen hochrechteckigen Feldern neben der Inschriftentafel befand sich jeweils die Darstellung eines Totenkopfs. Mittig über dem Architrav in einer runden Kartusche das Vollwappen des Bischofs. Auf den Seiten des Sprenggiebels zwei Füllhörner, im Zentrum ein mehrfach gekehltes Podest, darüber ein Medaillon mit dem Brustbild des Klerikers, bekleidet mit Almucia und Pileolus. Zu beiden Seiten je ein Engel, das Medaillon haltend. Als Bekrönung die Halbfigur eines Engels, die Mitra in den Händen. Auffallend sind die zahlreichen Graffitis, die im Laufe der Jahrhunderte angebracht wurden. Der Zustand des Epitaphs ist gut.

Maße: H. 208 cm, B. 230 cm, Bu. 2-2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission (Julia Knorr) [1/1]

  1. VIATOR / IN MORTVO VIRTVTIS IMAGINEM VIVAM LEGE. / HIC SITVS EST R(EVERENDISSI)MVSa) ET CEL(SI)S(SI)MVSa) IOANNES GEORGIVS, S(ACRI) R(OMANI) IMP(ERII) PRINCEPS. AC D(OMI)NVS D(OMI)NVS EPISCOPVS RATISBONENSIS EX / COMITIBVS DE HERBERSTEIN etc(etera) DVM VIXIT, ABSQVE DIGNITATVM AMBITV, ET PROPE ASPERNANS. NAM / DIMISIT FACILIVS QVAM IMPOSVERE. DEMVM SEPTVAGENARIO MAIOR IN EPISCOPVM RATISBONENSEM ABSENS / ELIGITVR ADEO VMBRA HONOR EST. FVGIENTES SEQVITVR. RARA PRVDENTIA, ET RERVM MAGNO VSV. RECTI / ET VERI CONSTANTER AMANS VTI SACRORVM ET PAVPERVM QVOQVE. QVORVM ORE VT SEMPER VIVERET, / TESTAMENTO CAVIT MAGNA COMPLEXVS ANIMO, VIX ANNVM EMENSVS, SERO QVIDEM SED IM(M)ATVRE / OBYT XII IVNY ANNO M.DC.LXIII, AETATIS SVAE LXXII. DEO VIVAT.

Übersetzung:

Wanderer, lies an einem Toten ein lebendiges Bild der Tugend ab! Hier liegt der hochwürdigste und erhabenste Johann Georg, Fürst des Heiligen Römischen Reiches und Herr, Herr Bischof von Regensburg, aus (dem Geschlechte) der Grafen von Herberstein usw. Solange er lebte, war er von Ehrgeiz nach Würden frei, ja, er verachtete (die Würden) beinahe, denn er legte sie leichter (wieder) nieder, als man sie ihm verliehen hatte. Schließlich wurde er im Alter von mehr als 70 Jahren in Abwesenheit zum Bischof von Regensburg gewählt. So ist die Ehre ein Schatten: Sie folgt denen, die vor ihr fliehen. Er war (ein Mann) von seltener Klugheit und großer Lebenserfahrung, ein Freund des Rechten und des Wahren wie auch der Heiligen und der Armen. Dass er in ihrem (der Armen) Munde immer (weiter) lebe, dafür hat er, in seinem Geiste Großes erfassend, in seinem Letzten Willen Vorsorge getroffen: Als er (aber) kaum ein Jahr (als Bischof von Regensburg) verbracht hatte, starb er am 12. Juni 1663 in seinem 72. Lebensjahre eines späten und doch unzeitigen Todes. Möge er leben bei Gott.

Datum: 1663 Juni 12.

Wappen:
Herberstein3).

Kommentar

Johann Georg wurde am 19. August 1591 als Sohn des Freiherrn Georg Andreas von Herberstein und der Anna Sybilla Freiin von Lamberg in Salzburg geboren4) Die Familie wurde 1644 in den Grafenstand erhoben5). Er studierte von 1608 bis 1609 Theologie am Collegium Germanicum in Rom6). Am Passauer Domstift schwor er 1609 als Kanoniker auf7).

Im Jahr 1614 wurde er als Nachfolger des zum Bischof gewählten Albert von Törring (s. Kat.-Nr. 619) in das Regensburger Domkapitel aufgenommen, 1618 Domkapitular und 1620 Capellanus Imperialis. Er hielt sich hauptsächlich in Passau auf, wo er in den Jahren 1637 bis 1643 das Amt des Domdekans innehatte. Am Kaiserhof und den Reichstagen findet man ihn häufig in diplomatischen Missionen der Bischöfe. Am 28. Februar 1662 wählte das Regensburger Domkapitel Johann Georg einstimmig zum Nachfolger Bischofs Wilhelm von Wartenberg (s. Kat.-Nr. 618) auf den Bischofsstuhl. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes konnte er aber sein Amt nicht mehr antreten; er starb noch vor seiner Konsekration8). In Passau stiftete er das Leprosenhauses St. Ägid9), auch das Regensburger Domkapitel bedachte er großzügig in seinem Testament10). Die Grabstätte des Bischofs Johann Georg Graf von Herberstein befand sich im Mittelschiff des Domes neben der ursprünglichen Grabstätte des Bischofs Friedrich III. von Plankenfels11); sie war gekennzeichnet mit einer metallenen Inschriftentafel, die heute nicht mehr vorhanden ist (s. Kat.-Nr. 628 †)12). Im Hof des Passauer Doms an der Südwand des Kreuzgangs befindet sich eine Gedenktafel für Johann Georg von Herberstein, deren Inschrift seine Ämter nennt; die minderen Todesdaten sind nicht vermerkt, was darauf hinweist, dass diese Tafel noch zu seinen Lebzeiten angefertigt wurde13).

Textkritischer Apparat

  1. Die Buchstaben MVS sind hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Schuegraf, Dom II, 43; Niedermayer 81; Walderdorff, Regensburg 158; Freytag/Hecht 22; Zahn, Dom 96; Kdm Regensburg I, 122f., (Abb. 66); Hubel/Kurmann, Der Regensburger Dom 86; Mayerhofer, Bischofsgrabmäler 392; Hausberger, Grablegen 393; Hubel/Schuller, Dom, Fotodokumentation 743 (Abb. 2496, 2497).
  2. ABAdW, Grabsteinbuch 118.
  3. OÖ 113, Bay 12.
  4. Krick, Stammtafeln 129, Nr. 57, Tabelle B.
  5. Hausberger, Geschichte I, 343.
  6. Steinhuber, Kollegium Germanikum 452; Schmidt, Collegium Germanicum 255.
  7. Krick, Domstift Passau 14, 72; DI 67 (Stadt Passau) Kat.-Nr. 917.
  8. Kremer, Herkunft und Werdegang 378; Hausberger, Die Regensburger Fürstbischöfe 61ff.
  9. Paricius, Nachricht 22, 65; DI 67 (Stadt Passau) Kat.-Nr. 849; hier die Geschichte des Leprosenhauses mit Inschrift des Stifters.
  10. Leoprechting 20, 42 (obiit-Vermerk); Daten und Fakten zusammengefasst nach Hausberger, Geschichte I, 343f.; Gatz, Bischöfe 3, 181f.; Röhrer-Ertl, Zur Identifikation von sieben Skelet-Individuen 147.
  11. Zu Friedrich III. von Plankenfels s. DI 74 (Stadt Regensburg II, Dom I) Kat.-Nr. 222.
  12. Ried, Collectio 7v und Cranner 62 weisen darauf hin; Hausberger, Grablegen 377; Mayerhofer, Bischofsgrabmäler 392.
  13. DI 67 (Stadt Passau) Kat.-Nr. 917.

Nachweise

  1. Archiv Alte Kapelle, sign 506; Bernclau, Episcopatus 82f.; ABAdW, Grabsteinbuch 118; Sammlung Resch 274; Cranner 62f.; Ried, Collectio 7v; Schuegraf, Dom II, 43; Mayerhofer, Bischofsgrablegen 377.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 627 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0062708.