Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 616 Kapitelhaus, Obergeschoß, dritter Raum, Nordwand 1647

Beschreibung

Inschriftentafel vom Epitaph für Johann Karl von Stotzingen aus Schiefer. Erhalten ist nur die Inschriftentafel mit 30-zeiliger Inschrift, deren Buchstaben mit Gold gefasst waren, heute im Obergeschoß des Kapitelhauses im dritten Raum an der Nordwand angebracht. Sie war Teil eines Epitaphs, das sich beim St. Annen-Altar an der Wand, also im zweiten Joch des südlichen Seitenschiffs befand1). Das gesamte Denkmal kann aufgrund der Abzeichnung in ABAdW, Grabsteinbuch beschrieben werden2). Die Inschriftentafel auf einem rechteckigen Podest wird flankiert von zwei korinthischen Säulen. Darüber ein Architrav mit einem leeren Rechteckfeld in der Mitte, die Seiten vorspringend. Oben in einer ornamentierten Kartusche ein großes Rundfeld mit Vollwappen, darüber und darunter je ein geflügelter Engelskopf, zu beiden Seiten Akanthusblattornamente und Fruchtgehänge. Die Schrifttafel ist in gutem Zustand.

Maße: H. 85 cm, B. 60 cm, Bu. 2-4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. VIATOR / BINOS AD ARAM DIVAE AN(N)AE AEDIS ISTI(VS) / CANONICOS CVSTODES, SVO QVEMQ(VE) TECVM / TVMVLO CONSPICIS, ECCE HOC LOCO TERTI(VS) AD/EST JOAN(NES) CAROL(VS) A STOZINGEN; NOBILIS SVEVVS, ET CVSTOS SIMVL ET INCLYTI COLLE/GIJ SENIOR. SED EHEV! NEC CVSTOS VI/GILES MORTIS SAGITTAS VLLA MORTALIS / AEVI CVSTODIA SVBTERFVGERE: NEC / SENIOR VIM ILLARVM SENESCENTIS / AETATIS REVERENTIA, ETIAM AD MINV/TISSIMVM TEMPORIS VEL HORAE / MOMENTVM TARDARE VALVIT. / INEVITABILJ FATO ARCTAE SEPVL/CHRI HVIVS CVSTODIAE AD SV/PREMVM VSQ(VE) TRIBVNAL TRADI/TVS. EIVS RESVRRECTIONE(M) / MI LECTOR FELICEM PRECARE, / PROUT TVAM ITA EXOPTAS NON/DVM EXPERTVS LVGVBREM / HANC CVSTODIAM: EXPER/TVRVS TAMEN COM(M)VNEM / CRAS, VEL HODIE, OBIIT CANONICVS, SENIOR, CVSTOS, ET CONSI/LIARIVS EP(ISCO)PALIS RATISP(ONENSIS) CANON(ICVS) / INSVPER AVGVSTANVS PRID(IE) / NON(AS) JAN(VARII) MDCXLVII. / AETATIS LV. VIATOR AGE, / ET PATERE, VT AGAS, ET NON / PATIARIS.

Übersetzung:

Wanderer, beim Altar der Hl. Anna in dieser Kirche siehst du je zwei Kanoniker (und) Kustoden3), jeden von einem Grabe bedeckt. Siehe, an dieser Stelle befindet sich ein dritter, Johann Karl von Stotzingen, edler Schwabe, Kustos und zugleich Senior des berühmten Kollegiums. Doch, ach, weder hat er als Kustos durch irgendeine Wachsamkeit in der Zeit seines sterblichen Lebens den wachsamen Pfeilen des Todes entrinnen noch als Senior mit Hilfe der Ehrerbietung, die dem Greisenalter erwiesen wird, die Durchschlagskraft jener (Pfeile) auch nur um einen winzigen Augenblick der Zeit oder Stunde verzögern können: Von seinem unausweichlichen Schicksal ist er bis zum Jüngsten Gericht der engen Bewachung dieses Grabes übergeben. Lieber Leser, bete für seine selige Auferweckung, gerade so, wie du, der du diese traurige Bewachung noch nicht erfahren hast, aber morgen oder schon heute in gleicher Weise erfahren wirst, die deine eigene selige (Auferweckung) wünschest! – Gestorben ist der Kanonikus, Senior, Kustos und bischöfliche Rat in Regensburg, zudem Kanonikus in Augsburg, am 4. Januar 1647 im 55. Lebensjahre. – Wanderer, tue und leide, auf dass du tuest und nicht leidest.

Datum: 1647 Januar 4.

Wappen:
Stotzingen4).

Kommentar

Johann Karl wurde im Jahre 1593 als Sohn des Johann Martin von Stotzingen und der Anna von Freyberg geboren. Er erhielt am 29. Februar 1608 die Praebende, studierte von 1609 bis 1612 an der Universität in Siena und am Collegium Germanicum in Rom und wurde am 27. Juni 1616 in das Regensburger Domkapitel aufgenommen; im Jahr 1641 wurde er Custos und Senior, zudem war er seit 1616 auch Kanonikus des Augsburger Domkapitels5). Er starb im Alter von 54 Jahren.

Anmerkungen

  1. Zirngibl, Epitaphia 20: in medio parte epistolae; Cranner 108; Freytag/Hecht 48.
  2. ABAdW, Grabsteinbuch 48.
  3. Bei den beiden genannten Kanonikern und Kustoden handelt es sich bei aller Vorsicht um die dort bestatteten Johann Friedrich von Hegnenberg (Kat.-Nr. 576 †) und Heinrich von Langenmantel (Kat.-Nr. 598 †).
  4. Bad 14; Württembergisches Adels- und Wappenbuch 779.
  5. Paricius, Nachricht 62; Bernclau, Episcopatus 408; Leoprechting 138; Schmidt, Collegium Germanicum 305; Weigle, Die Matrikel der Deutschen Nation in Siena 189, Nr. 4336; Ries, Generalschematismus 300; Haemmerle, Die Canoniker des hohen Domstiftes zu Augsburg 170.

Nachweise

  1. Archiv Alte Kapelle, sign 506; Zirngibl, Epitaphia 20; Bernclau, Episcopatus 408; ABAdW, Grabsteinbuch 48; Paricius, Nachricht 99; Cranner 108; Ried, Collectio 15v, 16r.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 616 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0061603.