Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 614 Kreuzgang, Nordflügel, Ostseite, 2. Joch 1646

Beschreibung

Inschriftentafel für Lucretia Camilla Herold und ihren kleinen Sohn Johann Franz Anton aus schwarzem Schiefer mit 37-zeiliger Inschrift, ehemals in der Niedermünsterkirche1), heute im Nordflügel des Kreuzgangs an der Wand2). Die Buchstaben sind unterschiedlich groß und mit Gold gefasst. Die rechte obere Ecke ist ausgebrochen.

Ergänzt nach Text Paricius.

Maße: H. 92 cm, B. 61 cm, Bu. 1,5-3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. SISTEa) VIATORa) [OBSTVPESCE.] / LVCRETIAb) CAMILLA HEROLDIN [DVLCIA, ILLVSTRI STEM]/MATE, NOBILIS ROMANA, PATAVINA N[ATALIBVS, PATRITIA VENE]/TA ORIGINE, DVRAFIORV(M) CARDINALIS, [ET DVCIS GENVAE NE]/PTIS, IOAN(NI) CONRADI HEROLDT NOB(ILIS) FRA[NCONII CONIVX, IN] / ORA(TI)O(N)IB(VS) CONTINVA, IEIVNIIS ASSIDVA, ELEE[MOSYNIS FREQVENS,] / SEX CONFRATERNIT(ATIBVS) ADSCRIPTA, LIBERALI[S ERGA OMNES,] / IN MORBIS ET PERSECVTIONIB(VS) PATIENS, FIDE [ET AFFECTV] / MARITO INDISSOLVBILIS, SVI SEXVS PVLCHERRIMA, S[VAVISSI]/MA, FASTVS VESTIVM, OBLECTAMENTA MORTIS PRAESAGIO / STIMVLATA REIICIENS, AD SPECTRA ET PERICVLA IM=/PERTERRITA VIRTVTIBVS OECONOMICIS MIRABILITER / DECORATA, IN EDVCANDO FILIO IOANNE FRANCISCO ANTONIO AB OMNIBVS IMITANDA; DVM IDIOMATE GER=/MANICO ET ITALICO AMBO INSTRVCTISSIMI ESSENT, / ET MVLTA IN EIS VIRTVTVM SPECIMINA AD STV=/POREM FLORERENT, CVM MARITO AC PATRE AD / AVLAM IMPERIALEM TENDENTES, SVB PONTE / DONASTAVFFII XXI IVLII M. DC. XXXXV. / NAVIS SVBVERSAE TVGVRIOLO INCLVSI IN HOR=/RENDA ET LACHRYMIS EHEV! SANGVINEIS DE=/PLORANDA MORTE, INVOCANDO D(IVAE) VIRG(INIS) DE ROSARIO OPEM ANIMAM SPIRAVERE; MATER / SINEc) LABE CVM VIXISSET AN(NOS) XXIV. ME(NSE)S X. / DIESc) XXI. ET FILIVS NATVRAE MIRACV=/LVMc) AN(NOS) V. MENS(ES) VIII. DIES XIId). / Ac) CONFESSARIO OB VITAE PVRITATE(M) / EXc) VNDIS AD COELVM EVOLASSE / DEPRAEDICTIc), QVOD DEVS FAXIT. / CONIVGIe) INCO(M)PARABILI, FILIO DVLCISSIMO / VNICO, VISCERIB(VS) ANIMAE EXOPTATISSIMIS; / IOAN(NES) CONRAD(VS) HEROLDT MIRACVLOSAE VIRG(INIS)a) / LAVRET(ANAE)a) AVXILIO SVPERSTES, EX VOTO STATVI / ECCLESIASTICO ADDICT(VS), CVM ANNIVERSARIV(M) IPSE / SACERDOS CELEBRARET, HANC TRAGICAE MEMORIAE / ARAM AD LATVS TVMVLI EREXIT. XXI IVLII M. DC. / XLVIc).

Übersetzung:

Bleibe stehen, Wanderer! Erstarre: Lukrezia Kamilla Herold, geborene Dolce, eine Frau aus erlauchtem Geschlechte, eine adelige Römerin, eine gebürtige Paduanerin, der Herkunft nach eine venezianische Patrizierin, Nichte Kardinal Durafioris und eines Dogen von Genua, Ehefrau des fränkischen Edelmannes Johann Konrad Herold, im Beten beständig, im Fasten beharrlich, im Almosenspenden unermüdlich, in sechs Bruderschaften aufgenommen, allen gegenüber freigebig, in Krankheiten und Heimsuchungen geduldig, in (ihrer) ehelichen Liebe und Treue unerschütterlich, die Schönste ihres Geschlechtes, überaus liebreizend, den Prunk von Kleidern (und) von Wahrsagerei angestachelte Verlockungen des Todes von sich weisend, vor Gespenstern und Gefahren unerschrocken, mit hauswirtschaftlichen Vorzügen in erstaunlichem Grade ausgezeichnet, in der Erziehung ihres Sohnes Johann Franz Anton allen ein Vorbild. Als sie sich, da sie beide die deutsche und die italienische Sprache beherrschten und an ihnen zum Staunen (der Leute) viele Beispiele für (außergewöhnliche) Vorzüge deutlich sichtbar waren, gemeinsam mit dem Gatten bzw. Vater auf einer Reise zum Kaiserhof befanden, hauchten sie am 21. Juli 1645 unter der Donaustaufer Brücke, in die Kabine des gekenterten Schiffes eingeschlossen, die Hilfe der Hl. Jungfrau vom Rosenkranz (Maria) anrufend, in einem schauerlichen, ach, mit blutigen Tränen zu beklagenden Tode die Seele aus, nachdem die Mutter ohne Fehl 24 Jahre, 10 Monate und 21 Tage und der Sohn, ein Wunderkind, 5 Jahre, 8 Monate und 12 Tage gelebt hatte. Von ihrem Beichtvater wurde verkündet, dass sie wegen der Reinheit ihres Lebens aus den Wogen (gleich) in den Himmel geflogen seien: Möge Gott es haben geschehen lassen! – Johann Konrad Herold, dank der wunderbaren Hilfe der Lauretanischen Jungfrau (Maria) am Leben geblieben, aufgrund eines Gelübdes in den geistlichen Stand getreten, hat am 21. Juli 1646, als er als Priester den Jahrtag (des Unglücks durch die Feier einer Hl. Messe) selbst beging, neben dem Grabe diesen Altar unseligen Angedenkens errichten lassen.

Datum: 21. Juli 16463).

Kommentar

Lucretia Camilla, die 24-jährige Frau des Johann Konrad Herold, stammte aus italienischem Adel und war die Nichte des Kardinals Durafiori. Sie ertrank am 21. Juli 1645 zusammen mit ihrem einzigen Sohn, dem fünf Jahre alten Johann Franz Anton, bei einem Schiffsunglück in der Donau bei Donaustauf (Lkr. Regensburg/Opf.), eingeschlossen in einer Kabine. Das Schiff, auf dem Weg nach Wien, geriet in einen Sturm und kenterte; dabei starben über 60 Menschen. Mutter und Sohn wurden in der Niedermünsterkirche bestattet. Ihr Mann Johann Konrad Herold überlebte das Unglück und wurde daraufhin Priester. Ein Jahr nach dem Unglück stiftete er neben der Grabstätte einen Altar und ließ diese Inschriftentafel anbringen4).

Textkritischer Apparat

  1. Wort in vergrößerter Schrift.
  2. Anfangsbuchstaben bei Eigennamen vergrößert.
  3. Zeile zentriert.
  4. Der folgende Worttrenner als Linienornament.
  5. Die folgenden zwei Zeilen in deutlich vergrößerter Schrift.

Anmerkungen

  1. Paricius, Nachricht 215; Gumpelzhaimer, Regensburgs Geschichte 1287; ders., Versuch einer Geschichte von Stauf an der Donau 421.
  2. Freytag/Hecht 22; Kdm Regensburg I, 195.
  3. Gumpelzhaimer, Regensburgs Geschichte 1286f.: 25. Juli 1645; Freytag/Hecht 22: 21. Juli 1635.
  4. Gumpelzhaimer, Regensburgs Geschichte 1286f.; ders., Versuch einer Geschichte von Stauf an der Donau 421; Paricius, Nachricht 221f. überliefert die Grabschrift: Lucretiae Camillae Heroldin ex illustri Dulciorum Venetorum Prosapia aetat(is) anno XXIIII menses X, dies XXI, et Joanni Francisco Antonio, ann(orum) V, menses VIII, dies XII, ad pontem Donastaffii XXI Julii eheu? miserrime suffocatis Conjugi charissimae, filio suavissimo maritum et patrem hocce sub lapide exspectantibus. Joan(nes) Conradus Herold, Nobilis Franco reunionem anhelans: P(ost) C(hristum) prid(ie) Cal(endas) Sept(embris) M.D.CXXXXV.

Nachweise

  1. Paricius, Nachrichten 215f.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 614 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0061407.