Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 515 Kreuzgang, Mittelhalle, Ostwand, 6. Joch 1556

Beschreibung

Monumentales Renaissanceepitaph für Anna Lucretia von Leonsperg aus Sandstein, in die Wand eingemauert1). Auf drei Kugeln, auf denen links ein Schmetterling, in der Mitte eine Eule und rechts ein Adler dargestellt sind, ruht auf einer mehrfach gekehlten Platte der reich dekorierte Sockel. Im Viertelrelief sind drei Pyramiden abgebildet, die mit emblematischen Darstellungen belegt sind. Dazwischen zwei dreiecksförmige, totenschädelbekrönte Stelen. Darüber eine große ovale Inschriftentafel mit 28-zeiliger Inschrift im rechteckigen Feld. Die Buchstaben der Inschrift sind zunächst im oberen Drittel sehr groß, werden im mittleren Teil kleiner und im unteren Drittel sehr klein. In den unteren beiden Zwickeln einander zugeneigte Wappenschilde, in den oberen Zwickeln die dazugehörigen Oberwappen. Am oberen Rahmen drei gleicharmige Kreuze. Inschriftentafel und Wappen sind einer mit querrechteckigen Steinen gemauerten Wand vorgeblendet. Das Epitaph ist in relativ gutem Zustand.

Maße: H. 339 cm, B. 178 cm (Epitaph), H. 195 cm, B. 153 cm (Inschriftentafel), Bu. 10-2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/1]

  1. D(EO) ∙ O(PTIMO) ∙ M(AXIMO) ∙ / ANNAE LVCRE/TIAE A LEONISPERGA / LVD(OVICI) ∙ PII F(ILI)AE ∙ VXORI SANCTISS(IMAE) ∙ ET / INCOMPARABILI ∙ DEVOTIONE ANIMI / QVA CATHOLICAE ECCLESIAE FIDEM / CONSTANTER SEQVVTA EST EXIMIAE ∙ PVDI/CITIAE VIRTVTVMQ(VE) ∙ OMNIVM QVAS CAPERE / SEXVS CONDITIO POTVIT SPIRANTI SIMVLACH/RO ∙ LITERATI OTII ERVDITAE CONSORTI ∙ ATQVE / FORTVNAE VTRIVSQ(VE) ∙ COMITI ET MODERA/TRICI DVLCISS(IMAE) ∙ QVAE NE SECVLI HVIVS INCOM/MODA MORTE ACERBIORA PORRO SPECTARET / MORIENDI LEGI DVRISS(IMAE) ∙ QVAM NASCENTI NATV/RA TVLIT AEQVO DETERSOQ(VE) ∙ AD HAEC FA/TA ANIMO SATISFECIT ∙ SEQ(VE) ∙ COELO PER VVL/NERVM IESV CHR(IST)I AVGVSTOS RECESSVS / PATENTI REPRESENTAVIT ∙ XV ∙ K(A)L(ENDIS) ∙ IVN(II) ∙ / M ∙ D ∙ LVI ∙ VIX(IT) ∙ ANN(OS) ∙ XXX ∙ M(ENSES) ∙ VII ∙ D(IES) ∙ XIIX / FR(ATER) ∙ IOH(ANNES) ∙ ALBERT(VS) ∙ VIDMANSTADIVS ∙ I(VRIS) ∙ C(ONSVLTVS) ∙ ET / DIV(I) ∙ FERD(INANDI) ∙ R(OMANORV)M ∙ R(E)G(IS) ∙ SENATOR M(ONV)M(EN)T(VM) ∙ POS(VIT) ∙ / VIATOR ∙ AVREM HVIC SAXO SI ADMOVERIS / LVCTVM REIP(VBLICAE) ∙ QVAM LVXV ET SAN/GVINE DIFFLVENTEM RELIQVI / EXAVDIES ∙ VALE ET EXTOR/RIVM ANIMAR(VM) ∙ SPEI SAN/CTIS PRECIB(VS) ∙ SVF/FRAGARE

Übersetzung:

Gott, dem Allmächtigen und Allgütigen. Anna Lucretia von Leonsperg, der Tochter des „frommem Ludwig“, seiner in jeder Hinsicht untadeligen, unvergleichlichen und in der Herzensfrömmigkeit, mit der sie dem Glauben der katholischen Kirche standhaft treu geblieben ist, einzigartigen Ehefrau, dem lebendigen Spiegelbild der Sittsamkeit und (aller anderen) Tugenden, die die Beschaffenheit des (weiblichen) Geschlechts hat in sich aufnehmen können, der gebildeten Gefährtin seiner geistigen Beschäftigungen und höchst liebenswürdigen Begleiterin und Beraterin in Glück und Unglück, die, um die Unbilden dieser Welt, die bitterer als der Tod sind, nicht länger schauen zu müssen, dem gar harten Gesetze des Todes, das die Natur (dem Menschen schon) bei der Geburt auferlegt hat, mit gleichmütigem und zu diesem Anlass (durch Beichte und Vergebung) gereinigtem Herzen genüge und sich am 18. Mai 1556 dem durch die erhabenen Zufluchtsorte den Wunden Jesu Christi offenstehenden Himmel übereignet hat. – Sie lebte 30 Jahre, 7 Monate und 18 Tage -, hat Frater Johann Albert Widmanstetter, Rechtsgelehrter und Rat Seiner Majestät des Römischen Königs Ferdinand, (dieses) Grabmal errichten lassen. – Wanderer, wenn du das Ohr an diesen Stein legst, wirst du die Klage des Staates vernehmen; durch Zügellosigkeit und Blutvergießen in Auflösung begriffen, habe ich ihn hinter mir gelassen. Lebe wohl und unterstütze die Hoffnung umherirrender Seelen mit frommen Gebeten!

Datum: 1556 Mai 18.

Wappen:
Widmanstetter2),Leonsperg3).

Kommentar

Anna wurde im Jahr 1525 als illegitime Tochter des Bayerischen Herzogs Ludwig X. und der Anna Margareta Eisengrein, einer Tochter des Stuttgarter Bürgermeisters Martin Eisengrein, geboren. Ihr Vater verlieh ihr den Titel einer Gräfin von Leonsperg, einem bereits im 14. Jahrhundert erloschenen niederbayerischen Adelsgeschlecht4). Am 15. Januar 1542 heiratete sie den Gelehrten Johann Albrecht Widmanstetter (s. Kat.-Nr. 518 †). Aus ihrer Ehe gingen drei Töchter hervor5). Anna Lucretia starb im Alter von nur 30 Jahren.

Anmerkungen

  1. Freytag/Hecht 28; Kdm Regensburg I, 172; Brekle, Domkreuzgang 86 (mit Abb.); Reidl, Grabepitaph der Anna Lucretia von Leonsperg 339; ders, Das Grabmal einer Herzogin 55ff.
  2. Württembergisches Adels-und Wappenbuch 1055.
  3. BayA1 48.
  4. Paringer, Herzog Ludwig X. von Bayern 61; Löcher, Ursula von Weichs, Mätresse Herzog Ludwigs X. 285.
  5. Nach dem frühen Tod der Mutter übergab ihr Vater sie einem Vormund; vgl. Reidl, Grabepitaph der Anna Lucretia von Leonsperg 339.

Nachweise

  1. Eppinger 24, 32 (verkürzt); Zirngibl, Epitaphia 38; Ried, Collectio; Mayer, Johann Albert Widmanstadius 522f.

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 515 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0051509.