Inschriftenkatalog: Regensburg III (Dom II)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 95: Stadt Regensburg (2016)

Nr. 496 Domkirche, südliches Seitenschiff, Turmjoch, Westwand 1547

Beschreibung

Monumentales Epitaph für Ursula Adler (Aquila) aus weißem Marmor, ehemals in der Mitte des nördlichen Seitenchors an der Wand beim St. Stephans-Altar, dann im Durchgang zum Bischofshof, seit 1927 im Turmjoch an der Westwand aufgerichtet1). Im großen Hauptfeld befindet sich zentriert die querrechteckige Inschriftentafel mit sechszeiliger Inschrift in breitem, mit Grotesken ornamentiertem Rahmen. Darüber das Feld mit drei Vollwappen, im darunter liegenden Feld das große Vollwappen des Stifters, flankiert von einem auf Greifen sitzenden Wappenhalterpaar, links der Mann, rechts die Frau, je ein drapiertes Tuch haltend. Dieses Hauptfeld ist gerahmt von übereinander gelegten Pilastern, die reich geschmückt sind mit Groteskenreliefs aus Fabelwesen, Tieren und floralen Elementen. Im Aufsatz die bekrönte Gestalt der Fortuna mit geschlossenen Augen, mit ihrem linken Fuß auf einer geflügelten Kugel stehend. Ihr zu beiden Seiten ausgebreiteter mantelartig drapierter Schleier bedeckt zwei liegende und auf ihre Ellenbogen gestützte allegorische Gestalten, links ein Mann mit Stundenglas, rechts eine Frau mit Totenschädel, beide als Vanitasymbole zu interpretieren. In den Händen der Fortuna ein weiterer Schleier, dessen Enden jeweils von einer Kindergestalt gehalten werden. Zu beiden Seiten ihrer Füße je eine Amphore mit floraler Ornamentik. In der Sockelzone ein schmales querrechteckiges Bildfeld mit Reliefdarstellungen. Im Zentrum ein unbekleideter muskulöser bekrönter Mann, zu beiden Seiten je eine große Amphore haltend. Um die Henkel dieser Krüge sind Tücher geknotet, deren Enden um die Hälse hundeartiger Fabelwesen gebunden sind. Auf der Draperie sitzt rechts und links je ein nach außen gewandtes Kind, den Blick der Zentralfigur zuwendend. In der Basis der zurückgesetzten Pilaster erscheinen links ein mit Pfeilen gefüllter Köcher und rechts ein Rundschild. Das Epitaph ist bis auf einige Beschädigungen am Figurenschmuck in relativ gutem Zustand.

Maße: H. 300 cm, B. 150 cm (Epitaph); H. 61 cm, B. 102 cm (Inschriftentafel mit Rahmen), Bu. 2,5-4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. D(EO) · O(PTIMO) · M(AXIMO) · / VRSVLAE AQVILAE MATRONAE HONES/TISS(IMAE) DVM VIXIT CAROL(VS) VILLIN/GER(VS) · B(ARO) A · SCHONENBERG · CAES(AREAE) / AC REG(IAE) M(AIESTATVM) A CONS(ILIIS) / M(ATRI) PIENT(ISSIMAE) P(IE) P(OSVIT) · / OBIIT · II · IVLII · ANNO · M · D · XLVIIa)·

Übersetzung:

Gott, dem Allmächtigen und Allgütigen. Der Ursula Adler, solange sie lebte hochehrbare vornehme Frau, hat Karl Villinger Baron von Schonenberg, kaiserlicher und königlicher Majestäten Rat, (dieses Denkmal) der frömmsten Mutter in Frömmigkeit errichtet. Sie starb am 2. Juli 1547.

Datum: 1547 Juli 2.

Wappen:
Villinger2)Adler3)Leble4)
Villinger von Schönenberg5)

Kommentar

Ursula Adler wurde 1488 in Augsburg geboren und war die Tochter des Philipp Adler, der in den frühen 1480er Jahren von Speyer/Rheinland-Pfalz nach Augsburg kam und 1522 zu den größten Steuerzahlern gehörte, und dessen erster Ehefrau Veronika Stammler6). 1511 heiratete Ursula Jakob Villinger, der in Schlettstadt im Elsass (Sélestat, Dép. Bas-Rhin/ Frankreich) als Sohn einer bürgerlichen Familie geboren wurde. Er genoss eine sorgfältige humanistische Ausbildung und ist bereits ab 1500 in Diensten am königlichen Hof. Zunächst als Kammerbuchhalter (Finanzer), 1512 Reichsschatzmeister und schließlich 1513 Generalschatzmeister Kaiser Maximilians I. Durch seine Heirat in die Augsburger Hochfinanz brachte er es auch persönlich zu einem wohl beträchtlichen Vermögen, das er, wie seine Vorgänger, zum großen Teil dem Kaiser zur Verfügung stellte. Nach dessen Tod erwarb er sich besondere Verdienste um die Wahlverhandlungen Karls V.; man machte ihn wohl mitverantwortlich für die ungeheuere Schuldenlast, die Maximilian I. hinterließ, sodass er von dem neuen Herren nicht übernommen wurde; er zog sich enttäuscht vom Hofe zurück und kümmerte sich bis zu seinem Tod im Jahr 1529 um seine eigenen Geschäfte7). Aus der Ehe mit Ursula Adler ging ein Sohn hervor, Karl Villinger Baron von Schönenberg, kaiserlicher und königlicher Rat. Bald nach dem Tod Jakob Villingers heiratete Ursula im Jahr 1530 Johann Leble (Löbl, Löble), kaiserlicher Rat, Burgvogt von Enns/OÖ. und Landvogt von Schwaben, der 1536 starb und in Augsburg bestattet wurde8). Sie überlebte ihn um elf Jahre. Das Epitaph im Dom ließ Karl Villinger für seine Mutter errichten und ist vermutlich ein Werk des Augsburger Künstlers Sebastian Loscher9). Die Grabplatte, die den ursprünglichen Begräbnisort der Ursula Adler bezeichnete, befindet sich derzeit im Kreuzgang (s. Kat.-Nr. 497).

Textkritischer Apparat

  1. Die Worttrenner sind kleine Quadrangeln.

Anmerkungen

  1. Niedermayer 80; Walderdorff, Regensburg 156; Zahn, Dom 61, 63; Freytag/Hecht 11; Kdm Regensburg I, 130 (Abb. 69); Hubel/Kurmann, Der Regensburger Dom 84; Fuchs Friedrich, Der Dom St. Peter 174; Reidl, Das Grabmal einer Herzogin 54; Hubel/Schuller, Dom, Fotodokumentation 753 (Abb. 2524-2526); Endres, Führer 10 vermerkt als einziger, dass dieses Epitaph ursprünglich in der St.-Ulrichs-Kirche stand.
  2. Württembergisches Adels-und Wappenbuch 915.
  3. BayA1 64.
  4. BayA1 102.
  5. Württemnbergisches Adels-und Wappenbuch 915.
  6. Reinhard, Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts 4, Nr. 7, K3; zu Philipp Adler ebenda.
  7. Zusammengefasst nach Wiesflecker, Kaiser Maximilian I., Bd. V, 258-261; Reindl, Loy Hering 476 (F 49); Bauer, Clemens: Jakob Villinger. Großschatzmeister Kaiser Maximilians 9ff.; Häberlein, Die Fugger 58.
  8. Oberösterreichisches Landesarchiv, Herrschaftsarchiv Greinburg (Restbestand), Urkunde 45: Hier erscheint sie als Witwe des Johann Löbl, ihr Sohn Karl tritt als Siegler auf. Diese Urkunde ist ausgefertigt in Regensburg am 12. Januar 1544.
  9. Schädler, Allegorie der Gerechtigkeit 194f.; Hubel/Kurmann, Der Regensburger Dom 84; Fuchs Friedrich, Der Dom St. Peter 174 (Anm. 250).

Nachweise

  1. Zirngibl, Epitaphia 13; ABAdW, Grabsteinbuch 71; Archiv Alte Kapelle, sign 506; Cranner 124; Ried, Collectio 13r; Sammlung Resch 318; Reindl, Loy Hering 476 (F 49).

Zitierhinweis:
DI 95, Stadt Regensburg, Nr. 496 (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di095m017k0049601.