Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 126 Archivbau 1537

Beschreibung

Renovierungsinschrift des Markgrafen Ernst von Baden. Im Archivbau (Schloßberg 18, früher Reuchlin-Museum), im 2. Obergeschoß an der Südwestwand; ursprünglich am Unteren Tor des Pforzheimer Schlosses über der Fußgängerpforte. Hochrechteckige Tafel aus hellgrauem Sandstein; Aedikula-Rahmung mit Segmentbogen über Pfeilern mit reich ornamentierten Füllungen. Die Pfeiler und der Bogen täuschen perspektivisch einen Tiefenraum vor, den ein großes Vollwappen ausfüllt; dieses ist von vier kleineren Wappenschilden umgeben. Auf den weit vorspringenden Kämpfern der Kapitelle standen ursprünglich zwei geflügelte Putti, von denen nur noch der linke fragmentarisch erhalten ist. An der Stirnseite des Bogens zwischen erhabenen Randprofilen die Inschrift. Sehr schlecht erhalten; alle vorspringenden Teile abgeschlagen oder bestoßen; die rechte obere Ecke mit dem Ende des Bogens ist ausgeflickt. Die Inschrift ist durch Nachzeichnung der Buchstaben mit schwarzer Farbe verunklärt.

Ergänzung nach Weygold.

Maße: H. 107, B. 99, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Stadtarchiv Pforzheim [1/1]

  1. · HERNE[S]TVS · M(ARCHIO) · BADENSIS RESTITVI FEC̣IT ẠN(NO) · M · Da) · XX[XVII]

Übersetzung:

Ernst, Markgraf von Baden, ließ (dies) wieder aufbauen im Jahr 1537.

Wappen:
Baden;
Hachberg1Üsenberg2
Badenweiler3Rötteln4.

Kommentar

Markgraf Ernst (reg. 1535–1553) ist der Begründer der Ernestinischen Linie des Hauses Baden. Nach der Landesteilung im Jahr 1535 wurde Pforzheim Residenz und Grablege der Ernestinischen Linie5, die nach Verlegung der Residenz von Pforzheim nach Durlach im Jahre 1565 als Linie Baden-Durlach zu benennen ist. Für eine Bautätigkeit unter dem Markgrafen Ernst nach Erhebung der älteren Burg zum Residenzschloß bietet diese Bauinschrift am unteren Tor einen Anhaltspunkt, da für die baugeschichtliche Entwicklung des Pforzheimer Schlosses die wichtigsten Daten fehlen. Es ist anzunehmen, daß Markgraf Ernst in Zusammenhang mit dem unteren Schloßtor auch das „Neue Schloß“ im westlichen Teil des alten Burgplatzes erbaut hat, das 1689 bei der Stadtzerstörung bis auf die Keller niedergebrannt ist6. Auf den Grundmauern dieser Keller wurde erst 1766/1768 der „Große Speicher“ errichtet (Abbruch 1907). Dem Neuen Schloß vorgelagert war das „Untere Schloßtor“ als Zugang der Gesamtanlage von der Stadt her. Hier öffnete sich die südliche Umfassungsmauer des Schlosses in einer großen Tordurchfahrt mit einem kleineren Tor daneben. Über dem kleinen Tor war die hier behandelte Inschrifttafel eingelassen, über dem großen Tor die Inschrifttafel des Markgrafen Karl II. von 15587. Die Doppeltoranlage wurde zusammen mit dem westlich anschließenden Turm 1861 abgebrochen. Die damals geborgenen Inschrifttafeln gelangten später in den Archivbau (Reuchlin-Museum).

Trotz des hohen Zerstörungsgrades ist die hervorragende Qualität des kleinen heraldischen Kunstwerks noch erkennbar. Die virtuose Steinmetzenarbeit läßt eine Zuschreibung an die Werkstatt des Christoph von Urach erwägen. Vergleichbar ist in erster Linie die Wappentafel der Alten Kanzlei von 1538 mit ihrem üppigen Dekor8. Die Schriftformen sind zum Vergleich kaum mehr brauchbar, jedenfalls aber von der dort verwendeten Kapitalis abweichend. Die engstehenden Buchstaben haben klassische Proportionen und folgen auch in der Ausformung klassischen Vorbildern. Dementsprechend ist das M trapezförmig mit einem bis auf die Grundlinie heruntergezogenen Mittelteil.

Textkritischer Apparat

  1. Die Zahlzeichen M und D sind überstrichen.

Anmerkungen

  1. Gekrönter Löwe.
  2. Halbflug mit Kleeblattstengel belegt.
  3. Pfahl, belegt mit drei Sparren.
  4. Geteilt, oben wachsender Löwe, unten zwei Wellenbalken.
  5. Zur Genealogie vgl. Europäische Stammtafeln NF I/2, Taf. 268. Zur Person des Markgrafen vgl. sein Grabmal in der Schloßkirche, nr. 129.
  6. Zur Baugeschichte des Schloßbereichs vgl. KdmBadenIX/6, 278–304, speziell zum Unteren Tor ebd. 283f., zum „Großen Speicher“ ebd. 295–299.
  7. Vgl. nr. 161.
  8. Vgl. nr. 130.

Nachweise

  1. Karlsruhe, GLA 47/39, Weygold, Epitaphia 1747, fol. 12.
  2. KdmBadenIX/6, 283f. mit Abb. 217.

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 126 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0012608.