Inschriftenkatalog: Stadt Pforzheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 57: Stadt Pforzheim (2003)

Nr. 100 Ev. Schloßkirche (Stiftskirche St. Michael) 1510

Beschreibung

Fragmente der Grabplatte des Nicolaus Spengler von Bönnigheim. Ab 2002 Lagerung im Lapidarium unter der Margarethen-Kapelle geplant. Ehemals im südlichen Nebenchor; nach Zerstörung der Platte 1945 durch Kriegseinwirkung sind die Bruchstücke als Füllmaterial verwendet worden; beim Abtragen der Aufschüttung außen auf der Südseite des Langhauses hat man 1994 Bruchstücke der Grabplatte wiedergefunden und vorübergehend im Stadtmuseum geborgen. Ursprünglich hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien; im Feld Kelch, darunter in Relief ein Wappen mit einem zottigen Bären als Wappenhalter. Heute fünf kleinteilige und zusammenhängende Fragmente der Fußleiste komplett geborgen, ferner drei zusammenhängende Fragmente der linken Längsseite. Die Ecke links oben mit dem letzten Wort der Inschrift war schon 1939 zerstört (Buchstabenverlust).

Inschrift ergänzt nach KdmBadenIX/6.

Maße: H. ursprünglich 205, B. 92, Bu. 5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. [Annoa) d(omi)ni Mccccb) . x . / die verioc) . feriad) mensis . . . .e) O(biit) Reuerend(us) m(a)g(iste)r] · nicolau[s] / · spengler . de bunicken1) / pleb[anus . expecta]ns · resurrection[e(m) . . . . . . . et uita ve(n)turitef)]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1410 am (. .) Tag des Monats (…) starb der ehrwürdige Magister Nicolaus Spengler von Bönnigheim, Pfarrer, in Erwartung der Auferstehung (…) und des Lebens der zukünftigen (…).

Wappen:
Spengler2.

Kommentar

Nicolaus Spengler stammt aus einer mehrfach in Bönnigheim (Lkr. Ludwigsburg) nachweisbaren Familie. Er war 1462–1464 an der Universität Heidelberg immatrikuliert und erwarb 1477 dort die Würde des Magister artium3. Zunächst hatte er die Pastorie in Mönsheim (Enzkreis) inne. Diese vertauschte er am 29. 4. 1500 mit Johannes Wissenstein gegen das Kanonikat am Dreikönigsaltar der Pforzheimer Stiftskirche4. Spengler konnte aufgrund seines Wappens als Mitstifter des nach 1501 geschaffenen Hochaltar-Retabels der Bönnigheimer Pfarrkirche St. Cyriakus identifiziert werden5. Dort ist er als kniender Stifter, mit Almutia und Birett bekleidet, auf dem rechten Flügel des Retabels dargestellt. Spengler ist im Dezember 1510 gestorben6.

Aus diesen Fakten geht hervor, daß bei Lacroix das Todesdatum zu korrigieren ist. Nach der Ergänzung der abschließenden, formelhaften Wendung nach der Liturgie der Totenmesse7 könnte die Inschrift folgendermaßen gelautet haben:

[An]no d(omi)ni Mcccc[c] . x . / die vero (?) . sexta (?) mensis [decembris] O(biit)
Reuerend(us) m(a)g(iste)r · nicolaus / · spengler . de bunicken / plebanus . expectans ·
resurrectione(m) [mortuorum] et uita(m) ve(n)turi se[culi]

Zum Text der Grabinschrift ist bemerkenswert, daß Spengler hier als plebanus bezeichnet wird, nicht aber als canonicus, obgleich er in Pforzheim als Stiftsherr bekannt gewesen sein dürfte. Anstelle der üblichen Fürbittformel steht hier der Schluß aus dem Credo Nicaeno-Constantinopolitanum. Die Schrift ist feinstrichig in der Ausführung und besitzt ausgeprägte Schaftbrechungen.

Textkritischer Apparat

  1. Befund zuletzt: [. .]no KdmBadenIX/6.
  2. So KdmBadenIX/6; Steinmetzfehler statt Mccccc.
  3. Sic! Vermutlich statt vero.
  4. So KdmBadenIX/6; vermutlich verlesen statt sexta. Dieser Lesefehler wäre jedenfalls paläographisch nachvollziehbar.
  5. Die Stelle war schon 1939 zerstört. Der urkundlichen Überlieferung zufolge ist vermutlich decembris (in gekürzter Form) zu ergänzen.
  6. So KdmBadenIX/6, das letzte Wort dort als unsichere Lesung gekennzeichnet; Bedeutung unklar.

Anmerkungen

  1. Bönnigheim.
  2. Liegende Mondsichel, aus der ein Unterarm mit Zweig herauswächst. Die Bedeutung des Bären als Wappenhalter ist nicht bekannt.
  3. Toepke I 307, II (Anhang) 409.
  4. Johannes Wissenstein hat diese Stiftsherrenstelle am 8. Mai 1488 erlangt; vgl. Fouquet, St. Michael in Pforzheim 1983, 159 nr. 48, 161 nr. 56.
  5. Vgl. DI 25 (Ludwigsburg) nr. 189.
  6. Vgl. Fouquet (wie Anm. 4) mit urkundlichem Nachweis.
  7. Vgl. die Grabplatte des Johannes Bremgarten von 1498; nr. 82. Vgl. ferner LThK 7, 3. Aufl., 1998, Sp. 798–800 (Vf. Dorothea Sattler).

Nachweise

  1. KdmBadenIX/6, 149 nr. 21.
  2. Trost, Schloßkirche 1962, 23, 74.
  3. Pforzheim, Staatl. Hochbauamt, Dokumentation der Firma Kraus, Tübingen (1994).

Zitierhinweis:
DI 57, Stadt Pforzheim, Nr. 100 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di057h015k0010004.