Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)

Nr. 324 Bad Mergentheim, kath. Münster St. Johannes d. Täufer 1600

Beschreibung

Kelch mit Stifterinschrift des ev. Abts von Hirsau Johannes Hutzelin. Vermutlich im Zuge des Dreißigjährigen Krieges nach Mergentheim verschleppt; Herkunft ungeklärt. Silber, vergoldet; gegossen, getrieben, ziseliert. Über glatter Sockelplatte aufgewölbter runder Fuß mit ziseliertem Rautenmuster, in jeder Raute eine getriebene halbkugelige Vertiefung; fast senkrecht ansteigender schmaler runder Fußhals; Schaft und Nodus sind zu einer Vasenform mit lanzettförmigen Buckeln zusammengefaßt, die glockenförmige Cuppa unten mit ebensolchen Buckeln verziert, die Wandung wie der Fuß mit ziseliertem und getriebenem Punkt-Rauten-Muster netzartig überzogen; unter dem einfach profilierten Rand auf glattem Grund 2zeilig umlaufende erhaben gepunzte Inschrift. Die Inschrift ist an zwei Stellen durch starken Abrieb des Metalls unkenntlich. Am Fuß Gießermarke MD (Nexus litterarum) und als Beschauzeichen eine 6blättrige Rosette1. Der Kelch wurde 1998 restauriert.

Maße: H. 15,8, Dm. (Fuß) 7,6, (Cuppa) 8,0, Bu. 0,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. IOH(ANNES)a) HVTZELIN . [AB]BASb) . HIRSCHAV[.   .]NSISc) . MAGISTRATVI . NICROKIRCHENSI . IN . / [. .]ERP:d) S . MF̣Me) . Ḷ . D . IN . CVRIAL[.]f) ẠNNO . D(OMINI) . M . DCg) .h)

Übersetzung:

Johannes Hutzelin, Abt von Hirsau … dem Rat von Kirchheim am Neckar (?) … im Jahr 1600.

Kommentar

Die mit sorgfältig gearbeiteten Punzen hergestellten Buchstaben weisen mit Ausnahme von I und S durchweg quadratische Proportionen auf. Die kräftigen, weit überstehenden, an den Enden abgerundeten Sporen erreichen fast Schaftstärke. Die Sporen an den Bogen- und Balkenenden sind ausnahmslos rechtsschräg angesetzt. Der Mittelbalken des E ist stark verkürzt, der obere Balken des Z leicht geschwungen.

Der Stifter des Kelchs, Johannes Hutzelin, war von 1596 bis 1617 evangelischer Abt des Klosters Hirsau2. Der Empfänger der Stiftung läßt sich nicht eindeutig identifizieren. Nicrokirchensi könnte eine latinisierte Adjektivbildung zu Kirchheim am Neckar (Lkr. Ludwigsburg) sein. Persönliche Verbindungen Hutzelins nach Kirchheim oder Kontakte Hirsaus dorthin, die eine Kelchstiftung an den dortigen Rat hätten veranlassen können, sind freilich bislang nicht nachzuweisen.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Doppelpunkt.
  2. Linker Schrägschaft des ersten A noch schwach sichtbar.
  3. Hirschauensis OAB Mergentheim; dem zur Verfügung stehenden Platz nach eher: HIRSCHAV[IE]NSIS; diese Form entspricht auch besser der üblichen Schreibweise Hirsaugiensis; vgl. auch den Lokativ Hirschaui in einer Hirsauer Versinschrift von 1569: DI 30 (Calw) nr. 252†.
  4. Am Wortbeginn vielleicht nur Ausfall eines Buchstabens.
  5. Vielleicht auch MEM; dann Auflösung der Abkürzung als S(VAE) MEM(ORIAE) denkbar.
  6. Ausfall eines Buchstabens oder lediglich eines Kürzungszeichens (Doppelpunkt?).
  7. Jahreszahl in neulateinischen Zahlzeichen: Tausenderzeichen als Schaft zwischen zwei einander zugewendeten Bögen; Zeichen für 500 als Schaft vor nach links offenem Bogen.
  8. Danach ein Lilien- und Rankenfries als Zeilenfüller.

Anmerkungen

  1. Nicht nachgewiesen; wohl kaum als Augsburger Beschauzeichen (Zirbelnuß) zu deuten, die um 1600 deutlich anders gestaltet war. Daher ist auch die Zuweisung an den 1595–1638 (†) in Augsburg tätigen und mit MD signierenden Goldschmied Martin Dumler unsicher. Zu Dumler und seiner Marke vgl. Helmut Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529–1868, Bd. 3: Meister, Marken, Beschauzeichen, München 1980, 120.
  2. Germania Benedictina V, 296.

Nachweise

  1. OAB Mergentheim 325 (Wortlaut unvollständig).
  2. Morand/Besserer, Unterwegs 125 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 324 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0032409.