Inschriftenkatalog: Mergentheim (Landkreis)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 54: Landkreis Mergentheim (2002)
Nr. 91 Wien, Schatzkammer des Deutschen Ordens 15. Jh.
Beschreibung
Natternzungenkredenz. Seit 1526 in Inventaren des Deutschordensschatzes nachweisbar; von Mergentheim in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zusammen mit dem übrigen Schatz nach Mainau geflüchtet, 1632 weiter nach Rodenegg/Südtirol; erst auf Umwegen 1660 nach Mergentheim zurückgekehrt; nach erneuter Flüchtung in den Revolutionskriegen nach Nürnberg und Prag ab 1801 wieder in Mergentheim; seit 1805 in Wien1. Inv.-Nr. K-037. Sechskantiger Salzbehälter über sechseckigem Fuß und sechskantigem schmalem Schaft, Silber vergoldet, getrieben, gegossen, graviert und ziseliert, aus der Zeit um 1400 (burgundisch?). In der Mitte des Behälters ein wohl in der Mitte des 15. Jahrhunderts eingefügter Knopf mit einer geschnittenen und mit graviertem Blattwerk verzierten Halterung (ebenfalls Silber vergoldet, Nürnberger Arbeit2), in der ein großer roter Korallenbaum befestigt ist. An den Enden der Verzweigungen hängen 13 (ursprünglich 15)3 Haizähne (sog. „Natternzungen“) mit silbervergoldeten Fassungen. Zwei dieser Fassungen sind mit je einem Saphir und einem Rubin geschmückt, die größte trägt auf beiden Breitseiten eine gravierte Inschrift. Einige der Fassungen, darunter auch die letztere, sind im 15. Jahrhundert entstanden, die übrigen in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, die Provenienz der Arbeiten ist ungeklärt4. Durch die Aufhängung steht die Inschrift der Zahnfassung auf dem Kopf. Mehrfach repariert.
Maße: H. (gesamt) 32,8, B. 29, Bu. 0,5–0,7 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
ie(su)sa) // chr(istu)sb)
Textkritischer Apparat
- Als „griechisches“ nomen sacrum ihs.
- Als „griechisches“ nomen sacrum xps; YPS Dudík.
Anmerkungen
- Vgl. Dudík, Kleinodien 161.
- So Kohlhaussen 163; vielleicht identisch mit der archivalisch bezeugten 1453 von Kaiser Friedrich III. bei dem Goldschmied Lukas Kemnater bestellten Arbeit.
- So noch im Inventar von 1606, vgl. Dudík, Kleinodien 161. Zwei der heute vorhandenen Zähne sind Ergänzungen des 19. Jh., vgl. 800 Jahre Dt. Orden 234 nr. III.8.30.
- Vgl. ebd.
- M. Grams-Thieme, Art. „Koralle“, in: LMA 5, Sp. 1441f. m. weiterer Lit.
- Vgl. 800 Jahre Dt. Orden 234 nr. III.8.30; Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik 257; Kohlhaussen 162f. nrr. 252f.
Nachweise
- Dudík, Kleinodien 160f., Taf. m. Abb.
- Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik, 257 nr. 506 (Abb.).
- 800 Jahre Dt. Orden 234 nr. III.8.30 (m. Abb. vor S. 1).
- Krones 50f.
Zitierhinweis:
DI 54, Landkreis Mergentheim, Nr. 91 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di054h014k0009109.
Kommentar
Den fossilen Haizähnen, die man für Natternzungen hielt, wurden magische Abwehrkräfte gegen die Vergiftung von Speisen zugeschrieben, was ihre Anbringung an dem Salzfäßchen erklärt. Auch von Korallen versprach man sich eine apotropäische Wirkung5. Die Christus-Anrufung hat in diesem Zusammenhang demnach sicherlich ebenfalls unheilabwehrende Funktion. Von Natternzungenkredenzen, die im Spätmittelalter recht häufig gewesen sein müssen, haben sich außer dem vorliegenden Exemplar nur zwei weitere in Wien und Dresden erhalten6.