Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 38† St. Michaeliskirche 1471

Beschreibung

Totenschild (?) für Herzog Otto II. von Braunschweig und Lüneburg. Über Standort, Ausführung und Verbleib ist nichts Näheres bekannt. Rikemann überliefert folgende Inschrift1):

  1. Na Christi bort 14. in dem 71. iare, am middewecken na der hilligen dre konig dage, is vorstorven de erluchte hochgebaren forste und here hertzog Otto, hertzogen Fredericks sone, tho Brunswick und Luneborch hertzog, dem Gott gnedich sie.

Datum: 1471, Januar 9.

Kommentar

Es kann als gesichert gelten, daß Herzog Otto in der welfischen Familiengruft im Mittelschiff der Klosterkirche beigesetzt wurde2). Damit ist die Existenz einer besonderen Grabplatte oder eines Grabsteines unwahrscheinlich, und als Träger der hier tradierten Inschrift ist nur ein Totenschild denkbar. Für diese Annahme spricht auch das dem Text zugrundeliegende Formular3). Es ist erweitert um Epitheta, die, wenngleich formelhaft, den Rang eines regierenden Fürsten widerspiegeln.

Eine sehr verwandte Inschrift zeigt der noch heute in der Elisabethkirche zu Marburg vorhandene Totenschild für den im Jahre 1500 verstorbenen Landgrafen Wilhelm III. von Oberhessen4). Der kreisrunde Schild besitzt am Rand zwei aneinanderstoßende, als konzentrische Ringe gestaltete Schriftbänder, die den Text aufnehmen. Im Mittelfeld befindet sich das Wappen des Landgrafen mit Helm, Helmzier und Helmdecken5).

Das Marburger Beispiel untermauert nicht nur die Vermutung, die Lüneburger Inschrift sei die eines Totenschildes gewesen, sondern gibt zugleich Anhaltspunkte für dessen mögliche Gestaltung. Der Totenschild für Herzog Otto könnte an einem Pfeiler in der Nähe des Denkmals über der Fürstengruft aufgehängt gewesen sein.

Otto II. wurde 1439 als jüngerer Sohn Herzog Friedrichs geboren. Friedrich legte 1458 die Regierung des Fürstentums Lüneburg nieder und übertrug sie seinem älteren Sohn Bernhard II., der sie bis zu seinem Tode im Jahre 1464 innehatte6). Die Nachfolge trat sein Bruder Otto an. Nach ebenfalls kurzer Regierungszeit starb er am 9. Januar 1471 in Celle7). Otto II. war der letzte Regent des Fürstentums, der im Michaeliskloster beigesetzt wurde. Sein Vater Friedrich, der 1471 noch einmal die Regierung übernahm, wurde nach seinem Tode 1478 im Franziskanerkloster zu Celle8), sein Sohn Heinrich der Mittlere im Kloster Wienhausen bestattet9). Dessen Sohn und Nachfolger Ernst der Bekenner verlegte das herzogliche Erbbegräbnis endgültig nach Celle10).

Anmerkungen

  1. Fol. 4 v.
  2. So bereits N. N. [L. A. Gebhardi], Nachricht, S. 188. Diese Untersuchungen basieren auf dem Befund, den die Öffnung der welfischen Gruft im Jahre 1792 erbrachte (vgl. Nr. 27). Daß es sich bei dem Anonymus um Gebhardi handelt, geht daraus hervor, daß sich im 9. Band seiner Kollektaneen, S. 957–962, die Manuskriptfassung dieses Aufsatzes befindet. Seine Angaben wurden u. a. übernommen von Halliday, History, S. 382, und Steinmann, Grabstätten, S. 86.
  3. Vgl. die erhaltenen Totenschilde Werners (XIII.) und Boldewins von Meding (Nr. 48 und 65), ferner Nr. 20 und 39.
  4. Abbildung: Leppin, Elisabethkirche, S. 11. Die Inschrift ist nur zum Teil lesbar, doch ist zu erkennen, daß das Formular dem hier verwendeten entspricht.
  5. Eine ähnliche Gestaltung ist für den vorliegenden Fall anzunehmen.
  6. Havemann, Geschichte, S. 709 f.
  7. Havemann (wie Anm. 6), S. 711. Das hier genannte Datum wird durch die Inschrift bestätigt. Deshalb ist die Angabe bei Steinmann (wie Anm. 2), S. 86, (10. Januar) unzutreffend.
  8. Havemann (wie Anm. 6), S. 711.
  9. Steinmann (wie Anm. 2), S. 96. – Vgl. auch Bühring und Maier (Bearb.), Die Kunstdenkmale des Landkreises Celle, Textband, Teil II, Wienhausen, S. 75: „An der Südwand des Altarraumes der Wienhausener Gemeindekirche befindet sich eine 206 × 125 cm große Sandsteinplatte, die den 1532 verstorbenen Herzog in voller Rüstung und Mantel darstellt. Am unteren Rand der Platte befindet sich ein Inschriftfeld mit folgendem Text: ANNO. A. CHRISTO. SALVATORE. NOSTRE. NATO. M. D. XXXII / FEBRVARII. DIE. XLX [!]. QVI. FVIT. DIES. MARTIS. POST. REMINIS = / CERE. PIE. IN. CHRISTO. OBIIT. HENRICVS. BRVNSVI: ET / LVNAEBVRGENSIM. DVX. OTHONIS. FILIVS. ANNO. AETATIS. SVAE. LXVI.“
  10. Steinmann (wie Anm. 2), S. 250 f.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 38† (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0003800.