Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 27 Museum A 22, A 23 (1432)

Beschreibung

Denkmal von der Fürstengruft in der St. Michaeliskirche mit Resten einer längsrechteckigen Schrifttafel. Eichenholz, Bronze. Sockel, Gesims und Plattenbedeckung des nach dem Vorbild eines Nischen-Sarkophages als Hochgrab gestalteten Denkmals wurden 1970 erneuert1). Die Reste der Schrifttafel werden gesondert gezeigt.

Der hölzerne, im wesentlichen gut erhaltene Unterbau zeigt an den beiden Längsseiten je sieben in Hochrelief ausgeführte Schnitzfiguren. Jede Figur steht auf doppeltem, unten sechseckigem und oben ovalem Sockel in einer Nische, die vorn durch einen krabbenbesetzten, auf fialenbekrönten Pilastern mit vorspringenden Ecksäulen ruhenden Kielbogen abgeschlossen wird. Auf der einen Seite erscheint in der Mitte der Figurenreihe der hl. Michael, beiderseits flankiert von drei männlichen Gestalten. Gegenüberliegend findet sich eine entsprechende Anordnung von sechs Frauenfiguren, in ihrer Mitte Maria mit dem Kind. Stirn- und Fußseite des Holzaufbaus tragen in ähnlich gestalteten Nischen je vier Wappendarstellungen.

Älteren Abbildungen ist zu entnehmen, daß zur Abdeckung dieses Gehäuses die unter Nr. 9 beschriebenen Metallgrabplatten Herzog Ottos des Strengen und seiner Gemahlin Mechthild dienten, die damit eine zweite, ihrer ursprünglichen Funktion entfremdete Verwendung erhielten2). Die Platten wur- den so angebracht, daß sie an den Längsseiten bündig mit den Außenkanten des Unterbaus abschließen. Zwischen ihnen sowie ober- und unterhalb blieben schmale, längsrechteckige Flächen frei, die man mit neu angefertigten, einheitlich ornamentierten Bronzetafeln belegte. Die zwischen den beiden Platten liegende Tafel zeigte als Ornament einen mit Laubwerk umwundenen Stab. Ähnlich war die untere, etwas breitere, quer zu den Platten verlaufende Tafel gestaltet. Zusätzlich trug sie in der rechten und linken Ecke je einen Vierpaß, der ihre gesamte Breite einnahm. In gleicher Weise war die Tafel der Oberseite ausgeführt. Hier jedoch wurde der Stab als Schriftzeile genutzt, und das Laubwerk umschlang ihn nicht, sondern bildete oben und unten einen Zierfries.

In dieser Gestalt verdeckte das Monument den Einlaß zur welfischen Familiengruft im Mittelschiff der St. Michaeliskirche. Es befand sich auf der Längsachse des Gebäudes unmittelbar östlich der Grenze zwischen zweitem und drittem Joch von Westen3). Heute markiert eine 1864 angefertigte gußeiserne Platte mit Inschrift den Einstieg zur Gruft4), die aus zwei in Ost-West-Richtung nebeneinander liegenden, jeweils 2,91 m langen und 1,21 m breiten, tonnengewölbten Kammern mit einer Scheitelhöhe von 2,90 m besteht; der Zugang erfolgt durch eine Öffnung im Gewölbe der südlichen Kammer5). Die Errichtung dieser Gruft dürfte mit dem Baubeginn an der Kirche zusammenfallen, deren Grundstein im Jahre 1376 gelegt wurde, und nur kurze Zeit in Anspruch genommen haben6). Es ist davon auszugehen, daß man möglichst schnell über eine geeignete Anlage verfügen wollte, in der die 1371 erhobenen und in der St. Cyriacikirche provisorisch bestatteten Gebeine der billungischen und welfischen Fürsten, die bis dahin in der verlassenen Kirche auf dem Kalkberg begraben worden waren, endgültig beigesetzt werden konnten7). Gebhardi hat nachgewiesen, daß diese Gebeine in die nördliche der beiden Grabkammern verbracht wurden8). Wann das geschah und wie die gesamte Gruft in den ersten Jahrzehnten nach ihrer Fertigstellung gekennzeichnet war, ist nicht bekannt.

Am 29. Juni 1432 stellte Herzog Bernhard I. dem Michaeliskloster eine Urkunde aus, die auch auf diese Gruft Bezug nimmt. Der entsprechende Abschnitt lautet9): Vorder so hebbe wij gekoren und kesen in kraft desses breves vor uns und unse erven unse graft in deme genannten clostere sunte Michele, dar ok unse leven modere, husfrouwe und elderen seliger dechtnisse ere graft hebben gehad; wolde wij ok der heren fursten und furstinnen graff in deme clostere beteren edder tziren, dar to schullen de vorscrevenen heren abbet, prior und convent behulpen wesen. Dieser Passus mit seinen Auflagen für das Kloster, die von Abt Boldewin von Wenden sowie von Prior und Konvent am selben Tage bestätigt wurden10), kann ohne Bedenken mit dem hier zu behandelnden Denkmal in Verbindung gebracht werden. Die Formulierungen zeigen deutlich, daß das Hauptmotiv für die Anordnung des Herzogs die bewußte Pflege der welfischen Familientradition war. Wenn er die Ausführung seiner Bestimmungen dem Abt überließ, so konnte er das in der Überzeugung tun, daß seine Motive respektiert werden würden: Boldewin von Wenden war durch seine Mutter mit den Welfen blutsverwandt11). Vermutlich hat er das Denkmal in Auftrag gegeben. Diese Annahme wird dadurch wahrscheinlich, daß das Monument durch die Forschungen Willi Meynes dem bis 1438 in Lüneburg tätigen Hans Snitger dem Jüngeren zuzuweisen ist12). Ausgehend von der Urkunde des Herzogs ist eine Datierung in das Jahr 1432 erlaubt, wenngleich sich die Fertigstellung über längere Zeit erstreckt haben wird.

Für mehr als dreieinhalb Jahrhunderte stand das Denkmal an der bezeichneten Stelle. Auf dem um 1700 entstandenen Gemälde des Zeichenlehrers Burmeister vom Inneren der Michaeliskirche ist es deutlich an seinem Platz zu erkennen13). Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt erhielten alle Holzteile einen weißen Anstrich, der offensichtlich den Eindruck hervorrufen sollte, den Philipp Julius Rehtmeier in seiner 1722 veröffentlichten Beschreibung mit der Wendung wiedergab, daß „die Latera Allabaster“ seien14). Seine Angaben sind dagegen zuverlässig in der Feststellung, daß die Längsseite mit den männlichen Figuren nach Süden, diejenige mit den weiblichen nach Norden zeigte15). Im Zuge des Umbaus der St. Michaeliskirche zu Ende des 18. Jahrhunderts gelangte das Denkmal 1792 in das Museum der Ritterakademie, das man im Chor der Kirche einrichtete16). 1830 wurde es seiner Metallteile beraubt, wurde später dem Lüneburger Altertumsverein überwiesen und gehört so zu dem Grundbestand des Museums für das Fürstentum Lüneburg.

Neben dem hölzernen Unterbau haben sich Teile der oberhalb der beiden Metallgrabplatten befindlich gewesenen Bronzetafel erhalten. Diese Tafel war nach der Beraubung zunächst der Länge nach aufgetrennt und dann in kleine Stücke zerlegt worden. Ein Teil dieser Einzelstücke ist verloren, 18 von ihnen konnten aus dem Diebesgut sichergestellt und vor dem Einschmelzen bewahrt werden17). Sie lassen sich so zusammenfügen, daß eine ausreichende Vorstellung von der ursprünglichen Gestalt der Tafel entsteht und auch die Inschrift stellenweise vollständig zu lesen ist. Im linken Vierpaß ist die untere Hälfte eines Adlers zu erkennen, der in der rechten Klaue ein Schriftband mit der Inschrift (A) hält. Sie weist die Darstellung als Symbol des Evangelisten Johannes aus. Der rechte Vierpaß zeigt das Haupt eines geflügelten Löwen und den Anfang eines aufgerollten Schriftbandes, dessen Inschrift nicht mehr vorhanden ist. Sie wird den Löwen als Symbol des Evangelisten Markus bezeichnet haben. Es ist davon auszugehen, daß die beiden Vierpässe der verlorenen unteren Tafel die Evangelistensymbole des Matthäus und Lukas enthielten18). Die Schriftreihe trägt in erhabenen Buchstaben die Inschrift (B). Die Ergänzungen sind der Überlieferung Rikemanns entnommen19).

Maße: Unterbau: H. 76,0 cm; B. Längsseiten 227,0 cm, Schmalseiten 199,0 cm. Schrifttafel: H. 28,0 cm; B. 193,0 cm. Bu. ca. 5,0 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    s iohann es

  2. B

    [h(ec) e(st)] gene(r)al[is] · se[pultura illus]triu(m) · pri(n)cipu(m) · ducu(m) · necno(n) : d[ucissaru(m)] : de · [bru(n)swik et] · [lune]bo[rc]h

Übersetzung:

Dieses ist das Familienbegräbnis erlauchter Fürsten, der Herzöge sowie der Herzoginnen von Braunschweig und Lüneburg.

Kommentar

Die Bestimmung der Wappen wird dadurch erschwert, daß ihre Tingierung weitgehend verloren ist20). Zudem wurde die originale Farbfassung bereits verfälscht, als das Denkmal den erwähnten Anstrich in weißer Farbe erhielt und anschließend die Wappen neu bemalt wurden21). Da aber die Blasonierung als Schnitzarbeit ausgeführt wurde und die Schildfiguren signifikant sind, ist eine sichere Identifizierung möglich. Dargestellt sind folgende Wappen:

 

 

 

 

I. Kopfseite, von links nach rechts:
1. Herzöge von Braunschweig und Lüneburg (nach rechts springendes Pferd)22)
2. Herzöge von Sachsen-Wittenberg (Schild geviert; 1 : nach rechts schreitender Löwe, 2 : zwei gekreuzte Schwerter, 3: drei Seeblätter 2 : 1, 4: Rautenkranz auf Balkenteilung)23)
3. Herzöge von Bayern (schrägrechte Rauten mit Querteilung)24)
4. Herzöge von Sachsen-Lauenburg (Rautenkranz auf Balkenteilung)25)

 

 

 

 

II. Fußseite, von links nach rechts:
5. Herzöge von Sachsen-Anhalt (Schild gespalten; vorn halber Adler, hinten Balkenteilung)26)
6. Grafen von Everstein (nach rechts schreitender gekrönter Löwe)27)
7. Herzöge von Braunschweig und Lüneburg (zwei nach rechts gewendete Leoparden)28)
8. Herzöge von Braunschweig und Lüneburg (nach rechts schreitender Löwe)29)

Die Wappen sind dreimal von Ludwig Albrecht Gebhardi und außerdem von Hektor W. H. Mithoff, Wilhelm Reinecke, Willi Meyne und Georg Schnath beschrieben oder bestimmt worden30). Keine dieser Darstellungen ist fehlerfrei. Schnath hält das Wappen 5 fälschlich für das der Herrschaft Homburg und bezeichnet Wappen 4 mit Lüneburg31). Diese Identifizierung ist ebenfalls irrig, wenn nicht ein Druckfehler vorliegt und Lauenburg gemeint ist. Die übrigen genannten Veröffentlichungen basieren auf den Angaben Gebhardis, so daß dessen Irrtümer stets wieder übernommen wurden. Er hat die Identifizierung der Wappen 6 und 8 gegeneinander vertauscht – offenbar weil er durch eine falsche Tingierung irritiert war32). Reinecke, dem Meyne folgte, schrieb diese Versehen fest, indem er den Löwen in Wappen 8 – unzutreffend – als gekrönt bezeichnete33). Die teilweise falsche Bestimmung und eine willkürlich anmutende, im wesentlichen ebenfalls auf Gebhardi zurückgehende Zuweisung an bestimmte Personen haben eine einleuchtende Deutung der Wappenreihen bis heute verhindert34). Im folgenden soll ein Vorschlag für die Interpretation dieser heraldischen Darstellung entwickelt werden, der von den Bestimmungen Herzog Bernhards für die Herstellung des Denkmals ausgeht.

Der oben zitierte Text dieser Bestimmungen läßt, wie bereits erwähnt, ein starkes Familien- und Traditionsbewußtsein erkennen. Bernhard nennt nicht nur seine Mutter, seine Ehefrau und seine Vorfahren, sondern hebt ausdrücklich hervor, daß das neu zu schaffende Monument die Gruft der heren fursten und furstinnen in der Kirche tziren solle. Beabsichtigt war also, ein repräsentatives Denkmal für die Begräbnisstätte des Herrscherhauses zu schaffen. Bernhard war der erste Welfe, der nach den Auseinandersetzungen mit den Askaniern wieder die Regierung des Fürstentums Lüneburg übernahm35), das Territorium also für das Gesamthaus gleichsam zurückgewann, nachdem es für mehrere Jahre unter der Herrschaft der Herzöge Wenzel und Albrecht von Sachsen-Wittenberg gestanden hatte. Unter diesen Umständen muß hinter Bernhards Willen, ein Monument über der Familiengruft errichten zu lassen, vor allem das Verlangen nach Selbstdarstellung des Welfenhauses gestanden haben. Dieses Verlangen findet seine Entsprechung in der Gestaltung des Denkmals: alle drei Schildfiguren, die das Gesamthaus zu der Zeit führte, sind in die Wappenreihen aufgenommen worden: die Braunschweiger Leoparden (7), der Lüneburger Löwe (8) und das seit 1361 gebräuchliche springende Pferd (1)36). Gerade das Pferd zeigt den Zusammenhang mit dem Lüneburger Erbfolgekrieg, aus dem die Welfen siegreich hervorgegangen waren: in den Auseinandersetzungen wurde es von den welfischen Herzögen bewußt im Siegel geführt, um gegen die sächsischen Herzöge den Anspruch auf das altsächsische Gebiet zu dokumentieren37). Gleichgültig, ob das Pferd auch an dem Grabdenkmal, gewissermaßen als Zeichen des endgültigen Sieges, eine solche dokumentierende Funktion erfüllen sollte oder nicht, ist der Sarkophag ein ausschließlich zur Pflege welfischer Familientradition bestimmtes Monument. Das geht aus der heraldischen Gestaltung ebenso hervor wie aus den Formulierungen in der Urkunde Herzog Bernhards.

Aus diesen Feststellungen ergeben sich Konsequenzen für die Zuweisung der übrigen fünf Wappen: sie können sich nur auf die Ehefrauen welfischer Herzöge beziehen, die im Fürstentum Lüneburg regiert haben. Diese Auffassung wird durch die spezifische Anordnung der Wappen am Denkmal bestätigt, das nur auf den ersten Blick als Hochgrab für zwei Personen erscheint38). Dieser Eindruck wird dadurch hervorgerufen, daß es als Abdeckung die Grabplatten Herzog Ottos II. und seiner Gemahlin Mechthild trug, die so die Funktion der sonst üblichen Auflagefiguren übernahmen. Damit läßt sich eine Männer- und eine Frauenseite unterscheiden, zusätzlich hervorgehoben durch die Beigabe weiblicher und männlicher Schnitzfiguren an den entsprechenden Längsseiten. Nicht mehr jedoch als diese generelle Unterscheidung hat man ermöglichen wollen, als man sich der herkömmlichen Gestaltungsprinzipien bediente; ausschlaggebend war nicht etwa die Absicht, den individuellen Bezug zu einem bestimmten Ehepaar herzustellen. Damit steht in Einklang, daß die bereits behandelten Wappen 1, 7 und 8 auf der Seite des Mannes stehen und ihre allgemeine Geltung für welfische Herzöge dieser Seite des Monuments gleichfalls eine generalisierende Bestimmung gibt. Folgerichtig sind die Wappen 3 bis 6 auf der Seite der Frau Lüneburger Herzoginnen zuzuweisen und nicht als Symbole einer Ahnentafel auf eine einzige Person zu beschränken.

Das Gestaltungsprinzip mit seinen allgemeinen Bezügen scheint durch den Platz des Wappens 2 auf der Männerseite durchbrochen zu sein. Gebhardi und andere haben es für Herzog Albrecht von Sachsen-Wittenberg in Anspruch genommen, der seine Grabstätte ebenfalls in der Michaeliskirche erhielt39). Diese Interpretation scheidet nach allem bisher Dargelegten eindeutig aus. Die Zuordnung des Wappens gelingt mit Hilfe einer Überlegung, die neben die allgemeine Geltung der drei welfischen Wappen auf der Männerseite als Ausnahme eine zusätzliche, individuelle Geltung stellt und diese mit Herzog Bernhard verbindet. Als Stifter übernimmt er eine besondere Rolle, und so läßt sich das Monument auch als Grabdenkmal für ihn und seine Gemahlin begreifen, ohne daß dieser Sachverhalt eigens ausgedrückt wäre. Folgt man dieser Überlegung, wird die Anordnung der Wappen 1, 2, 7 und 8 auf der Seite des Mannes einsichtig: das Wappen 2 steht den drei welfischen Wappen am nächsten, die außer ihrem allgemein gültigen Bezug in einer besonderen Weise auf Herzog Bernhard deuten. Damit ist es auf seine Ehefrau Margarethe von Sachsen-Wittenberg († 1418) zu beziehen, die in der Urkunde des Herzogs ausdrücklich genannt ist.

Die Zuweisung der übrigen Wappen ist problemlos. Gemeint sind Mechthild von Bayern († 1319), Gemahlin Ottos II., Agnes von Sachsen-Lauenburg († 1390), vierte Gemahlin des Herzogs Wilhelm, Katharina von Sachsen-Anhalt († 1390), in erster Ehe mit Herzog Magnus II. verheiratet und Mutter Bernhards, sowie Elisabeth von Everstein, seit 1425 mit Bernhards ältestem Sohn Otto verheiratet. Die Anordnung dieser Wappen der Frauenseite folgt – gegen den Uhrzeigersinn – der Chronologie.

Damit sind durch die Schildfiguren ihrer Ehefrauen alle welfischen Fürsten des Alten und Mittleren Hauses Lüneburg bezeichnet, die das Fürstentum seit 1277 regierten oder nach Bernhards Tode regieren würden. Ihre eigenen Wappen sind einmalig durch die Schilde 1, 7 und 8 gegeben. In der Aufzählung fehlt lediglich Otto III., der bis zu seinem Tode im Jahre 1352 gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm regierte und vermutlich deshalb nicht ausdrücklich als Repräsentant welfischer Herrschaftsausübung aufgeführt werden sollte.

Die Identifizierung der Wappen zeigt, daß es kaum beabsichtigt war, eine Ahnentafel des Stifters darzustellen. Daß einige Vorfahren Bernhards bezeichnet sind, ist ein eher zwangsläufiger Befund. Denn in der Hauptsache sollte anhand der heraldischen Darstellung ganz offensichtlich die Kontinuität der welfischen Herrschaft im Fürstentum Lüneburg vor Augen geführt werden – als Darstellung eines Sachverhalts und als Demonstration zugleich. Anders wäre nicht zu erklären, daß die Wappenreihe bis auf Bernhards Sohn und späteren Nachfolger Otto fortgeführt ist. So wird eine programmatische Absicht deutlich, die bereits die Urkunde Bernhards erkennen ließ, und diese Absicht hat vermutlich auch dazu geführt, das Monument mit den Grabplatten Ottos II. und seiner Gemahlin zu belegen und nicht etwa lebensgroße Schnitzfiguren Bernhards und seiner Ehefrau zu verwenden oder eine andere Abdeckung zu schaffen, die dem Charakter einer generalis sepultura entsprochen hätte. Die Metallgrabplatten entstammten der Zeit vor dem Erbfolgekrieg und waren geeignet, die althergebrachten welfischen Rechte im Lüneburger Territorium anschaulich zu machen und zugleich deren Legitimität zu dokumentieren, die der Familie von Generation zu Generation erhalten blieb und auch auf die Erben Bernhards übergehen würde. Die kurzzeitige askanische Herrschaft muß dagegen als Usurpation erscheinen. So ist die eigentümliche Gestaltung des Denkmals ebenso wie das Grundmotiv für seine Errichtung letztlich mit Anschauungen in Verbindung zu bringen, die aus den politischen Ereignissen des 14. und 15. Jahrhunderts resultierten.

Dieses Ergebnis macht Rehtmeiers Ansicht hinfällig, bei den Schnitzfiguren an den Längsseiten des Monuments handele es sich um Heiligendarstellungen40). Vielmehr ist Gebhardi im Recht, wenn er mitteilt, das Denkmal sei „an zwey Seiten mit Bildsäulen von sechs Herzogen und eben so vielen Herzoginnen ausgezieret“, stelle also sechs Herzogspaare dar41). Anders als Gebhardi jedoch, der hier auch Albrecht von Sachsen-Wittenberg einreiht42), muß man die Figuren als Abbilder welfischer Herzöge und ihrer Ehefrauen begreifen. Eine sichere Zuweisung ist nicht möglich. Es kann sich um diejenigen Ehepaare handeln, die auch durch die Wappen bezeichnet sind, ergänzt durch die Figuren Herzog Ottos III. und seiner Gemahlin. Will man eine Darstellung Ottos II. und seiner Ehefrau ausschließen, weil sie bereits auf den Grabplatten abgebildet waren, ließe sich Herzog Johann († 1277) in die Reihe aufnehmen oder Bernhards Bruder Heinrich († 1416), der seit 1409 die Regierung in Lüneburg führte. Für eine eindeutige Entscheidung in der Frage der Zuordnung fehlen zuverlässige Anhaltspunkte. Sicher ist jedoch, daß hier ausschließlich welfische Herrscher dargestellt worden sind, die heren fursten und furstinnen, von denen in der Urkunde Bernhards I. die Rede ist.

Als letzter welfischer Fürst wurde Bernhards Enkel Otto II. († 1471) in der Lüneburger Gruft beigesetzt43). Dessen Vater Friedrich († 1478) ließ sich bereits in Celle bestatten44). So diente die Grabanlage in der Michaeliskirche nach Errichtung des Denkmals ihrer Bestimmung nur noch für etwa vier Jahrzehnte. Dieser Sachverhalt hängt vermutlich nicht allein damit zusammen, daß die Herzöge fortan ihre Residenz in Celle nahmen und folglich dort auch ihre Grablege einrichteten45). Vielmehr scheinen sich auch die Vorstellungen über Anlage und Ausschmückung von Gräbern gewandelt zu haben. Offensichtlich wollte man sich nicht mehr damit begnügen, anonym in einer generalis sepultura ohne individuelle Kennzeichnung bestattet zu werden. Als Zeichen dafür läßt sich anführen, daß für Otto II. ein besonderes Grabdenkmal, vermutlich ein Totenschild, geschaffen wurde, dessen Inschrift die Erinnerung an seine Person wachhielt46). Sein Sohn und Nachfolger Heinrich erhielt eine eigene, durch eine Grabplatte verschlossene Sepultur im Kloster Wienhausen47), und auch die Gräber in Celle wurden mit einer individuellen Kennzeichnung versehen. So war es auch ein Wandel in der Grabkultur, der der Gruft in der Michaeliskirche ihre Bedeutung nahm und damit ältere Vorstellungen gegenstandslos werden ließ. Noch Herzog Bernhard hatte sie mit einem Denkmal ausstatten lassen, das programmatisch einen Kontinuitätsgedanken ausdrücken sollte. Auch die Abmessungen der Grabkammern deuten darauf hin, daß eine Benutzung der Gruft über mehrere Jahrhunderte vorgesehen war. Das ist der Beschreibung zu entnehmen, die Gebhardi nach Öffnung der Anlage am 4. August 1792 anfertigte und auf deren Angaben bereits verwiesen wurde48). Danach bestand die Gruft aus zwei nebeneinanderliegenden, jeweils 2,91 m langen und 1,21 m breiten, tonnengewölbten Kammern mit einer Scheitelhöhe von 2,90 m. Die nördliche war durch Brettereinlagen in drei Geschosse unterteilt und vollständig belegt. Gebhardi unternimmt den Versuch, die „18 Schloßbeine und 10 Köpfe“, die als Reste in den beiden oberen Geschossen gefunden wurden, mit bestimmten Personen zu identifizieren. Seine Zuweisungen sind nicht näher begründet und nicht überprüfbar. Zustimmen kann man ihm, wenn er die Skeletteile, die ein im unteren Geschoß aufgefundener „Kasten“ aus Eichenholz enthielt, für „billungische Fürsten-Reliquien“ hält. Ganz sicher ist, daß diese Grabkammer alle Gebeine aufnahm, die aus den Fürstengräbern der Klosterkirche am Kalkberg erhoben und nach der provisorischen Beisetzung in St. Cyriaci endgültig bestattet wurden. Außerdem muß diese Kammer für das Begräbnis von Angehörigen des Herzogshauses benutzt worden seien, die verstarben, als die neue Klosterkirche bereits weitgehend fertiggestellt war49). Denn die zweite, nach Süden anschließende Grabkammer enthielt nur die sterblichen Überreste von fünf Personen, die Gebhardi vermutlich zutreffend mit Bernhard I. († 1434), Otto I. († 1445), Bernhard II. († 1464), Otto II. († 1471) sowie Bernhards Gemahlin Margarethe von Sachsen-Wittenberg identifiziert. Die südliche Kammer ist also offensichtlich erst zur Zeit Bernhards I. in Benutzung genommen worden. Sie hätte ausreichenden Raum für weitere Beisetzungen geboten, zumal wenn man sie nach dem Vorbild der nördlichen Kammer unterteilt hätte. Daß die Herzogsfamilie indessen jegliches Interesse an ihrer ehemaligen generalis sepultura verlor, zeigt sich daran, daß man 1682 die südliche Kammer für die Bestattung eines Grafen Gräz benutzen konnte und bei dieser Gelegenheit alle Grabbeigaben ausräumte, die man hier vorfand und für wertvoll erachtete50).

1864 wurde die Gruft erneut geöffnet, ein weiteres Mal im September 193651). Dieser letzten Öffnung scheinen ähnliche Motive zugrunde gelegen zu haben wie der Öffnung des Grabes Heinrichs des Löwen in Braunschweig, mit der im Juni 1935 begonnen worden war52). Möglicherweise erhoffte man sich, die Gebeine Hermann Billungs aufzufinden. Wie man bereits Gebhardis Bestandsaufnahme von 1792 hätte entnehmen können, ergab der Grabungsbefund nichts, was für publizistische oder ähnliche Zwecke zu verwenden gewesen wäre. Ein wissenschaftlicher Ertrag dieses Unternehmens war von vornherein nicht zu erwarten, so daß der Bericht der örtlichen Presse nichts anderes ist als die Bemäntelung der Sensationslust, die hinter dieser Öffnung stand53).

Im Zusammenhang mit der Belegung der Gruft ist abschließend auf den in der Literatur häufig zu findenden Hinweis einzugehen, der 1385 verstorbene Herzog Albrecht von Sachsen-Wittenberg, seit 1370 mit dem Fürstentum Lüneburg belehnt54), sei in der Michaeliskirche beigesetzt worden55). Gebhardi nimmt an, er sei in der nördlichen der beiden Grabkammern bestattet worden56). Das Gegenteil ist nicht nachzuweisen, doch ist diese Annahme kaum wahrscheinlich. Ebenso wenig wie Albrecht unter den Figuren am Denkmal dargestellt gewesen ist, wird er in der welfischen Gruft bestattet worden sein. Das schließt freilich die Existenz seiner Grabstätte in der Kirche nicht aus.

Deshalb ist hier auf einen Sachverhalt aufmerksam zu machen, der bisher offensichtlich unbeachtet geblieben ist. Der sechste Band der Gebhardischen Kollektaneen enthält einen 1755 aufgenommenen Grundriß der Unterkirche von St. Michaelis. In diesem Plan ist auf der Mittelachse des Gebäudes vor dem Marienaltar eine Sepultur nachgewiesen, die als „ein um 6 zol erhöhtes Grab, in welchem 1790 Spuren eines mit Leder bedekten Sarges waren“, beschrieben wird57). Nähere und genauere Angaben ließen sich nicht ermitteln. Heute hat sich der Fußboden über der bezeichneten Fläche leicht abgesenkt. Daraus ergibt sich, daß hier tatsächlich eine Gruft vorhanden war. Sie muß nach 1790 verfüllt worden sein, das Füllmaterial muß sich später verdichtet und so die Absenkung des Bodens hervorgerufen haben.

In der alten Michaeliskirche hatte sich an der gleichen exponierten Stelle, vor dem Marienaltar der Krypta, das Grab Herzog Bernhards I. aus dem Hause der Billunger befunden, der das Kloster den Benediktinern übergeben hatte und damit als zweiter Stifter gelten kann58). Bedenkt man nun, daß Herzog Albrecht die rechtlichen Voraussetzungen für den Neubau des Klosters innerhalb der Stadt geschaffen hatte59) und deshalb gleichsam als Stifter auftrat und daß die 1376 begonnenen Bauarbeiten mit der Errichtung der Unterkirche eingesetzt haben und in diesem Bereich beim Tode Albrechts relativ weit fortgeschritten waren, läßt sich annehmen, daß die hier gelegene, hervorgehobene Grabstelle für ihn geschaffen wurde. Nachweise lassen sich nicht führen, doch ist diese Annahme wahrscheinlicher, als eine Beisetzung in der welfischen Gruft zu vermuten, die als solche durch ein Denkmal mit entsprechend programmatischer Gestaltung gekennzeichnet war.

Anmerkungen

  1. Körner, Leitfaden, S. 25, Nr. A 22.
  2. Die beste Abbildung des gesamten Denkmals ist der Stich von N. Seeländer in: Scheid (Hg.), Origines Guelficae, Bd. 4, Tab. II und III nach S. 76. In Details ungenauer und zum Teil fehlerhaft ist die Abbildung bei: Rehtmeier, Chronica, Tab. V vor S. 1.
  3. So auch lokalisiert in dem 1755 entstandenen Lageplan der Michaeliskirche, in: Gebhardi, Coll. VI, 1772, S. 381.
  4. Die Inschrift lautet: „In diesem 1388 hierher verlegten Grabe ruhen die Reste der während des halben Jahrtausends von 973 bis 1471 in Lüneburg beigesetzten Landesherren und ihrer Gemahlinnen, der Herzöge von Sachsen, von Hermann Billung † 973 bis auf Magnus † 1106 und der Herzöge von Lüneburg von Wilhelm dem Ahnherrn der Welfen bis auf Otto † 1471.“ Daß die Gruft im Jahr 1388 eingerichtet wurde, wie es dieser Text behauptet, ist nicht zu belegen. Wahrscheinlicher ist, daß die Grabanlage früher errichtet wurde.
  5. N. N. [L. A. Gebhardi], Nachricht, S. 189; Beschreibung des Denkmals ebd., S. 186f. – Daß es sich bei dem anonymen Verfasser um Gebhardi handelt, geht daraus hervor, daß sich die etwas umfangreichere Manuskriptfassung dieser Abhandlung im 9. Band seiner Kollektaneen, S. 957–962, erhalten hat.
  6. Die Grundsteinlegung wurde in einer Urkunde Bischof Heinrichs von Verden vom 14. Juli 1376 bestätigt: Hodenberg, Lüneburger Urkundenbuch, 7. Abt., S. 416–419, Nr. 684.
  7. Plath, Michaeliskloster, S. 13.
  8. [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 190.
  9. Hodenberg (wie Anm. 6), S. 641 f., Nr. 1046.
  10. Hodenberg (wie Anm. 6), S. 642, Nr. 1047.
  11. Reuter, Balduin von Wenden, S. 7. – Vgl. unter Nr. 30 den Kommentar zur Grabplatte Balduins.
  12. Meyne, Plastik, S. 181, Nr. 84.
  13. Das Gemälde wird heute im Museum für das Fürstentum Lüneburg gezeigt.
  14. Rehtmeier (wie Anm. 2), S. 517.
  15. Wie Anm. 14: „bestehende ab ortu & occasu aus Fürstlichen Wappen; a meridie & septentrione aus Bildnissen ...“.
  16. Reinecke, Kirchliche Abteilung, S. 120–125, Nr. 156; Meyne (wie Anm. 12). Danach das Folgende.
  17. Körner, Leitfaden, S. 27, Nr. A 23. Eines der 18 Einzelstücke kam in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg abhanden.
  18. Die in Anm. 2 genannten Abbildungen lassen zwar die Vierpässe erkennen, weisen die Darstellung von Evangelistensymbolen jedoch nicht nach.
  19. Rikemann, fol. 57 r.
  20. Die heute vorherrschende rote Farbe ist nicht durchgängig mit der ursprünglichen Tingierung in Verbindung zu bringen. Das Rot ist durch die Restaurierungen der jüngsten Zeit freigelegt worden und diente überwiegend als Grundierung, vor allem auch für eine Blattvergoldung.
  21. Körner, Leitfaden, S. 26, Nr. A 22.
  22. Schnath, Sachsenroß, passim, bes. S. 17.
  23. Seyier (Bearb.), Wappen der deutschen Souveraine und Lande, N. F., S. 17. In dieser Form war das Wappen erst seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts in Gebrauch. Zur älteren gold-schwarzen askanischen Balkenteilung und den Seeblättern für die Grafschaft Brena wurde nach der 1370 erfolgten Belehnung mit dem Fürstentum Lüneburg der Löwe aufgenommen, und die beiden Schwerter dokumentieren das Amt der ReichsErzmarschalle, das dem Haus unter Rudolf II. übertragen wurde.
  24. Hefner (Hg.), Die Wappen der Souveraine, S. 15: „21 ganze Rauten oder Wecken blau und silbern“ als Schildfigur „Alt-Bayerns“; dazu Taf. 18.
  25. Seyler (wie Anm. 23), S. 18: „quergestreifter Schild mit rechtsschrägem Rautenkranz“.
  26. Seyler (wie Anm. 23), S. 20, dazu Taf. 29, Nr. 3.
  27. Seyler (wie Anm. 23), S. 72 f. In Blau ein gold-gekrönter weißer [silberner] Löwe mit roter Zunge; dazu Taf. 89, Nr. 3.
  28. Hefner (wie Anm. 24), S. 27: zwei Leoparden „in rotem Schilde“; dazu Taf. 47.
  29. Hefner (wie Anm. 24), S. 27: „einfacher Löwe, blau in Gold“; dazu Taf. 47.
  30. Gebhardi, Coll. IV, 1763, S. 687; [Ders.] (wie Anm. 5), S. 187 f.; Ders., Verzeichnis 1796, S. 127. – Mithoff, S. 166. – Reinecke (wie Anm. 16). – Meyne (wie Anm. 12). – Schnath (wie Anm. 22), S. 91, Anm. 101.
  31. Schnath (wie Anm. 30).
  32. 1763 vermerkt er (vgl. Anm. 30): „Roter Löwe. Kann Homburg sein, ist aber wohl, weil er oben an steht, der alte Löwe aus dem Majestätssiegel.“ Hier wurde anscheinend erwogen, die Schildfigur – wie es zutreffend gewesen wäre – dem Herzogtum Lüneburg zuzuordnen. 1793 nennt er das Wappen den „ebersteinischen Schild“, 1796 schreibt er ebenfalls „Eberstein“, hält aber bei der Aufzählung aller Wappen keine systematische Reihenfolge ein – vielleicht ein Zeichen dafür, daß er in seiner Zuordnung unsicher war. Bemerkenswert ist, daß hier alle Identifizierungen zutreffen. Es heißt: „Noch zwei Seiten-Stükke mit den Schildern von Lüneburg, Altsachsen, Kursachsen, Anhalt, Braunschweig, Eberstein, Baiern und Sachsen-Lauenburg.“ – Das Wappen 6 bezeichnet er 1793 mit der Beschreibung: „ein unbekannter güldener Schild mit einem gekrönten blauen Löwen“; 1763 und dann wieder 1796 wies er das Wappen dem Fürstentum Lüneburg zu. An dieser Zuordnung wurde später festgehalten, wenngleich die Unstimmigkeiten offenbar erkannt wurden. So schreibt Mithoff (wie Anm. 30): „... den blauen lüneburgischen (hier gekrönten) Löwen im goldenen Felde“, Reinecke (wie Anm. 30): „... den blauen, nach rechts schreitenden Lüneburger Löwen in goldenem Felde“.
  33. Reinecke (wie Anm. 30) : „der vierte [Schild zeigt] den gekrönten, schreitenden Löwen der Grafschaft Eberstein, ebenfalls golden auf rotem (statt silbern auf blauem) Grunde“. Mithoff (wie Anm. 30) hatte in Bezug auf das Wappen nur von einem „goldenen Löwen in rothem Felde“ gesprochen und keine Zuordnung vorgenommen. Unklar ist, warum Gebhardi (wie Anm. 32) hier von einem „roten“ Löwen spricht. In seinen späteren Angaben hat er auf Hinweise über die Tingierung dieses Wappens verzichtet und unkommentiert die Zuordnung an Everstein vorgenommen.
  34. Am gravierendsten war die Zuweisung des Wappens 2 an Herzog Albrecht von Sachsen-Wittenberg, weil dadurch die im folgenden zu erläuternde Interpretation der Wappenreihen von vornherein ausgeschlossen wird. Schnath (wie Anm. 22), S. 44, bemerkt zu den Wappen: „Was sie in ihrer Gesamtheit zu sagen haben, bleibt leider ... unklar und strittig“, und S. 91, Anm. 101: „Das System der Anordnung bleibt in jedem Falle unklar“. Daß jedoch ein System zu erkennen ist, geht aus den folgenden Überlegungen hervor, die sich von der Vorstellung lösen, es müsse sich um eine Ahnenprobe handeln, wie offenbar stets angenommen wurde. So schreibt Körner (wie Anm. 21) noch 1975: „Die Schmalseiten bilden in den Wappendarstellungen eine bisher noch nicht aufgelöste Ahnentafel.“
  35. Vgl. Havemann, Geschichte, Bd. 1, S. 525, über den Lüneburger Erbfolgekrieg S. 480–526. Nach der Schlacht bei Winsen an der Aller im Jahre 1388 übernahm Bernhard mit seinem Bruder die Regierung des Fürstentums zwar gemeinsam, als dem älteren kam ihm jedoch ein höherer Rang zu. Nach einer Teilung der welfischen Gesamtlande im Jahre 1409 wählte Bernhard das Fürstentum Braunschweig, Heinrich († 1416) erhielt Lüneburg. Seit 1428, nach einer erneuten Teilung, regierte Bernhard wieder den Lüneburger Landesteil.
  36. Als erster Welfenherzog führte Albrecht II. von Grubenhagen diese Schildfigur: Schnath (wie Anm. 22), S. 18.
  37. So mit einleuchtender Begründung Schnath (wie Anm. 22), S. 38–43, hier bes. S. 40 und S. 43 mit dem Hinweis, daß die Herzöge von Sachsen-Wittenberg zwar den Lüneburger Löwen in ihr Wappen aufnahmen (vgl. Anm. 23), jedoch niemals das Pferd benutzten.
  38. Dennoch spricht Rehtmeier (wie Anm. 14) vom „Epitaphium“ Herzog Ottos, und noch die Formulierung bei [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 184, nach der das „Denkmal“ allein auf Otto bezogen werden kann, ist mißverständlich. An anderer Stelle freilich vermerkt er, daß der „vorgedachte hölzerne Kasten über der fürstlichen Gruft“ erst „nach vollendetem Kirchenbaue verfertigt seyn kann“ (S. 186, 187).
  39. Havemann (wie Anm. 35), S. 514. Albrecht wurde im Verlauf des Erbfolgekrieges 1385 während der Belagerung von Schloß Ricklingen bei Hannover verwundet und starb kurze Zeit später.
  40. Rehtmeier (wie Anm. 14): „... bestehende ... aus Bildnissen der Heiligen“. Diese Auffassung ist schon deshalb irrig, weil die beigegebenen Attribute für Heilige untypisch sind. Es handelt sich zum Beispiel um eine Kugel oder ausgebreitete Urkundenrollen.
  41. [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 186.
  42. [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 187. Diese Meinung war vermutlich durch das Vorkommen des Sachsen-Wittenbergischen Wappens an der Stirnseite des Denkmals präjudiziert. Vgl. Anm. 34.
  43. So bereits [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 188.
  44. Havemann (wie Anm. 35), S. 711. Die Sepultur wurde im dortigen Franziskanerkloster eingerichtet.
  45. Vgl. dazu Steinmann, Grabstätten, S. 250 f.
  46. Vgl. Nr. 38.
  47. Steinmann (wie Anm. 45), S. 96.
  48. [Gebhardi] (wie Anm. 5).
  49. Mit Halliday, History, S. 382, sind hier Katharina von Sachsen-Anhalt, die Mutter Herzog Bernhards, und Agnes von Sachsen-Lauenburg, die Witwe Herzog Wilhelms, zu nennen. Ähnlich, allerdings ohne Namensnennung, bereits [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 190. Unverständlich bleibt, warum Gebhardi mit diesen Angaben die Jahreszahl 1418 in Verbindung bringt. In diesem Jahr verstarb Bernhards Gemahlin Margarethe von SachsenWittenberg, die – auch nach Meinung Gebhardis – in der zweiten Grabkammer bestattet wurde.
  50. [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 190: „Die zweyte oder mittägliche Kammer wurde vermuthlich 1682 ausgeräumt, denn in selbiger fand man keine Spuren von Särgen, aber fünf Köpfe, eben so viele Schloßbeine erwachsener Personen, und der Kopf eines Kindes lagen in der westlichen Abtheilung. ... Auf dem Platze, den die Särge dieser Fürsten ehedem eingenommen haben mußten, stand ein kleiner mit schwarzem Tuche beschlagener Sarg, ...“. Aus dem Folgenden geht hervor, daß in diesem Sarg der 1682 im Alter von neun Jahren verstorbene Graf Heinrich von Untergräz beigesetzt worden war. Bedeutende Grabbeigaben kann die Gruft nicht enthalten haben. Vermutlich waren nur die Leichentücher aus besonders wertvollen Stoffen hergestellt.
  51. Lüneburger Zeitung vom 6. Oktober 1936, Nr. 274, 8. Jahrgang, mit dem Artikel: „Die Öffnung der Fürstengruft in St. Michaelis. Ein Nachwort. Von Professor Dr. Wilhelm Reinecke, Lüneburg.“
  52. Vgl. dazu die erschöpfende Abhandlung von Schmidt, Grablege, S. 10 f. – S. 9 mit Anm. 2 verweist Schmidt auf die von Heinrich Himmler veranlaßten Grabungsarbeiten in Quedlinburg, die 1936, im 1000. Todesjahr König Heinrichs I., an dessen Sepultur vorgenommen wurden. Vermutlich sind diese Betätigungen nicht ohne Einfluß auf die Entscheidung des Lüneburger Gauleiters geblieben, im selben Jahr die welfische Gruft öffnen zu lassen.
  53. Zwar heißt es in Reineckes Artikel (wie Anm. 51): „... besondere Ueberraschungen konnten also bei der jüngsten Oeffnung nicht erwartet werden.“ Wenn aber die unmittelbare Fortsetzung lautet: „Gleichwohl ist das in einem Protokoll niedergelegte Ergebnis von nicht zu unterschätzender Bedeutung“ und zum Beweis dessen zwei Proben von „goldgelben Seidenstoffen“ und nichts weiter dienen müssen, wird der apologetische Charakter dieses Berichts deutlich.
  54. Böhmer, Regesta Imperii, Bd. 8, S. 400, Nr. 4823 (1370, März 3). Text der Urkunde: Sudendorf, Bd. 4, 1864, S. 5–7, Nr. 10.
  55. [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 191; Halliday (wie Anm. 49), S. 382; Havemann (wie Anm. 35), S. 514.
  56. [Gebhardi] (wie Anm. 5), S. 191.
  57. Wiedergabe bei Plath (wie Anm. 7) als Abb. 8.
  58. Vgl. den Kommentar zur Grabschrift Bernhards unter Nr. 1.
  59. Die Urkunde, in der dem Konvent der Bauplatz zur Errichtung des Klosters zugewiesen wird, ist von den Herzögen Wenzel und Albrecht gemeinsam ausgestellt worden: Hodenberg (wie Anm. 6), S. 405–407, Nr. 663 (1373, November 25).

Nachweise

  1. Rikemann, fol. 57 r.
  2. Rehtmeier, Chronica, in der Abbildung Tab. V vor S. 1.
  3. N. N. [L. A. Gebhardi], Nachricht, S. 185.
  4. Halliday, History, S. 383.
  5. Mithoff, S. 167.
  6. Reinecke, Kirchliche Abteilung, S. 125.
  7. Meyne, Plastik, S. 181.
  8. Körner, Leitfaden, S. 25, Nr. A 22.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 27 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0002707.