Inschriften: St. Michaeliskloster und Kloster Lüne bis 1550

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 24: Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne (1984)

Nr. 20† St. Michaeliskirche 1423

Beschreibung

Totenschild (?) für Gerd von Hitzacker. Über Standort, Ausführung und Verbleib ist nichts bekannt. Rikemann überliefert folgende Inschrift1):

  1. Anno Domini 14. in dem 23 iare, up pingste dach, vorstarff Gert van Hitzakar, dat eme Gott gnedich sie.

Datum: 1423, Mai 23.

Kommentar

Das Formular des Textes macht die Annahme sehr wahrscheinlich, daß es sich um einen Totenschild gehandelt hat2). Über die Identität des hier genannten Gerd von Hitzacker lassen sich nur vage Vermutungen anstellen. Daß er eine Grabstelle im Michaeliskloster erhalten hat, ist am einfachsten durch engere Verwandtschaftsbeziehungen zu dem von 1441 bis 1477 als Abt amtierenden Ludolf von Hitzacker zu erklären3). Ludolf war nach einer Angabe L. A. Gebhardis „1425 auf eine Akademie gesendet“4), gehörte also zu der Zeit bereits dem Kloster an. Vielleicht hat Ludolf 1423 für die Beisetzung seines mutmaßlichen Verwandten Sorge getragen. Der Begräbnisplatz Gerd von Hitzackers hat möglicherweise im Kreuzgang gelegen5). Denn der Lageplan von 1755 weist eine Sepultur für ihn im Kirchenraum nicht aus6). Daß er jedoch im Klosterbereich bestattet wurde, kann nicht zweifelhaft sein, auch seine verwandtschaftliche Bindung an Ludolf von Hitzacker bleibt wahrscheinlich.

Nach einer von Gebhardi mitgeteilten Stammtafel hatte Ludolf drei Brüder, von denen einer den Namen Gerd trug und nur für das Jahr 1413 bezeugt ist7). Folgt man diesen Angaben, könnte es sich bei dem in der Inschrift genannten Verstorbenen durchaus um diesen Bruder des Abtes handeln. Das überlieferte Todesdatum würde erläutern, warum er nur einmal urkundlich nachzuweisen ist, und zugleich vermuten lassen, daß er kein hohes Alter erreicht haben kann. Es fehlen jedoch sichere Anhaltspunkte, um die hier erwogene Zuschreibung der Inschrift stützen zu können. Im übrigen ist in Rechnung zu stellen, daß der Name Gerd wie auch der Name Johann bei der Familie von Hitzacker gleichzeitig in verschiedenen Generationen auftrat und auch deshalb eine klare Unterscheidung nicht immer möglich ist8).

Anmerkungen

  1. Fol. 14 v.
  2. Vgl. die erhaltenen Totenschilde für Werner (XIII.) und Boldewin von Meding (Nr. 48 und 65), ferner Nr. 39.
  3. Zu Ludolf vgl. Gebhardi, Coll. XIV, 1796, S. 348–406. Von 1431 bis 1441 war er Prior: Gebhardi, Coll. XV, 1798, S. 469–471. – Vgl. auch die Abtsliste bei: Reinhardt, Art. Lüneburg, St. Michaelis, S. 344. – Daß Gerd von Hitzacker nicht in besonderer Beziehung zum Kloster stand und etwa deshalb in St. Michael begraben wurde, läßt sich bereits daraus schließen, daß er im Nekrolog nicht verzeichnet ist.
  4. Gebhardi, Coll. XIV, 1796, S. 348.
  5. Vgl. Nr. 23 (Grabplatte Ludolf von Estorffs). Ludolf wurde im Kreuzgang des Klosters Lüne beigesetzt.
  6. Lageplan in: Gebhardi, Coll. VI, 1772, S. 381. – Rikemann bietet den hier zu behandelnden Text unmittelbar folgend auf die Inschrift von der Grabplatte (?) Johann von Hitzackers (Nr. 32). Daraus läßt sich schließen, daß der Totenschild Gerd von Hitzackers, sofern es sich um einen solchen gehandelt hat, in der Nähe der Sepultur Johanns angebracht war. Diese Grablege war möglicherweise nicht weit von dem Pfeiler entfernt, an dem sich heute die Kanzel befindet (s. Nr. 32).
  7. Gebhardi, Coll. XIV, 1796, S. 349. – Die Zuverlässigkeit der Stammtafel konnte nicht überprüft werden. Gebhardi beruft sich auf handschriftliche Unterlagen des älteren Pfeffinger, dessen Mitteilungen mit Mißtrauen begegnet werden sollte. In: Pfeffinger, Historie, Bd. 2, S. 597–618, entwickelt er eine umfangreiche Generationenfolge der Familie von Hitzacker, die seit dem 12. Jahrhundert nachzuweisen ist. Als Grundlage dienen ihm dazu auch im vollen Wortlaut abgedruckte Urkunden. Wie Stichproben ergaben, sind bei deren Auswertung unter genealogischen Gesichtspunkten Fehler unterlaufen. – S. 612 werden als Brüder des Abtes Ludolf von Hitzacker Johann und Albrecht genannt, auf Gerd wird nicht verwiesen.
  8. Vgl. dazu und zur Stellung der Familie als Erbkämmerer des Michaelisklosters seit der Mitte des 15. Jahrhunderts den Kommentar unter Nr. 32 (Grabplatte (?) Johann von Hitzackers). – Pfeffinger (wie Anm. 7), S. 608 f., nennt einen 1336 und 1344 bezeugten Gerd (Gerhard) von Hitzacker, ebd., S. 616 einen für 1460 nachzuweisenden Familienangehörigen desselben Namens.

Zitierhinweis:
DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 20† (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0002008.