Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 76: Lüneburger Klöster (2009)

Nr. 125† Kloster Medingen 1567

Beschreibung

Epitaph der Äbtissin Margaretha Stöterogge. Das Epitaph befand sich in der Begräbniskapelle der Äbtissinnen.

Inschrift nach Büttner.

  1. A

    Anno domini 1567 . in die Remigii .1) obiit . in vera invocatione filii DEI . reverenda . Abbatissa . MARGARETA . STOETEROGGE . cujus . anima . requiescat . in . pace .

  2. B

    Ego . sum . resur/rectio . et . vita . 2)

  3. C

    Spes . mea . CHRISTVS .

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1567 am Remigiustag starb in wahrer Anrufung des Gottessohns die ehrwürdige Äbtissin Margaretha Stöterogge. Ihre Seele ruhe in Frieden. (A)

Ich bin die Auferstehung und das Leben. (B)

Meine Hoffnung (ist) Christus. (C)

Kommentar

Margaretha Stöterogge wurde 1493 als Tochter des Lüneburger Bürgermeisters Hartwig Stöterogge und seiner Ehefrau Margaretha Stoketo geboren und 1504 als Lehrkind im Kloster Medingen aufgenommen.3) 1524 wurde sie im Alter von 31 Jahren zur Äbtissin gewählt und übte dieses Amt 43 Jahre lang bis zu ihrem Tod 1567 aus.4) In ihrer langen Amtszeit vollzog sich der allmähliche Wechsel des Konvents zum lutherischen Bekenntnis. Daß dieser erst 1554 beendet war, zeigt das Beharrungsvermögen Margaretha Stöterogges, mit dem sie sich seit ihrem Amtsantritt dem landesherrlichen Druck dreißig Jahre lang widersetzte (vgl. Nr. 116 u. 122). Von Maßnahmen wie der Entfernung der Glocken oder dem Abbruch der Klostermauer und einiger Klostergebäude5) ließ sie sich ebensowenig beeindrucken wie von der Predigt des von Herzog Ernst nach Medingen gebrachten Urbanus Rhegius.6) Als Herzog Ernst die Äbtissin 1542 aufforderte, sich mit dem Klostervermögen und -archiv in Celle einzufinden, ahnte sie nichts Gutes und flüchtete mit dem Archiv und den Preziosen des Klosters zum Hildesheimer Bischof. Erst nach einer Klage des Verdener Bischofs vor dem Reichskammergericht und einem daraus resultierenden Mandat Kaiser Karls V. an Herzog Ernst, das Kloster Medingen nicht weiter zu bedrohen, konnte Margaretha Stöterogge 1544 wieder nach Medingen zurückkehren.7) Ihre Hinwendung zum evangelischen Bekenntnis erfolgte offensichtlich unter dem Einfluß ihres Bruders, des Lüneburger Ratsherrn und späteren Bürgermeisters Nikolaus Stöterogge,8) der seiner Schwester im August 1554 in einem Brief seine große Freude darüber bekundete, dat juw werden sampt dem mheren dele der szammelinghe uth anreginge, drivinge und werkinge des werdigen hilligen gestes syck na ordening, stiffting und bevele unsses hern und heylandes Jesu Christi, des szones des almechtigen vaders, under beyder gestalt dat hochwerdige hillige sacrament synes lyves und blodes genamen und entfangen hebben, und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, daß auch die bislang noch altgläubigen Konventualinnen sich dem wahren Glauben zuwenden möchten.9) Betrachtet man die Biographie der Äbtissin, so zeigen die Inschriften des Epitaphs eine erstaunlich protestantische Auffassung, die Christus in den Mittelpunkt stellt. Die Betonung darauf, daß die Äbtissin in vera invocatione filii Dei10) gestorben sei, soll wohl besonders demjenigen, der ihre Biographie kennt, deutlich machen, daß Margaretha Stöterogge als überzeugte Protestantin starb.11) Trotzdem enthält die Inschrift A – charakteristisch für die Übergangszeit – mit der Angabe des Todestags nach dem Heiligenkalender noch ein katholisches Relikt.

Anmerkungen

  1. 1. Oktober.
  2. Io. 11,25.
  3. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Stöterogge III.
  4. Lyßmann, Medingen, S. 136.
  5. UB Medingen, Nr. 696, S. 668f.
  6. Lyßmann, Medingen, S. 134.
  7. UB Medingen, Nr. 696 u. 697, S. 668–672.
  8. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Stöterogge III.
  9. UB Medingen, Nr. 705, S. 679.
  10. Die vera invocatio, die wahre Anrufung Christi oder Gottes behandelt Melanchthon ausführlich, indem er sie gegen die falsche Anrufung der Heiden, aber auch gegen die falsche Anrufung von Heiligen durch die Altgläubigen stellt. Vgl. dazu Martin H. Jung, Frömmigkeit und Theologie bei Philipp Melanchthon. Tübingen 1998 (Beiträge zur historischen Theologie 102), S. 245–250.
  11. Dieselbe Formulierung in vergleichbarem Kontext DI 66 (Landkreis Göttingen), Nr. 321, u. hier Nr. 144 u. 214.

Nachweise

  1. Büttner, Diplomatarium, fol. 7r.
  2. Lyßmann, Medingen, S. 160 (A).

Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 125† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0012507.